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Irak: Weltweite Appelle zur Aussöhnung

Einen Tag nach den ersten freien Wahlen im Irak seit mehr als 50 Jahren haben Politiker weltweit die Beteiligung aller Bevölkerungsgruppen an der politischen Zukunft des Landes eingefordert.

Der irakische Regierungschef Iyad Allawi rief seine Landsleute am Montag zur Einheit auf; UNO-Generalsekretär Kofi Annan appellierte an die Iraker, den Weg der Versöhnung einzuschlagen. Außenministerin Ursula Plassnik (V) lobte die Entschlossenheit der Iraker zur Selbstbestimmung. Die irakische Gesellschaft sei aber immer noch „gefährlich gespalten“, sagte sie mit Blick auf den Wahlboykott der sunnitischen Minderheit.

Noch am Sonntagabend begannen die Wahlhelfer mit der Auszählung der Stimmen; mit einem vorläufigen Ergebnis wird aber erst am kommenden Wochenende gerechnet. Wie der stellvertretende Chef der irakischen Wahlkommission, Hareth Mohammed Hassan, am Montag bekräftigte, übertraf die Wahlbeteiligung alle Erwartungen. Nach vorsichtigen Schätzungen hätten sich insgesamt zwischen 60 und 75 Prozent der registrierten Stimmberechtigten beteiligt. Nach Angaben internationaler Wahlbeobachter verlief die Abstimmung weitgehend korrekt. Auch mehr als 265.000 im Ausland lebende Iraker beteiligten sich an der Wahl, das sind knapp 94 Prozent jener, die sich registrieren ließen.

Überschattet wurde der Urnengang von einer Reihe von Anschlägen, bei denen 38 Menschen starben, unter ihnen zwei US-Soldaten. Beim Absturz einer britischen Transportmaschine nordwestlich von Bagdad starben am Sonntag zehn britische Soldaten. In einer Internetbotschaft behauptete die Extremistengruppe Ansar al-Islam, sie habe die Hercules C-130 abgeschossen. Die Regierung in London bestätigte dies zunächst nicht.

Wie schon zuvor US-Präsident George W. Bush bezeichnete Allawi die Wahl als einen Sieg über den Terrorismus. Mit der Wahl habe eine neue Phase begonnen: „Alle Iraker, ob sie gewählt haben oder nicht, sollten gemeinsam an der Zukunft der Nation bauen“, forderte der Ministerpräsident. Die schiitische Dawa-Partei kündigte bereits an, einige ihrer Sitze sunnitischen Politikern überlassen wird. Die Vereinigte Irakische Allianz, dem die Schiitenpartei angehört, rechnet sich 60 Prozent der insgesamt 275 Sitze im Parlament aus.

Politiker aus aller Welt lobten den Mut der Iraker, sich unter Lebensgefahr an der Wahl zu beteiligen, riefen aber ebenso wie Allawi zur nationalen Versöhnung auf. „Dies ist ein Zeitpunkt zur Versöhnung auf allen Seiten“, sagte UNO-Generalsekretär Kofi Annan. Der italienische Ministerpräsident äußerte die Hoffnung, das demokratische Beispiel des Irak könnte einigen autoritär regierten arabischen Ländern helfen, „aus dem Mittelalter herauszukommen“. Frankreichs Staatspräsident Jacques Chirac bezeichnete den Verlauf der Wahl als „befriedigend“. Selbst der russische Präsident Wladimir Putin, der die Wahl unter den Bedingungen der US-Besatzung zunächst skeptisch beurteilt hatte, sprach von einem „positiven Ergebnis“.

EU-Außenbeauftragter Javier Solana sprach von einem „wichtigen Schritt vorwärts für den Irak“. Plassnik sagte, die Iraker hätten sich „auch durch die Einschüchterungsversuche und Drohungen der Terroristen nicht davon abhalten lassen, von ihrem Wahlrecht Gebrauch zu machen“. Ihr französischer Kollege Michael Barnier sagte, die Wahl sei ein erster Sieg des mutigen irakischen Volkes gewesen. Der deutsche Außenminister Joschka Fischer rief die internationale Gemeinschaft auf, ungeachtet der Differenzen in der Irak-Krise gemeinsam an der Stabilisierung des Landes zu arbeiten. Die EU-Minister, die bei ihrer Sitzung in Brüssel über zusätzliche Hilfen für den Irak berieten, forderten von der neuen Regierung insbesondere eine Einbindung der Sunniten.

Die Iraker wählten am Sonntag ein verfassungsgebendes Übergangsparlament, 18 Provinzräte sowie ein Kurdenparlament. Nach der Ernennung einer Regierung muss die Nationalversammlung bis zum 15. August eine Verfassung ausarbeiten und diese bis 15. Oktober einem Referendum unterstellen. Sollten der Verfassung tatsächlich eine zwei Drittel der Iraker zustimmen, finden am 15. Dezember Parlamentswahlen statt.

Der irakische Innenminister Falah el Nakib äußerte bereits die Hoffnung auf einen Abzug der ausländischen Besatzungstruppen bis Mitte 2006. „Wenn alles in die richtige Richtung läuft“, fügte Nakib im britischen Fernsehsender Channel 4 hinzu. Polen kündigte bereits am Montag an, 800 seiner 2.500 im Irak stationierten Soldaten bis Ende Februar abzuziehen.

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