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"Jugend für Politiker nur Aufputz"

Meinung sagen: Im Schülerparlament nehmen Jugendliche die Plätze der Vorarlberger Politiker im Landtag ein.
Meinung sagen: Im Schülerparlament nehmen Jugendliche die Plätze der Vorarlberger Politiker im Landtag ein. ©VOL.AT/Roland Paulitsch
Warum sich Jugendliche von Politikern abwenden, erklärt Bernhard Heinzlmaier.

Arbeitslosigkeit, veraltetes Schulsystem, Entscheidung zur Wehrpflicht: Auf die Frage, welche Themen Vorarlberger Jugendliche bewegen, haben sie schnell Antworten parat. Dass die etablierten Parteien auch Lösungen dafür haben, diese Hoffnung haben viele aber schon aufgegeben. „Ich halte Abstand zu der Politik und den Politikern. Ich habe es satt, dass sie ihre Versprechungen nie einhalten“, macht etwa der 15-jährige Lukas Tschofen aus Bürs seinem Ärger Luft.

Bernhard Heinzlmaier, Vorsitzender des Instituts für Jugendkulturforschung in Wien, kann diesen Trend bestätigen: „Die Jugendlichen wenden sich von Politikern ab, weil sie bemerken, dass es diese nicht ehrlich mit ihnen meinen. Politik ist heute in erster Linie Kommunikation und Manipulation. Es geht nicht um die Interessen der Menschen, sondern um die Interessen von Parteien.“

Das Gefühl, dass Politiker tatsächlich Interesse daran haben, die Anliegen der Jugendlichen zu vertreten, haben diese nicht. 78 Prozent der Jugendlichen fühlen sich laut einer aktuellen Umfrage der Wirtschaftskammer schlecht vertreten. In die Lösungskompetenz der Politiker vertrauen sie nicht. Kein Wunder, dass 70 Prozent in der Befragung angaben, nicht mehr mit einer staatlichen Pension zu rechnen.

Einfache Rechnung

Die Rechnung ist relativ einfach zu machen: Die Wählergruppe der Pensionisten ist um einiges größer als die der Jungwähler. „Die Parteien sind an der Macht interessiert und nicht an den Menschen. Das ist das Prinzip der modernen Politik. Insofern interessiert sich die Politik nur dann für die Jugend, wenn diese quantitativ bedeutend genug ist, um Wahlen zu entscheiden“, erklärt Heinzlmaier. „Das ist aber nicht der Fall. Die Jugend ist ihrer Gruppengröße nach für den Ausgang der Wahlen unbedeutend.“ In Wahlkampagnen werde sie demnach nur schmückendes Beiwerk sein: „Als netter, braver und angepasster Aufputz, der die kleinbürgerlichen Opas und Omas emotional bewegen soll.“

Über, nicht mit Jugendlichen

Beim Forum Alpbach stand diesen Sommer die Jugend im Mittelpunkt, zumindest thematisch. Dass man mitunter über und nicht mit den Jugendlichen spricht, zeigte sich bei der Diskussion zum Thema „Erwartungen – die Zukunft der Jugend.“ Am Podium fanden sich zwar Wirtschaftskammerpräsident Christoph Leitl und gleich drei Minister – allerdings kein einziger Jugendvertreter ein. Das Publikum reagierte mit Protest.

Der Jugend mehr Verantwortung zu geben, das hält auch Heinzlmaier für vernünftig. Dass 16-Jährige wählen dürfen, findet er gut. Er geht sogar noch weiter. „Ich würde vorschlagen, das Wahlalter auf 14 Jahre abzusenken, mindestens. Denn die politische Kommunikation ist heute so einfach geworden, dass sie selbst Kinder gut verstehen können“, sagt er provokant. Die Jungen ernster zu nehmen, das hat auch Jugendminister Reinhold Mitterlehner angekündigt. Ab September sollen in allen Bundesländern Workshops abgehalten werden. Jugendliche sollen ihre Meinung äußern, Mitterlehner will da­raus vernünftige Maßnahmen ableiten. Erste Ergebnisse dieser Jugendinitiative sind für 2013 angekündigt.

„Manipulative Angebote“

Ein probates Mittel, ein ernst gemeintes Zugehen auf die jüngere Generation? Nein, sagt Heinzlmaier: „Es ist genau das, was von der gegenwärtigen Politik zu erwarten ist. In Workshops dürfen die Jugendlichen ihre Meinung abgeben, und die Politik wird dann entscheiden, was getan wird. Wenn die Jugend etwas verändern will, dann darf sie nicht auf die manipulativen Angebote der Staatspolitik hereinfallen, sondern muss sich auf eigene Beine stellen.“ Eine Protestbewegung à la „Occupy“ oder „Arabischer Frühling“ sei das bessere Mittel gegen „die verfestigte Elitenmacht als das brave Mitmachen in netten Workshops.“

Jeder Zweite hat kein Interesse

Politikerverdrossener als der Rest der Bürger sind Jugendliche nicht. Laut der Jugendwertestudie 2011 der  Arbeiterkammer ist der Prozentsatz der 14- bis 19-Jährigen, die sich für Politk interessieren, gleich hoch wie in der  österreichischen Gesamtbevölkerung.
Insgesamt gaben 16 Prozent der Befragten an, sich sehr für Politik zu interessieren, 38 Prozent etwas. Vor dreißig Jahren waren es weniger: Damals gaben zehn Prozent der 16- bis 24-jährigen an, sich „sehr“ für Politik zu interessieren. Und noch etwas sagt die Studie: 22 Prozent der Männer, aber nur elf Prozent der Frauen halten Politik für sehr  interessant.

Was sich Vorarlbergs Jugend von der Politik erwartet
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