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ImPulsTanz Festival in Wien wird am 17. Juli auf Müllhalde eröffnet

Choreograf Alain Platel inszeniert eine Performance auf der Müllhalde.
Choreograf Alain Platel inszeniert eine Performance auf der Müllhalde. ©APA
Auf einer Müllhalde hat der belgische Choreograf Alain Platel seine Produktion "tauberbach" angesiedelt. Dort wird am 17. Juli 2014 das ImPulsTanz Festival in Wien eröffnet.
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Der irritierende Abend ist zwar “eine Metapher für vieles, was auf dieser Welt passiert”, aber keineswegs bloß Künstler-Fantasie. Er hat seine Ursprünge in einer Doku über eine Mistplatz-Bewohnerin und in der Musik eines Gehörlosen-Chores.

Inspiration für “tauberbach”

Das Video von Marcos Prados Dokumentarfilm “Estamira” über eine Frau, die auf einer Müllhalde bei Rio de Janeiro lebt, habe er vor einigen Jahren bekommen, erzählt Platel im APA-Interview. “Seither habe ich nach einer Gelegenheit gesucht, diese Geschichte zu verwenden. Ich war von der Frau beeindruckt. Wie sie über ihr Leben spricht, fand ich sehr poetisch und schön. Ich denke, sie ist eine weise Frau, auch wenn sie als schizophren gilt.”

Als er ausgehend von Artur Zmijewskis Projekt “Tauber Bach”, bei dem Gehörlose Musik von Johann Sebastian Bach singen, an einem neuen Stück zu arbeiten begann, “habe ich aus irgendeinem seltsamen Grund gleich intuitiv gedacht, diese beiden Elemente könnten gut zusammenpassen. Diese Musik hat nämlich eine so starke Wirkung, dass man dafür eine starke Umgebung braucht. Sie erschreckt Menschen, die sie das erste Mal hören. Als wir sie zum ersten Mal mit den Tänzern gehört haben, habe ich gesehen, wie schockiert sie zunächst waren. Wir haben erst einmal gar nicht gewusst, ob wir die Musik überhaupt verwenden können.”

Auch “Coup Fatal” war ein großer Erfolg in Wien

Doch “tauberbach”, das im Jänner als Koproduktion von les ballets C de la B mit den Kammerspielen in München zur Uraufführung kam und im Rahmen des Wiener Tanzfestivals im Volkstheater gezeigt wird, wurde ein großer Erfolg und auch mit einer Einladung zum Berliner Theatertreffen geadelt. “Ich war komplett überrascht über die Reaktionen bei der Premiere. Ich hatte den Erfolg überhaupt nicht erwartet. Ich hatte Angst, dass die Leute das Stück nicht mögen würden. Bei ‘Coup fatal’ war es ganz ähnlich. Seither rätsle ich, was das Erfolgsgeheimnis ist, denn ich würde es natürlich gerne immer wieder anwenden”, schmunzelt Platel.

“Coup fatal” war kürzlich bei den Wiener Festwochen im Burgtheater und gastiert derzeit beim Festival in Avignon. Auch diese Produktion erwies sich als wilde Mischung: Musiker aus Kinshasa spielen europäische Barockmusik wie eine Marimba- oder Reggae-Combo, entspannt, beschwingt und percussion-lastig. “An diesem Projekt beteiligt zu sein, ist wie ein großes Geschenk für mich. Ich denke, es wird alles beeinflussen, was ich ab jetzt mache. Ich glaube stark daran: Die Vermischung der Kulturen ist die Zukunft der Welt.”

Statement und politische Kunst

Auch die Produktion “tauberbach”, bei der die prominente Schauspielerin Elsie de Brauw mit einem mehrköpfigen Tanzensemble agiert, ist als gesellschaftliches Statement und politische Kunst zu verstehen, macht der 55-jährige Belgier klar. “Diese rückschrittliche Tendenz, die am meisten von nationalistischen Parteien in Europa verfolgt wird, irritiert mich stark und macht mich traurig. Ich kann nicht daran glauben, dass wir zu einem mittelalterlichen Denken zurückkehren wollen. Man erfindet wieder neue Grenzen, neue kulturelle Unterschiede und Abgrenzungen. Das kann ich überhaupt nicht verstehen.”

Es gebe keine Alternative zu einem geeinten Europa und einem noch größeren, weltumspannenden Ganzen, ist sich Platel sicher. Im Internet-Zeitalter wirkten Ideen von unterschiedlichen Ländern, Grenzen und Kulturen altertümlich. “Ich habe in meiner Arbeit mit Leuten von der ganzen Welt zu tun gehabt, und es scheint für mich ganz natürlich, dass wir versuchen müssen, etwas Gemeinsames zu schaffen. Wir müssen zusammenarbeiten, auch wenn es manchmal schwierig ist, ja mitunter utopisch wirkt. Stücke wie ‘Coup fatal’ und ‘tauberbach’ sind meine Art, darauf zu reagieren und zu zeigen, warum es notwendig, interessant und bereichernd ist. Natürlich ist mir bewusst, dass das Umfeld heute nicht einfach ist. Aber ich kann nicht anders. Ich muss meinen Weg gehen.”

“In Wien gibt es ein tolles Publikum”

Am 17. und 19. Juli wird sich zeigen, ob man auch in Wien einen Teil dieses Wegs mit ihm gehen möchte. “In Wien gibt es ein tolles Publikum”, weiß Platel von zahlreichen ImPulsTanz-Gastspielen. “Die Menschen hier sind sehr offen, aber sie zeigen auch, wenn ihnen etwas nicht gefällt. Es ist nicht leicht, sie zu verführen.”

Bis 17. August bringt ImPulsTanz rund 40 Produktionen von 37 Tanzcompagnien aus aller Welt auf 16 Bühnen. Neben neuen Stücken von unter anderem Lloyd Newson, Meg Stuart, David Zambrano, Georg Blaschke oder An Kaler stehen auch frühere Performances von Ivo Dimchev, Chris Haring und Jerome Bel auf dem Programm. (APA)

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