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Kostspielige "Law&Order"-Politik in Feldkirch? Bürgermeister Berchtold weist Vorwürfe zurück

Grünen-Kritik an Bürgermeister Berchtold.
Grünen-Kritik an Bürgermeister Berchtold. ©dpa
Die Vorarlberger Grünen kritisieren den Feldkircher Bürgermeister Wilfried Berchtold massiv. Dieser habe die Stadtpolizei angewiesen, rigoros gegen Bettler vorzugehen. Die Maßnahmen würden laut Grünen viel Geld kosten - wozu Berchtold nun öffentlich nicht stehen wolle.
15-jährige Bettlerin soll ins Gefängnis

Die Grüne Stadtvertreterin und Landtagsabgeordnete Nina Tomaselli fährt schwere Geschütze gegen den Feldkircher Bürgermeister Wilfried Berchtold auf. Konkret geht es um Maßnahmen, die gegen das Betteln gesetzt wurden. Der polizeiliche Aufwand sei enorm, und stehe im krassen Widerspruch zum erkennbaren Erfolg, wird der zuständige Polizeikommandant in einer Aussendung der Landesgrünen zitiert. Allein zwischen August 2014 und März 2015 seien 206 Amtshandlungen, 900 Personenkontrollen und 211 Anzeigen von der Stadtpolizei durchgeführt worden um aggressives beziehungsweise organisiertes Betteln zu verfolgen. Maßnahmen, die laut Grünen auch ins Geld gingen.

“Zumindest hinterfragenswert”

Doch die Kosten seien bis dato – zumindest für die Öffentlichkeit – unbeziffert. Tomaselli habe im Mai eine entsprechende Anfrage in der Stadtvertretungssitzung gestellt und bis heute keine Antwort erhalten. Auch über eine Landtagsanfrage an LR Schwärzler blieb die Frage unbeantwortet. Jede Gemeinde sei im Land laut Gesetz dazu angehalten, Steuergelder zweckmäßig, sparsam und wirtschaftlich einzusetzen, argumentiert Tomaselli. “Wenn sogar der Polizeikommandant diese Meinung vertritt, zweifle ich im vorliegenden Fall stark daran.” Die Statistik der Verwaltungsstrafen würde recht deutlich zeigen, dass seit der Mitte des letzten Jahres der Polizeieinsatz massiv zugenommen habe. Zwischen 1.7.2014 und 13.7.2015 gab es 317 Verfahren wegen Bettelei in Feldkirch, das sind mehr als zehnmal so viel wie im Vergleichszeitraum ein Jahr davor. Im Durchschnitt seien in etwa 8 bis 10 Bettler in Feldkirch vor Ort. “Auch die Ermittlungstätigkeit der Stadtpolizei an sich hat ein Ausmaß angenommen, das zumindest hinterfragenswert ist. Aus einem Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts wissen wir beispielsweise, dass Bettler am Bahnhof in Dornbirn von der Stadtpolizei Feldkirch fotografiert worden sind”, erklärt die Stadtvertreterin. In der bereits erwähnten Anfrage an Berchtold hat dieser auf die Frage, wie die Stadtpolizei die Bettler überwacht hätte, erklärt, dass dies im Rahmen der Patrouillentätigkeit erfolgt. “Ich bin der Meinung, dass Bgm. Berchtold das gesetzlich zugesicherte Anfragerecht ernst zu nehmen hat. Hier werden Steuermittel gegen Bettler eingesetzt, die wahrscheinlich in die Hundertausende gehen, ausreichende Beweise für mafiöse Hintergrundstrukturen konnten aber trotzdem keine vorgelegt werden. Deshalb habe ich nun die Gemeindeaufsicht mit einer Aufsichtsbeschwerde mit dem Fall betraut”, so Tomaselli.

Bürgermeister Berchtold weist Vorwürfe zurück

Der Feldkircher Bürgermeister selbst weist die Vorwürfe via Aussendung zurück: “Alle 16 Fragen, die die Grünen am 12. Mai 2015 in der Stadtvertretung zur Bettlerthematik eingebracht haben, wurden vollständig und wahrheitsgemäß beantwortet.” Für zwei Fragen sei die Stadt Feldkirch als Behörde nicht zuständig, sodass Frau Tomaselli an die Bezirkshauptmannschaft weiterverwiesen worden sei. “Einer Partei, die echtes Interesse an einer Prüfung der Bettlerthematik signalisiert, darf durchaus zugemutet werden, die entsprechenden Daten bei den zuständigen Behörden nachzufragen”, betont Bürgermeister Wilfried Berchtold.

Weiters hält Berchtold fest, dass der Stadt Feldkirch durch die vermehrte Kontrolltätigkeit der Stadtpolizei keinerlei Mehrkosten entstanden seien. Die Amtshandlungen seien im Rahmen der normalen Dienstverrichtung und bei den täglichen Patrouillengängen der Stadtpolizei erfolgt. Die Kontrollen wurden daher nicht eigens erfasst. “Der Vorwurf, Kosten für den Polizeieinsatz nicht offenlegen zu wollen, entbehrt damit jeglicher Grundlage”, betont Bürgermeister Berchtold.

Von “Law and Order Politik” in Feldkirch zu sprechen, komme einem schwerwiegenden Vorwurf gleich, so der Bürgermeister. Er fordert Nina Tomaselli auf, einen verantwortungsvolleren Umgang mit Begriffen zu pflegen.

FPÖ: “Grüne verharmlosen Bettelproblematik”

“Anstatt unverantwortlich in der Bettelproblematik zu polemisieren, sollten die Grünen in Feldkirch die Fakten zur Kenntnis nehmen”, so die Reaktion der beiden FPÖ-Stadträte Daniel Allgäuer und Thomas Spalt.

“Die Fakten, basierend auf den Beantwortungen von zwei von uns Freiheitlichen bereits zur Bettelproblematik in der Stadtvertretung gestellten Anfragen, sprechen eine klare Sprache und müssten eigentlich auch von den Grünen wahrgenommen werden. Leider ist das Gegenteil der Fall und die Grünen versuchen nun dieses sensible Thema in ein falsches Licht zu rücken und politisches Kleingeld zu wechseln”, kritisiert der FPÖ-Fraktionsobmann, Stadtrat Thomas Spalt.

Aus Sicht der Freiheitlichen ist das Einschreiten der Exekutive absolut notwendig und richtig, denn durch dieses habe sich die Anzahl der bettelnden Personen massiv reduziert. “Mit sinnlosen Anfragen über Kosten für Polizeieinsätze, die im Rahmen der normalen Patrouillentätigkeit erfolgen, löst man keine Probleme. Wir treten weiterhin dafür ein, dass mit aller Konsequenz gegen organisiertes und aggressives Betteln vorgegangen wird und werden unsere Stadtpolizei dabei voll und ganz unterstützen”, geben die beiden FPÖ-Stadträte Allgäuer und Spalt zu verstehen.

Anfrage der Grünen an Bgm. Berchtold

1) Was war der Grund für die harsche Vorgangsweise der Stadtpolizei gegen die Bettlerinnen und Bettler? Welche Intention wurde verfolgt, in dem 206 Amtshandlungen, 900 Personenkontrollen und 211 Anzeigen seit August 2014 durchgeführt worden sind? Wer hat die Weisung an die Stadtpolizei erteilt?

Antwort: Der Grund liegt insbesondere in der wesentlichen Zunahme der Anzahl dieser Personen, der massiven Zunahme von Bürgerbeschwerden, sowie in der teilweise aufdringlichen Artu und Weise wie gebettelt wurde. Es wurd eim Auftrag des Bürgermeisters erhoben, ob der Tatbestand § 7 Landes-Sicherheitsgesetzes, LGBl Nr. 1/1987 idF 61/2013, (verbotenes organisiertes Betteln) vorliegt.

2) Wie und in welcher Form hat die Polizei der Stadt Feldkirch die Bettlerinnen und Bettler kontrolliert und überwacht?

Antwort: Die Kontrolle und Überwachung erfolgte im Rahmen der Patrouillentätigkeit.

3) Wie viele Einsatzstunden wurden für die 206 Amtshandlungen, 900 Personenkontrollen und 211 Anzeigen seit August 2014 und alle weiteren Aktivitäten wie beispielsweise administrativer Aufwand der Feldkircher Stadtpolizei die gegen Bettlerinnen und Bettler gerichtet wurden, aufgebracht? Wie viele Mittel mussten dafür kalkulatorisch und real aufgebracht werden? Ich bitte um genaue Aufschlüsselung.

Antwort: Da diese Stunden nicht einzeln erfasst wurden, liegen über den Aufwand keine Daten vor.

4) Gab es aufgrund des angesprochenen polizeilichen Aufwands irgendwelche personellen Engpässe bzw. Schwierigkeiten mit anderen Ressourcen bei der Verfolgung von anderen Straftaten und Verwaltungsübertretungen?

Antwort: Nein.

5) Wie hoch waren die Einnahmen seit August 2014 aus Strafverfügungen wegen organisiertem und aggressivem Betteln?

Antwort: Diese Strafgelder sind an die Bezirkshauptmannschaft zu entrichten. Die Stadt Feldkirch erhält keine Strafgelder.

6) Wie viele und in welchem Ausmaß wurden Ersatzfreiheitsstrafen für nicht bezahlte Strafverfügungen seit 1.1.2014 verhängt? Ich bitte um genaue Aufstellung.

Antwort: Zuständige Strafbehörde ist die Bezirkshauptmannschaft Feldkirch.

7) Aus der Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts von Ende Februar ist zu entnehmen, dass alleine Frau C. 73 mal kontrolliert worden ist. Zu welchem Zweck?

Antwort: Siehe Punkt 1.

8) Warum wurde offensichtlich das Augenmerk der Strafverfolgung der Stadtpolizei auf die Bettlerinnen und Bettler gelegt und nicht auf die angeblichen kriminellen Hintermänner?

Antwort: Im Rahmen des eingeschränkten Wirkungsbereiches der Stadtpolizei wurde in erster Linie versucht, die Situation anhand der in Feldkirch auftretenden Personen zu erheben. Sehr wohl wurde auch ein Augenmerk auf die “angeblichen kriminellen Hintermänner” gelegt, und entsprechend gehandelt.

9) Inwiefern waren Sicherheitsbehörden des Landes Vorarlberg in die harsche Vorgangsweise der Stadt Feldkirch gegen Bettlerinnen und Bettler einbezogen? Gab es irgendwelche Koordinationstreffen zwischen der Stadt Feldkirch, Bezirkshauptmannschaft und Landessicherheitsbehörden? Falls ja, was war der Inhalt der Gespräche?

Antwort: Nein, es gab nur gemeinsame Erörterungen.

10) Gab es irgendwelche Absprachen zwischen anderen Vorarlberger Städten was die Bettlerthematik anbelangt? Falls ja, was war der Inhalt dieser Absprachen?

Antwort: Nein, es gab nur gemeinsame Erörterungen sowie einen gemeinsamen Pressetext.

11) Wie schätzen Sie die Tatsache ein, dass eine Verfassungsbeschwerde aufgrund der Strafverfügung gegen Frau C. eingebracht worden ist?

Antwort: Es ist das Recht der Betroffenen.

12) Wissen Sie um den Verbleib der 10-12 Bettlerinnen und Bettler, die sich üblicherweise in den letzten Monaten in der Innenstadt Feldkirch aufgehalten haben?

Antwort: Nein.

13) Haben Sie persönlich oder eine Strafverfolgungsbehörde eine Strafanzeige wegen Bildung einer kriminellen Organisation der in Feldkirch bettelnden Menschen bei der Staatsanwaltschaft eingebracht? Falls nein, warum nicht?

Antwort: Nein, die Stadtpolizei nicht. siehe Pkt. 8

14) Wie stehen Sie zum verfassungsrechtlich gesicherten Recht der freien Meinungsäußerung und dem Menschenrecht auf Betteln? Wie wollen Sie sicherstellen, dass jede/-r diese Rechte wenn notwendig ausüben kann?

Antwort: Es wurde und wird niemand daran gehindert zu Betteln, wenn dies im Rahmen des Landes-Sicherheitsgesetzes erfolgt.

15) Welche Maßnahmen hat die Stadt Feldkirch oder ihr nahestehenden Sozialorganisation getroffen um den Bettlerinnen und Bettler mit Notschlafstellen und Zugang zu Nahrung und Gesundheitsversorgung zu versorgen?

Antwort: Hierzu waren aufgrund von Angeboten von Sozialstellen keine weiteren Maßnahmen seitens der Stadt erforderlich.

16) Wollen Sie zukünftig auch gegen andere Aktivitäten wie beispielsweise die Spendenaktivitäten von NGO’s oder Werbung politischer Gruppierungen im öffentlichen Raum vorgehen, die von einigen Feldkircherinnen und Feldkircher als Belästigung wahrgenommen werden, vorgehen? Falls ja, wie? Falls nein, warum nicht?

Antwort: Nein, diese Tätigkeiten erfolgen aufgrund von Bewilligungen bzw gesetzlichen Grundlagen.

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