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"Immer mehr Opfer melden sich"

Ulrike Furtenbach: "Über 90 Prozent der Opfer von häuslicher Gewalt sind Frauen."
Ulrike Furtenbach: "Über 90 Prozent der Opfer von häuslicher Gewalt sind Frauen." ©VOL.AT/Klaus Hartinger
Feldkirch - Die IfS-Gewaltschutzstelle berät von Jahr zu Jahr mehr Klientinnen. Die Hemmschwelle sinkt.

Mehr Betretungsverbote, Klienten und Beratungen denn je verzeichnet die IfS-Gewaltschutzstelle. Die derzeit geführte Diskussion über die Ausweitung des Betretungsverbots begrüßt Leiterin Ulrike Furtenbach, “weil dabei der Schutz der Kinder im Mittelpunkt steht.”

Welche Faktoren führen zu häuslicher Gewalt?

Furtenbach: Da gibt es natürlich sehr viele und sehr unterschiedliche Faktoren. Äußerst gefährlich sind beispielsweise Trennungssituationen. Hier kommt es immer wieder zu Übergriffen.

Die Zahl der Betretungsverbote steigt stetig. Gibt es immer mehr Gewalt in der Familie oder sinkt die Hemmschwelle, Übergriffe anzuzeigen?

Furtenbach: Ja, die sinkt. Und glücklicherweise melden sich immer mehr Betroffene frühzeitig in den Beratungseinrichtungen. Da besteht die große Chance, schon im Vorfeld Maßnahmen zu ergreifen. Noch bevor eben das Schlimmste passiert und die Polizei einschreiten muss.

Was halten Sie von der derzeit diskutierten Ausweitung des Betretungsverbots?

Furtenbach: Ich halte diese Diskussion für äußerst begrüßenswert, da hier der Schutz der Kinder im Mittelpunkt steht. Gerade in Krisensituationen braucht es rasche Entscheidungen. Das Ganze ist natürlich immer eine Interessenabwägung. Auch der Datenschutz ist ein Punkt, der noch sehr genau diskutiert gehört. Eines ist aber klar: Bei Gefahr muss das Wohl des Kindes im Vordergrund stehen.

Was kann getan werden, um häuslicher Gewalt vorzubeugen?

Furtenbach: Wichtig ist unter anderem, dass schon die Kinder lernen, wie man Konflikte gewaltfrei löst.

Aus welchen Schichten stammen die betroffenen Frauen?

Furtenbach: Gewalt geht quer durch alle Schichten und alle Altersstufen. Da gibt es keine Einschränkungen.

Warum bleiben Frauen oft bei Männern, die ihnen Gewalt antun?

Furtenbach: Da gibt es vielerlei Gründe. Einer davon ist, dass die Frauen diese Männer lieben und hoffen, dass es wieder besser wird. Dann gibt es oftmals ganz einfach finanzielle Gründe, sich nicht zu trennen. Es kommt aber auch immer wieder vor, dass Frauen sehr unter Druck gesetzt werden.

… und Angst haben vor noch mehr Gewalt.

Furtenbach: Ja, das stimmt.Manche Frauen haben einfach Angst, sich von einem gewalttätigen Mann zu trennen, weil sie befürchten, dass es noch schlimmer werden könnte.

Was kann man als Außenstehender tun, wenn man Übergriffe mitbekommt?

Furtenbach: Menschen, die den Verdacht haben, dass ein Kind oder etwa eine Nachbarin Gewalt erleidet, können sich jederzeit an die Gewaltschutzsstelle bzw. den Kinderschutz wenden.

Haben sie auch männliche Klienten?

Furtenbach: Ja. Letztes Jahr hatten wir 66 Klienten, wobei in den meisten dieser Fälle auch der Gefährder ein Mann war. Aber wir beraten auch Männer, die von Frauen geschlagen wurden. Übrigens: Seit gut einem halben Jahr können sich bei uns Betroffene auch von einem Mann beraten lassen, wenn sie das wünschen.


Zahl der Betretungsverbote steigt stetig

Gewalt in der Familie wird von den Opfern – in über 90 Prozent sind es Frauen und deren Kinder – nicht mehr so widerstandslos hingenommen wie in der Vergangenheit. Darauf deuten die Zahlen aus dem Tätigkeitsbericht der IfS-Gewaltschutzstelle hin. Im vergangenen Jahr wurden 713 Betroffene beraten – das ist eine Steigerung gegenüber dem Vorjahr von fast 16 Prozent. Auch die Zahl der gemeldeten Wegweisungen und Betretungsverbote ist von 243 (2010) auf 338 (2011) stark angestiegen.

Bisher gilt das Betretungsverbot (14 Tage) für die Wohnung oder das Haus der Betroffenen. Innenministerin Mikl-Leitner will das Betretungsverbot nun auch auf Schulen, Kindergärten oder Spitäler ausweiten. Gleichzeitig sollen auch die jeweiligen Verantwortungsträger in den Institutionen informiert werden. Die Ausweitung wurde gefordert, nachdem im Mai in St. Pölten ein Vater seinen Sohn in einer Schule erschossen hatte. Die Meinungen über den Vorschlag gehen auseinander. Kritiker orten unter anderem einen Eingriff in den Datenschutz.

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