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Kleines Bürgerhaus mit großem Schopf

©Petra Rainer
Die Balance zwischen Tradition und Moderne, wirtschaftlichem Denken und architektonischem Anspruch zu halten und bei all diesen Vorgaben die Maßstäblichkeit nicht aus den Augen zu verlieren, war keine leichte Aufgabe für den Planer des Schwarzenberger Sennhus.
Kleines Bürgerhaus mit großem Schopf

Wo früher die größte Sennerei des Bregenzerwaldes stand, steht nun eines der größten Gebäude von Schwarzenberg oder eigentlich ein großes und knapp daneben ein verhältnismäßig kleines. Ihre Lage könnte besser nicht sein. Direkt daneben liegen die Volksschule, das Gemeindeamt, der Angelika-Kauffmann-Saal, ein Café und auch die Kirche bzw. das historische Zentrum der kleinen Gemeinde sind nicht weit. Während hier das Alte liebevoll bewahrt wird, wird im neuen Sennhus das Traditionelle im Sinn und mit den Mitteln von heute weitergedacht. Getragen von der Idee des Bauherrn Bertram Dragaschnig, dass Schwarzenberg ein neues wirtschaftliches Dorfzentrum braucht.

Die acht unter dem Satteldach des Hauses A situierten Wohnungen in der Größe zwischen 55 und 75 Quadratmetern waren sofort vermietet. Das gesamte Erdgeschoß nimmt ein Lebensmittelmarkt ein, darüber „Wälderbau. Baukulturmanagement“ und „Wegweiser“ ihre Büros und die „Filzkiste“ ihre Werkstatt. Im Haus B gibt es einen Blumenladen, in Kürze wird eine Physiotherapeutin ihre Praxis eröffnen. In den zwei Obergeschoßen sollen sich diverse Fachärzte niederlassen. Obwohl noch einige Einheiten frei sind, arbeiten bereits jetzt rund 120 Personen im neuen Sennhus.

Die Balance zwischen Tradition und Moderne, wirtschaftlichem Denken und architektonischem Anspruch zu halten und bei all diesen Vorgaben die Maßstäblichkeit nicht aus den Augen zu verlieren, war keine leichte Aufgabe für den planenden (Haus-)Architekten von „Baukultur“, Walter Beer. Noch dazu, da die Vorgaben durch die Gemeinde bezüglich Ortsbildschutz sehr strikt sind. Weshalb es klar war, dass das neue Sennhus eines aus Holz sein bzw. von außen wie ein solches daherkommen und ein Sattel- bzw. Zeltdach haben muss. Um den Baukörper nicht zu groß ausfallen zu lassen, hat Beer zwei Häuser städtebaulich raffiniert leicht gegeneinander verschoben eng nebeneinander gestellt. Ein großes mit einem langgezogenen rechteckigen Grundriss, das durch seine teilweise durchgezogenen Fensterbänder und die Verkleidung der Fassaden mit vertikal gesetzten Holzlatten an den sogenannten Schopf mächtiger Bregenzerwälder Bauernhäuser erinnert. Das Haus B leitet sich dagegen von den alten „bürgerlichen“ Häusern der Region mit ihren fast quadratischen Grundrissen und ihren pro Geschoß reizvoll nach außen leicht ausschwingenden verschindelten Fassaden ab. Die Fenster sind in regelmäßigen Abständen gesetzt, verschließbar durch massive hölzerne Läden.

Eine große Tiefgarage verbindet die zwei in ihrer Anmutung so unterschiedlichen Häuser. Sie sind aus Stahlbeton gebaut und komplett eingehüllt in hinterlüftete Fassaden aus Weißtanne, die an einigen Stellen bereits schön zu vergrauen beginnen. Passivhausstandard schafft das an das örtliche Fernheizkraftwerk angeschlossene Sennhus fast, aber nicht ganz. Die Größe von Haus A war nicht zuletzt durch den Raumbedarf des Lebensmittelmarktes vorgegeben. Wobei, um diesen zu erfüllen, etwas getrickst wurde, indem dem Haus von der Straße abgewandt ein flacher, weiß verputzter niedriger Kubus angebaut wurde, der den in den Büros des Bauherrn im ersten Obergeschoß arbeitenden Mitarbeitern eine großzügige Terrasse verschafft. Die räumlichen Strukturen sind hier großzügig offen und durch Schiebeelemente flexibel teilbar. Holz ist das dominierende Material, allein das monumentale Möbel für den Empfang kommt in seiner Schwärze fast skulptural daher.

Den Nutzern bleibt es allerdings überlassen, ob sie die Decken, Wände oder Böden mit Holz verkleidet haben wollen, oder – wie die Betreiberin der „Filzkiste“ – lieber „nur“ einen weiß gestrichenen Estrich und offen unter der Decke geführte Lüftungsrohre hat. Absolut nichts mehr mit dem Flair eines Bauernhauses zu tun hat auch das Stiegenhaus. Besonders durch seine aus dünnen, weiß gestrichenen Metallplatten stylisch gestalteten Brüstungen, deren Prägnanz allein durch die hölzernen Handläufe bregenzerwälderisch gebrochen wird.

Daten und Fakten

Objekt Sennhus Schwarzenberg; Büro-, Geschäfts- und Wohnhaus
Bauherr Dragaschnig Immobilien GmbH, Schwarzenberg
Architektur Baukultur Management GmbH, Arch. DI Walter Beer
Generalplanung/Bauleitung/Projektsteuerung/Statik Baukultur Management GmbH, Schwarzenberg www.baukulturgmbh.com
Planung 1/2013–5/2014
Ausführung 2/2014–12/2014
Grundstücksgröße 3270 m²
Nutzfläche: Geschäftsflächen: 875 m²; Büroflächen: 815 m²; Wohnnutzfläche: 545 m²; Tiefgarage: 995 m²; Kellerflächen: 455 m²; Bauweise: Außenwände: Stahlbeton 20 cm; Dämmung 20 cm, hinterlüftete Holzfassade; Böden: Eichendielen; Wände: Weißtannentäfer/Gipskarton; Decken: Weißtannenlattendecke; Gipskarton-Decken/Gipskarton Lochdecken
Ausführung: Baumeister: Wälderbau Dragaschnig, Schwarzenberg; Erdsonden: Wälderbau Erdwärme, Schwarzenberg; Zimmerer: Meusburger Holzbau und Zimmerei Bischof, beide Schwarzenberg; Fenster: Böhler, Wolfurt; Tischlerei Oskar Beer, Au; Böden: Alfons Greber, Schwarzenberg; Möbeltischler: JoDo, Lingenau und Oskar Beer, Au; Innenausbau Büro: Zimmerei Bischof, Schwarzenberg; Heizung, Lüftung, Sanitär: Dorfinstallateur, Andelsbuch; Elektro: PROStrom, Schwarzenberg; Schlosser: Franz Denz, Schwarzenberg; Glasbau: Meier Glas+Metall, Götzis

Leben & Wohnen – Immobilienbeilage der VN

Für den Inhalt verantwortlich:
vai Vorarlberger Architektur Institut
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