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Inzest-Verdacht im Innviertel: Opfer eingeschüchtert

Ein Mann, der im Bezirk Braunau seine Töchter seit den 1970er Jahren misshandelt haben soll, dürfte bei seinen Opfern massive Todesängste geschürt haben, sagte Cornel Binder-Krieglstein vom Berufsverband Österreichischer Psychologen (BÖP) in einer "Ferndiagnose" im Gespräch mit der APA.

Damit die Abschirmung nach außen gelingen konnte, dürfte der mittlerweile 80-Jährige die Frauen eingeschüchtert und Gewalt angedroht haben, vermutet der Experte.

Aus Sicht des Täters habe er sich eine Form von Wahrheit bzw. Gerechtigkeit zurechtgelegt, die sein Verhalten moralisch vertretbar machen. Der Oberösterreicher hatte wohl die Fähigkeit, die Übergriffe gegenüber Dritte zu vertuschen. “Es stellt sich die Frage, wie gut und geschickt kann der Täter dem Nachbarn, dem Postler gegenüber erklären und begründen, dass man seine Familie nicht zu sehen bekommt”, so Binder-Krieglstein.

Der Mann dürfte seiner Umwelt die Situation erklärt haben, sodass es plausibel erschien, meinte Binder-Krieglstein. Den Behörden werde ein Bild dargestellt, dass alle versorgt seien. “Bis die Tür ins Schloss fällt, dann ist das nicht mehr so”, analysierte der Psychologe. Der 80-Jährige habe ein System erzeugt, wo von Beginn an alles unter seiner Kontrolle war. War dem nicht so, wurde drakonisch bestraft. “Häusliche Gewalt ist leider ein Thema, das sehr verbreitet ist.” Doch diesen “erschütternden Fall” könne man als Einzelfall einordnen, meinte Binder-Krieglstein.

Es gebe eine sehr breite Palette von Möglichkeiten, die zu dem Verhalten des Mannes geführt haben. Er habe vermutlich auf diese Weise eine Machtposition hergestellt, die ihm auch ein Quell von Gefühlen – wie Sicherheit, Überlegenheit oder das Aufwerten von Selbstwertgefühl – geliefert habe. Es könnte auch sein, dass er selbst Opfer von Gewalt geworden ist, glaubt der Psychologe.

Die Opfer, die laut Polizei geistige Defizite aufweisen, würden für den Weg in einen neuen Lebensabschnitt einen dementsprechenden Rahmen benötigen. “Es soll weiterhin möglichst viel Verantwortung übernommen werden, so wie sie es vorher gewohnt waren”, so der Psychologe. Es sollte wieder jemand für sie sorgen, danach werde man sehen, welche Handlungen und Selbstverantwortungen sie alleine ausführen können. Es ist anzunehmen, dass sich die Geschwister weiter mental unterstützen und untereinander austauschen werden.

Es werde mindestens ein Jahr brauchen, in dem sie intensiv betreut werden. “Das Aufarbeiten von psychischen Traumata hängt von den persönlichen Ressourcen ab. Sie waren ja sehr auf eine Person fixiert, und jetzt kommen plötzlich viele Fremde”, so Binder-Krieglstein. (APA)

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