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Karl-Heinz Rummenigge nach CL-Aus in Madrid: "Ich habe wahnsinnige Wut in mir"

©Screenshot: FC Bayern München TV
"Wir sind beschissen worden!" Bayern-Boss Karl-Heinz Rummenigge schäumt vor Wut und legt in seiner Bankettansprache nach dem bitteren Ausscheiden in der Champions League gegen Real Madrid nach.

Die Bayern-Spieler machten sich nach dem Spiel in der Schiri-Kabine Luft, sodass sogar die Polizei einschreiten musste. Zu später Stunde ließ Karl-Heinz Rummenigge jegliche diplomatische Zurückhaltung fahren. Sein Gesicht war gerötet, seine Stimme klang ungewohnt aggressiv. “Ich habe zum ersten Mal so etwas wie wahnsinnige Wut in mir”, knurrte der Vorstandsvorsitzende des FC Bayern, Wut, “weil wir beschissen wurden, wir sind beschissen worden, im wahrsten Sinne des Wortes.” Kaum hatte er diesen Satz beendet, brandete Beifall auf im Bankettsaal des Hotels Gran Meliá Palacio de los Duques von Madrid.

Rummenigge traf die Gefühlslage beim deutschen Fußball-Rekordmeister nach dem Ausscheiden im Viertelfinale der Champions League auf den Punkt. Für das höchst unglückliche 2:4 (2:1, 0:0) n.V. bei Titelverteidiger Real Madrid war der Schuldige schnell gefunden: Der renommierte Schiedsrichter Viktor Kassai aus Ungarn. “Die Mannschaft in der Kabine ist in Trümmern”, beschrieb Rummeniggedie Szenen kurz nach der “unglücklichen, unverdienten, bitteren Niederlage” in einem “Spiel, das Geschichte geschrieben hat”.

Abseitsstellung übersehen

Kassai hatte zunächst beim Stand von 2:1 für die Bayern Arturo Vidal vom Platz gestellt (84.) – wegen einer Aktion, in der sich der Chilene ausnahmsweise mal korrekt verhielt. Beim vorentscheidenden 2:2 (105.) übersahen der Ungar und dessen Assistenten eine klare Abseitsstellung des dreifachen Torschützen Cristiano Ronaldo, ebenso bei dessen 3:2 (110.), bei dem sich Torhüter Manuel Neuer eine Fraktur im linken Fuß zuzog. Neuer blieb auf dem Platz, fällt aber für den Rest der Saison und insgesamt acht Wochen aus.

“Solch ein Diebstahl kann in der Champions League nicht passieren. Es war offensichtlich und es lässt dich am Spiel zweifeln”, ereiferte sich Vidal, der im Hinspiel (1:2) nach seinem Führungstreffer einen Elfmeter zum möglichen 2:0 vergeben hatte. “Es war nicht mal Foul, geschweige denn eine Gelb-Rote-Karte, das war ein Killer”, ereiferte sich Rummenigge über die wohl spielentscheidende Szene und mehrere “kuriose Fehlentscheidungen”. Gelb-Rot für Javi Martínez hatte Real schon im Hinspiel zum Sieg verholfen.

Laut spanischen Medienberichten sollen Robert Lewandowski, der die Bayern zunächst in Führung gebracht hatte (52., Foulelfmeter), Thiago und Vidal nach Schlusspfiff versucht haben, in die Kabine von Kassai zu gelangen. Die Polizei musste angeblich einschreiten.

Kassai im Real-Stammlokal gesichtet

Kassai wiederum tat sich keinen Gefallen, dass er im Anschluss an das Spiel im Mesón Txistu gesichtet wurde – dem Stammlokal von Spielern und Offiziellen von Real. Zur gleichen Zeit hatten die Bayern Mühe, ihre Wut zu zähmen. “1 Jahr harte Arbeit, Danke Schiri bravoooo”, schrieb Frank Ribéry bei Instagram.

Rummenigge: “Wir haben eine tolle Mannschaft”

Der Schiedsrichter habe “extrem eingegriffen und das Ergebnis beeinflusst”, betonte Thomas Müller kopfschüttelnd. Dass Kassai allerdings auch vor dem Eigentor durch Sergio Ramos zum 2:1 (78.) daneben gelegen hatte, weil er eine Abseitsstellung von Müller übersah, und dass der ungestüme Vidal bereits viel früher hätte Gelb-Rot sehen müssen, übersahen die Bayern geflissentlich – sie klopften sich lieber und nicht zu Unrecht auf die Schultern. “Wir haben eine tolle Mannschaft mit tollem Charakter”, betonte Rummenigge.

Nicht nur Neuer hielt bis zum Ende durch, auch die angeschlagenen Mats Hummels und Jerome Boateng, die Trainer Carlo Ancelotti von Beginn an aufgeboten hatte. Unter dem Strich aber blieb ein “verdientes Weiterkommen” von Real, wie Weltmeister Toni Kroos treffend feststellte. Nachdem die Bayern unter Trainer Pep Guardiola dreimal jeweils im Halbfinale und jeweils gegen spanische Klubs (Real, FC Barcelona, Atlético Madrid) gescheitert waren, war nun unter Ancelotti erstmals seit 2011 vor dem Halbfinale Schluss.

“Trostpreise” für die Bayern

Nun müssen sich die Bayern erneut mit den Trostpreisen Meisterschaft und Pokal anfreunden. Am Samstag geht es in der Liga gegen Mainz weiter, am Mittwoch steht das DFB-Pokal-Halbfinale gegen Dortmund an. Es sei zwar schwer, “jetzt darüber zu reden”, meinte Müller, “aber natürlich ist das ein großes Ziel”.

Lahm-Ära geht zu Ende

Es gehe weiter, “das ist der Bayern-Spirit”, ergänzte Xabi Alonso tapfer nach einer “großen Champions-League-Nacht”, die aber nicht nur für ihn ohne Happy End blieb: Für den 35 Jahre alten Spanier war es ebenso wie für Kapitän Philipp Lahm der letzte Auftritt auf internationaler Bühne. Eine Ära ist zu Ende. (dpa, red)

Die Rede von Bayern Münchens Vorstandsvorsitzendem Karl-Heinz Rummenigge auf dem Bankett nach der 2:4-Niederlage im Champions-League-Halbfinale bei Real Madrid im Wortlaut:

“Meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Spieler, lieber Carlo, lieber Trainer-Staff. (…) Wir waren heute alle Zeugen eines dramatischen, eines emotionalen und ich denke auch fantastischen und unglaublichen Fußballspiels. Nach 90 Minuten haben wir in Madrid 2:1 gewonnen. Wenn man das ganze Spiel Revue passieren lässt, das was in den 120 Minuten passiert ist, dann kann ich nur den Hut, den ich jetzt nicht aufhabe, vor dieser Mannschaft ziehen.

Wenn man sich das in den letzten zehn Tagen anschaut, dann war das Drehbuch natürlich nicht unbedingt zu unseren Gunsten. Das fing an mit der Verletzung von Robert (Lewandowski) im Spiel gegen Dortmund nach einem Foul vom Torwart; die Schulterverletzung, die ihn dazu zwang, dass er das Spiel in München nicht bestreiten konnte. Am nächsten Tag: Mats Hummels beim Training verletzt. Jérôme Boateng nach dem Spiel verletzt.
Ich muss eines sagen: Es gibt so Spiele, die schreiben Geschichte. Und ich glaube, heute waren alle Zeugen eines Spiels, das Geschichte geschrieben hat. Uli Hoeneß und ich, wir haben viele Schlachten erlebt, das kann ich Ihnen sagen. Die, die in Erinnerung geblieben sind, waren die Spiele 1999 in Barcelona, leider eine Niederlage, die uns auch sehr wehgetan hat. In weniger als 120 Sekunden haben wir den Champions-League-Sieg damals verpasst. 2012 nach Verlängerung und Elfmeterschießen gegen Chelsea. Und das heute Abend war auch so ein Spiel.

Wenn man das ganze Spiel sich heute anschaut, frage ich mich ein bisschen: Was machen eigentlich diese Verbände? Wir haben da sechs Schiedsrichter auf dem Platz, sechs Schiedsrichter! Wir haben eine Gelb-Rote Karte, die nicht mal ein Foul war. Wir haben zwei Tore zum 2:2 und 3:2, die Abseits waren, und zwar klares Abseits. Wir haben einen Abseitspfiff von Robert Lewandowski, der alleine aufs Tor zuläuft. Ich muss sagen, ich habe heute zum ersten Mal so etwas wie wahnsinnige Wut in mir, Wut, weil wir beschissen worden sind. Wir sind beschissen worden heute Abend, im wahrsten Sinne des Wortes!

Nichtsdestotrotz möchte ich der Mannschaft danken. Wenn ich mir überlege, welche Probleme wir vor dem Spiel hatten – mit Mats, mit Jérôme, mit Robert. Auch mit Manuel Neuer, der sich heute schwer verletzt hat und acht Wochen ausfallen wird. Er hat sich den Fuß gebrochen beim 3:2, das eigentlich Abseits war. (…) Dann kann ich nur eins sagen: Wir haben eine tolle Mannschaft. Wir haben eine tolle Mannschaft mit einem tollen Charakter.
Die Niederlage war bitter. Aber ich glaube, aus Niederlagen – dafür ist der FC Bayern auch bekannt – haben wir oft Kraft gezogen. Es ist wieder der Moment, wo wir aus dieser Niederlage Kraft ziehen müssen. Kraft ziehen für den Rest der Saison. (…) Wir müssen die Meisterschaft noch klar machen. Wir haben einen guten Vorsprung, aber versuchen, es so schnell wie möglich (perfekt) zu machen. Und wir haben am nächsten Mittwoch wieder ein wichtiges Spiel gegen Borussia Dortmund, Halbfinale DFB-Pokal. (…)

Ein guter Freund von mir hatte einen Spruch, ich glaube von Hugo von Hofmannsthal, der gesagt hat: Heldentum sieht man nicht im Sieg von großen Schlachten, sondern im Ertragen von unglücklichen Niederlagen. Mehr braucht man heute nicht sagen. (…)”

Heute! Champions League Liveticker:
FC Barcelona : Juventus Turin
AS Monaco : Borussia Dortmund

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