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Israel meldet Fortschritte beim Aufspüren "einsamer Wölfe"

Israelische Sicherheitskräfte im Dauereinsatz
Israelische Sicherheitskräfte im Dauereinsatz
Die Erfolgsmeldung der israelischen Sicherheitsbehörden lässt auch in Europa aufhorchen: Es gebe Fortschritte bei der Verhinderung von Einzeltäter-Attentaten.

Seit zehn Monaten mit einer Welle von Anschlägen sogenannter “einsamer Wölfe” konfrontiert, sei es gelungen, die Täterprofile einzugrenzen, erläutert ein Geheimdienstmitarbeiter.

Kritiker wenden allerdings ein, die von Israel entwickelten Abwehrmethoden seien zum Teil nur unter dem militärischen Besatzungsrecht anwendbar.

Die jüngsten Gewalttaten in Europa und den USA haben zahlreiche Fragen nach den Motiven, den Radikalisierungsprozessen und Vorbereitungen der zumeist jüngeren, männlichen Einzeltäter aufgeworfen. Die Antworten könnten helfen, die Zahl weiterer Anschläge zu begrenzen.

“Typische Täterprofile”

Israelische Experten haben dazu ein Alarmsystem entwickelt, das insbesondere auf der systematischen Überwachung von sozialen Netzwerken und auf herkömmlicher Vorfeldaufklärung durch die Geheimdienste beruht. “Wir haben drei oder vier ganz typische Täterprofile zusammenstellen können. Und fast alle der Angreifer der vergangenen zehn Monate passen in diese Profile”, berichtet ein Experte des israelischen Militärgeheimdienstes im Gespräch mit der Auslandspresse.

Dazu seien seit Oktober die persönlichen Vorgeschichten aller Attentäter erforscht, ihre Aktivitäten in den letzten Tagen vor dem Anschlag rekonstruiert und in Beziehung zu den Tatorten gesetzt worden. In Israel und den besetzten Palästinensergebieten ereigneten sich in dieser Zeitspanne mehr als 300 Anschläge, in der großen Mehrzahl von “einsamen Wölfen” verübt. Mehr als 160 der Angreifer wurden am Tatort getötet, geben die israelischen Behörden an. Auch 43 Israelis und vier Ausländer starben.

Gehäufte Gewalttaten

Unabhängige Experten schränken ein, dass die von Israel gewonnenen Erkenntnisse und Lösungsansätze nur begrenzt auf die Verhältnisse in Europa übertragbar seien. Der israelisch-palästinensische Konflikt und die bald 50-jährige Besetzung Ost-Jerusalems und des Westjordanlands seien wichtige Triebfedern für die zuletzt gehäuften Gewalttaten in der Region.

Sobald die systematische Überwachung sozialer Netzwerke und typischer Milieus zur namentlichen Identifizierung von potenziellen Tätern führt, entscheiden die israelischen Sicherheitskräfte über was weitere Vorgehen. Mal wird Beschattung angeordnet, mal werden die Eltern angesprochen. In bestimmten Fällen wird Präventivhaft beantragt.

Zugleich werden die bevorzugten Anschlagsorte inzwischen rund um die Uhr streng bewacht. Das gilt zum Beispiel für das Damaskustor der Jerusalemer Altstadt oder für Kreuzungen und Haltestellen, an denen im Westjordanland Palästinenser und jüdische Siedler häufig aufeinandertreffen.

Ursachen mehrschichtig

Die Zahl der von Palästinensern verübten Anschläge war im vierten Quartal 2015 extrem hoch und ging seit Jahresbeginn Monat für Monat zurück. Die Ursachen dafür sind allerdings mehrschichtig. Wie viele geplante Attacken im Vorfeld erkannt und dadurch verhindert worden konnten, sei schwer zu beziffern, sagt der Geheimdienstoffizier.

Ein typisches Beispiel sei aber eine 17-Jährige, die im März bereits beschattet wurde, als sie mit einem Messer bewaffnet ein Taxi bestieg, um zu einem israelischen Kontrollposten zu fahren. Aus ihren Internetaktivitäten hätten die Ermittler gewusst, dass die Jugendliche wegen großer Probleme mit ihren Eltern einen “ehrenhaften” Selbstmord als Märtyrerin provozieren wollte.

Selbstmordabsichten

Die persönliche Perspektivlosigkeit aufgrund des ungelösten Nahostkonflikts gepaart mit häuslichen Problemen in sehr traditionellen Elternhäusern ist eine typische Ursache für die jüngsten Gewalttaten von jungen Palästinensern. Das Profiling der israelischen Streitkräfte ergab, dass bei etwa 40 Prozent der nahezu 90 Einzel-Attentäter zwischen Oktober und Jänner Selbstmordabsichten eine wichtige Rolle spielten.

Die US-Sicherheitsfirma Soufan Group verweist allerdings darauf, dass systematische Überwachung wie in Israel “extrem zeitaufwendig, personalintensiv und kostspielig ist”. In Frankreich komme sie deshalb sicherlich nur in zugespitzten Situationen wie der aktuellen infrage.

Sari Baschi, Regionaldirektorin von Human Rights Watch in Israel, betont zudem, dass viele der israelischen Abwehrmaßnahmen auf dem Besatzungsrecht basierten. So gelte für die Palästinenser die Militärgerichtsbarkeit. Und auch die unbegrenzte Verwaltungshaft ohne ordentliches Verfahren sei in vielen anderen Ländern undenkbar.

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