Er sehe in Waldheim einen “anständigen Mann, der viel zu feige war, um unanständig zu sein”, sagte Kohl.
“Himmelschreiendes Unrecht”
Waldheim sei ein klassisches Opfer der Medien gewesen, führte der langjährige deutsche Kanzler (1982-98) im Gespräch mit seinem verhinderten Ghostwriter Heribert Schwan aus. In der Affäre um die Wehrmachtsvergangenheit des früheren UNO-Generalsekretärs habe auch der Jüdische Weltkongress eine “besonders üble Rolle gespielt”, kritisierte Kohl. Waldheim sei “himmelschreiendes Unrecht” widerfahren.
Kein Fan
Er selbst sei zwar “kein Waldheim-Fan” gewesen. Dennoch: “Ich bin ein freier Bürger in einem freien Land. Ich muss mich den Ausführungen dieser Waldheim-Gegner nicht fügen. Das sind ja die gleichen Leute, die ohne jede Hemmung jede Denunziation betreiben, wenn es ihnen nützlich ist.”
TV-Auftritte empfohlen
Dem früheren österreichischen Bundespräsidenten habe er den gleichen Rat erteilt wie dem damaligen baden-württembergischen Ministerpräsidenten Hans Filbinger, der wegen seiner NS-Vergangenheit als Marinerichter hatte zurücktreten müssen. Er empfahl beiden einen längeren Auftritt im Fernsehen mit einem Bekenntnis zur Vergangenheit und mit bedauernden Worten.
So habe er Waldheim geraten, im ORF auf einen “mindestens einstündigen Bericht zur besten Sendezeit” zu drängen. “Und dann erzählst du, wo dein Elternhaus war, und dass es noch andere zehntausend Österreicher gab, die deutsche Offiziere waren. Und du warst einer von ihnen. Du hattest zwar mit diesen Dingen direkt nichts zu tun gehabt, hast aber natürlich gewusst, dass das der barbarischste Kriegsschauplatz im Westen war. Es ist Schreckliches in Jugoslawien passiert, aber auch Schreckliches an deutschen Soldaten. Und sage, es tut dir leid!” Diese Sätze hätten nach Kohls Ansicht Wirkung gezeigt.
200 Tonbandkassetten
Das Buch “Vermächtnis. Die Kohl-Protokolle” beruht auf 600 Interviewstunden auf 200 Tonbandkassetten mit dem Journalisten Heribert Schwan. Schwan war zunächst Ghostwriter für den früheren CDU-Chef, bis Kohl ihm das Vertrauen entzog. Kohl hatte bis zuletzt versucht, die Veröffentlichung des Buches verbieten zu lassen. (APA)
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