Denn das kann bei dem exzentrischen Musiker schon mal zum Abbruch eines Konzertes führen. Auch Fotografieren ist bei seinen Konzerten nicht gestattet. Doch in Wien schien Jarrett in bester Laune und erntete, begleitet von Bassist Gary Peacock und Schlagzeuger Jack DeJohnette, frenetischen Applaus.
Erster Wien-Auftritt seit Vierteljahrhundert
Kein Wunder, war es doch das erste Wien-Gastspiel des legendären Trios seit gut 23 Jahren. Erstmals formiert Anfang der 1980er, stellen Jarrett, Peacock und DeJohnette allseits bekannte Standards aus dem Broadway- und Tin-Pan-Alley-Repertoire unter ein neues, gleißendes Licht und lieferten mit ihren Alben bis heute gültige Klassiker ab. In diesem Kontext zeigt sich Jarrett, ansonsten für seine mäandernden Improvisationen bekannt, ungewohnt songorientiert, obgleich das freie Spiel des schmächtigen Pianisten darunter keineswegs leidet.
Typische Spielweise perfektioniert
Den Auftakt machte im Großen Saal ein vorsichtig anhebendes “Stella By Starlight”, das sogleich Jarretts typische Spielweise offenbarte: mal bedächtig in seinen Flügel hineinhörend, dann wieder halbstehend darauf einhämmernd, um bei einem groovigen Zwischenpart den Kopf hin und her endeln zu lassen. Als aus dem hinteren Saalbereich ein Huster just in einem Moment andächtiger Stille ertönt, schreckte man kurz hoch – doch Jarrett schien gut gelaunt, warf lediglich einen Seitenblick ins Auditorium und schnaufte abfällig. Sogleich stand aber der anspruchsvolle Wohlklang wieder im Zentrum seiner Aufmerksamkeit.
Es folgten temporeiche Stücke ebenso wie elegische Träumereien, Jarretts Läufe fielen dabei oft so urplötzlich wie ein warmer Sommerregen, während DeJohnettes Bearbeitungen seines Schlagzeugsets variantenreich begleitete, was an genialen Melodien seines Gegenüber, immer wieder mit Schlenkern versehen, erklang. Dazwischen bot Peacock konservative Basisarbeit ebenso wie brodelnde Motivik. So richtig abspacen konnte das Publikum bei den Stücken “Autumn Leaves” oder “I Thought About You”. Keith Jarrett auf dem Wiener Jazzfest bot ein Erlebnis der Sonderklasse für auch nur tangentiale Freunde des gepflegten Jazz. (APA/Red)
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