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"Ich habe kein Mitleid"

Chefinspektor Meinrad Müller von der Verkehrsabteilung
Chefinspektor Meinrad Müller von der Verkehrsabteilung ©VOL.AT
Bregenz - Im Faschingsfinale erhöht sich traditionell die Anzahl der alkoholisierten Autofahrer. Eine Bestandsaufnahme mit dem Kommandanten der Vorarlberger Verkehrsabteilung Rudolf Salzgeber (46), Chefinspektor Meinrad Müller (54) und dem auf Verkehrsdelikte spezialisierten Anwalt Gebhard Heinzle (54).

Täuscht der Eindruck oder sind die Vorarlberger disziplinierter im Umgang mit Alkohol im Straßenverkehr geworden?

Rudolf Salzgeber, Kommandant: In der Vorweihnachtszeit hatten wir Verkehrskontrollen mit keiner einzigen Führerscheinabnahme. Das freut uns natürlich, ist aber leider die Ausnahme. Wenn wir Schwerpunktkontrollen durchführen, greifen wir sogar überraschend viele mit zu viel Alkohol auf. Und das obwohl wir die Kontrollen sogar ankündigen. Das ist erschreckend.
Gebhard Heinzle, Anwalt: Ich meine schon, dass ein gewisser Wandel stattgefunden hat. Der Strafrechtsexperte Dr. Bertel hat schon vor 35 Jahren gesagt, dass hohe Strafen nichts nützen. Die Wahrscheinlichkeit, erwischt zu werden, muss hoch sein. Und das ist sie. Durch den Alkovortest gibt es viel mehr Kontrollen. Und auch die Sanktionen sind viel härter.
Meinrad Müller, Chefinspektor: Wenn ich früher am Samstagabend einen Führerschein abgenommen habe und ihn am Montag zur BH brachte, habe ich oft den Probanden getroffen, der den Führerschein wieder abholen ging. Das war gang und gäbe. Unter dem Motto: „Der Papa wird‘s schon richten“. Heute gibt es keinen Spielraum und keine Ausnahmen mehr. Durch die große Aufklärungsarbeit der Medien ist das auch allen bewusst.
Salzgeber: Trotzdem sind so viele Menschen unvernünftig. Zum Beispiel während der Dornbirner Messe. Da weiß jeder, dass wir kontrollieren. Oder beim Martinimarkt, das ist ein weiterer Klassiker. Und jetzt natürlich im Fasching. Trotzdem sind alle immer überrascht, wenn wir vor Ort sind.

Wie läuft eine Alkohol-Kontrolle ab?

Salzgeber: Der Beamte kann verdachtsunabhängig eine Kontrolle durchführen. Die Wahrscheinlichkeit einer Kontrolle erhöht sich natürlich, wenn er zum Beispiel aufgrund des Geruchs vermutet, dass Alkohol im Spiel ist. Im Regelfall ermittelt der Beamte zunächst mit einem Vortester die Alkoholisierung. Ab einem Alkoholatemwert von 0,22 Milligramm je Liter, das sind 0,44 Promille, muss sich der Betroffene dem Alkotest unterziehen.

Wie geht es dann weiter?

Salzgeber: Fast alle Einsatzautos sind mit einem Alkomat ausgestattet. Andernfalls wird der Betroffene auf die nächste Dienststelle mitgenommen. Ab 0,8 Promille nehmen wir den Schein vorläufig ab. Den endgültigen Entzug nimmt die BH vor.

Wie sehr muss sich jemand ärgern, der 0,8 Promille hat?

Müller: Gar nicht mal so sehr. Denn seine tatsächliche Alkoholisierung ist höher. Wie bei Radarmessungen gibt es auch bei Alkotests eine Toleranz. Der tatsächliche Wert liegt dann bei etwa 0,85 Promille.

Ich nehme an, es ist am besten, bei der Kontrolle zu kooperieren.

Heinzle: Auf jeden Fall. Der Polizist kann ja nichts dafür, dass man betrunken mit dem Auto fährt. Kooperieren ist auch deshalb wichtig, weil zwischen dem Vortest und dem Alkomattest 15 Minuten vergehen müssen, in welcher der Proband weder essen, trinken noch rauchen darf. Verstößt man gegen diese Weisung, gilt der Test als verweigert. Und das zieht ein Vorgehen nach sich, als ob man mit einem Alkoholwert von über 1,6 Promille erwischt worden wäre. Dann ist der Schein mindestens sechs Monate weg, man muss eine Nachschulung machen und zum Verkehrspsychologen.
Müller: Kooperation ist wirklich das Beste. Gerade in Bezug auf die Einhaltung dieser 15 Minuten. Man tut sich keinen Gefallen, gegen die Anweisungen der Polizisten zu verstoßen.
Heinzle: Schließlich gab es ja schon Entscheidungen, dass ein Test als verweigert galt, weil man die Zigarette weiter rauchte oder einen Kaugummi kaute.
Salzgeber: Wobei ein Beamter sehr gut unterscheiden kann, ob sich ein Proband aus lauter Nervosität eine Zigarette anzündet oder ob er versucht, seinen Alkoholwert zu verändern. Davon wird es abhängen, ob er eine zweite Chance erhält.

Wie verhalten sich denn diejenigen, die positiv getestet wurden?

Müller: Die Reaktionen sind sehr unterschiedlich. Teilweise sind die Probanden sehr freundlich und reuig. Natürlich gibt es auch sehr aggressive, die sich im Ton vergreifen. Aber da muss man als Beamter drüber stehen. Schließlich ist es eine Extremsituation. Es gibt auch solche, die Selbstmorddrohungen aussprechen. Am schwierigsten zu handhaben sind aber diejenigen, bei denen die Stimmung wechselt.

Ein aufsehenerregendes Fallbeispiel: Ein Autolenker fiel nüchtern in einen Sekundenschlaf, beschädigte einen Schneepfosten und erhielt dafür sechs Monate Führerscheinentzug.

Heinzle: Diese Entscheidung empfinde ich als sehr heftig. Hoffentlich hat er fristgerecht Einspruch eingelegt. Wobei ich für eine Beurteilung die gesamte Sachlage kennen müsste.

Der Lenker meldete den Unfall erst am nächsten Morgen.

Müller: Dann relativiert sich die Feststellung, dass er nüchtern war. Ganz abgesehen davon hat er Fahrerflucht begangen. Denn es ist ein Sachschaden für die Straßenmeisterei entstanden. Dabei spielt es keine Rolle, wie hoch der Schaden ist. Weil sonst müsste man diskutieren, ab welcher Höhe ein Schaden zu ahnden ist. Ab 5000 Euro? Oder nur Personenschäden?
Salzgeber: Außerdem gehört es zur Eigenverantwortung, nur dann ein Fahrzeug zu lenken, wenn man verkehrstüchtig ist. Bei Übermüdung darf man nicht fahren. Gleiches gilt bei Übelkeit. Es ist auch irrelevant, ob man bewusst Alkohol getrunken hat oder ob einem etwas ins Glas geschüttet wurde.Fahruntauglich ist man so oder so. Im Falle einer Übermüdung ist es so, dass wir den Führerschein innerhalb von einer gewissen Frist wieder aushändigen. Wir fordern den Lenker dann auf, sich auszuschlafen und sich am nächsten Tag auf der Dienststelle zu melden. Voraussetzung dafür ist aber, dass keine anderen Übertretungen stattgefunden haben, was ja in diesem Fall nicht zutrifft.
Müller: Ich habe mal eine Frau aufgehalten, die mit 170 km/h und in Schlangenlinien durch den Pfändertunnel gerast ist. Die Frau hatte am Abend Schmerz- und Schlafmittel und in der Früh Aufputschmittel genommen. Sie war nahezu unansprechbar. Die Frau war natürlich nicht verkehrtstüchtig.

Gab es Fälle, bei denen Sie den Führerscheinentzug als hart empfanden?

Müller: Prinzipiell habe ich kein Mitleid. Freilich ist einem schon bewusst, dass es einen Lkw-Fahrer besonders hart trifft. Aber es hat ihn keiner gezwungen, alkoholisiert zu fahren. An einen Härtefall erinnere ich mich dann aber doch. Es war beim Narrentag in Koblach. Ein 20-jähriges Mädchen fuhr mit dem Vereinsbus vom Fasching nach Hause. Eine Stunde später hat ihr Freund sie angerufen und sie solange bedrängt, bis sie ihn abholte. Dabei kam sie in die Kontrolle. Da habe ich mich mitgeärgert.
Heinzle: Wer alkoholisiert Auto fährt und es bis nach Hause schafft, sollte in den nächsten 24 Stunden nicht mal die Türe öffnen. Selbst wenn die Polizei Sturm läutet. Man ist nicht verpflichtet, die Türe zu öffnen. Die Polizei macht dann zwar draußen ziemlichen Terror, aber da muss man cool bleiben.
Müller: Nur dass ein Nüchterner viel eher cool bleibt als jemand, der betrunken ist – in dem Zustand sind viele neugierig. Der viel bessere Rat wäre, nüchtern zu bleiben, wenn man mit dem Auto unterwegs ist.

Im Zusammenhang mit Führerschein-Entzügen gibt es die wildesten Anekdoten. Da erzählen Leute, dass ihnen der Führerschein entzogen wurde, obwohl sie nur die Heizung im Auto eingeschaltet haben und eigentlich ihren Rausch auf der Rückbank ausschlafen wollten.

Heinzle: Rein rechtlich gesehen kann es so gewesen sein. Wer den Schlüssel in das Zündschloss steckt, muss noch nichts befürchten. Aber das ändert sich, sobald man den Schlüssel umdreht und damit das Fahrzeug in Betrieb nimmt. Und sei es, um die Heizung oder das Radio aufzudrehen.
Müller: Es ist klar festgelegt, dass das Umdrehen des Schlüssels als Inbetriebnahme gilt. Aber ich sag mal so: Wenn derjenige den Schlüssel umdreht und dabei merkt, dass sich ihm ein Polizist nähert und den Schlüssel geistesgegenwärtig wieder rauszieht, wird eher nichts passieren. Der Polizist wird die Sache als abgebrochenen Versuch werten. Aber mir muss niemand erzählen, dass jemand, der im Auto seinen Rausch ausschläft, am Morgen danach vernünftig ist. Sobald der munter wird, fährt er heim. Ganz egal wie stark alkoholisiert er noch ist.

Eine gerne erzählte Geschichte ist auch, dass man sogar als Fahrradfahrer den Führerschein verlieren kann.

Müller: Ab 0,8 Promille ist auch das Fahrradfahren strafbar. Die Angelegenheit zieht aber nur eine Geldstrafe nach sich. Ein Problem könnte entstehen, wenn der Fahrradfahrer zwei Promille hat und noch relativ sicher unterwegs ist. Dann ist davon auszugehen, dass er ein Gewohnheitstrinker ist und ein grundsätzliches Problem mit dem Alkohol hat.
Heinzle: Wobei es irgendwie schon ungerecht ist, dass alle mit dem gleichen Maß bewertetet werden. Wenn jemand gewohnt ist, größere Mengen Alkohol zu trinken, spürt er bei 1,6 Promille viel weniger als jemand, der selten trinkt. Der fällt mit 1,6 Promille wahrscheinlich um und schläft.
Müller: Das mag fallweise sogar wirklich stimmen. Aber wenn wir uns nicht auf die Promille-Werte beziehen, dann müssten wir einen objektiven Sachverständigen haben, der die Fahrtüchtigkeit des Lenkers beurteilt. Und wo nehme ich den am Samstagmorgen um vier Uhr früh her? Ich finde die Beurteilung mit den Promille-Werten gut. Das ist eine einheitliche Regelung, bei der jeder weiß, was Sache ist. Außerdem hat die Wissenschaft einfach aufgezeigt, dass sich Alkoholgenuss auf die Wahrnehmung, die fünf Sinne auswirkt und somit die Fahrtüchtigkeit leidet.

Was passiert mir als Beifahrer, wenn der Autolenker betrunken in eine Kontrolle gerät?

Müller: Das hängt von vielen Faktoren ab. Gehört das Auto dem Beifahrer und hat der denjenigen gebeten zu fahren? Und ganz wesentlich: Hat der Beifahrer den Abend mit dem Lenker verbracht und weiß daher, dass er getrunken hat? Wenn dem so ist, könnte es für den Beifahrer eng werden.

Mit 1. Juli 2005 ist das Vormerksystem in Kraft getreten. Trotzdem wissen immer viele noch nicht, wie dieses System funktioniert.

Heinzle: Es gibt dreizehn Delikte, wie zum Beispiel eine Alkoholisierung zwischen 0,5 bis 0,8 Promille, die einem eine Vormerkung einbringen. Nach dem zweiten Verstoß innerhalb von zwei Jahren wird eine Nachschulung angeordnet. Nach dem dritten Delikt innerhalb von zwei Jahren wird der Führerschein für mindes-tens drei Monate entzogen. Darüber hinaus verlängern Vormerkdelikte die Dauer des Führerscheinentzugs pro Vormerkdelikt um 14 Tage. Wer also zwei Vormerkdelikte hat und mit einem Promille angehalten wird, verliert den Führerschein mindestens für zwei Monate anstatt für mindestens einen Monat.

Bleibt noch die Frage nach den häufigsten Ausreden nach einem positiven Alkoholtest?

Müller: Eine ganz beliebte ist: Das war das erste Mal, dass ich alkoholisiert gefahren bin. Oder: Ich fahre eh langsam. Ein Klassiker ist auch: Habt ihr nichts Besseres zu tun?

Alkohol-Grenzwerte im Überblick

0,1 bis unter 0,5 Promille: Der Verwaltungsstrafrahmen für PKW-Lenker reicht von 300 bis 3700 Euro. Es erfolgt eine Vormerkung im Führerscheinregister. Bei Fahranfängern mit Probeschein wird eine Nachschulung verordnet. Außerdem verlängert sich die Probezeit. Lenker von Bussen und Lkw über ein höchstzulässiges Gesamtgewicht von 7,5 Tonnen erhalten ebenfalls eine Verwaltungsstrafe.
0,5 bis unter 0,8 Promille: Der Verwaltungsstrafrahmen reicht von 300 bis 3700 Euro. Es erfolgt eine Vormerkung im Führerscheinregister.
0,8 bis unter 1,2 Promille: Der Verwaltungsstrafrahmen reicht von 800 bis 3700 Euro. Der Führerschein wird bei einem erstmaligen Vergehen mindestens für einen Monat entzogen. Im Falle eines Verkehrsunfalls beträgt die Mindestentzugdauer drei Monate. Ein Verkehrscoaching wird angedroht.
1,2 bis unter 1,6 Promille: Der Verwaltungsstrafrahmen reicht von 1200 bis 4400 Euro. Der Führerschein wird für mindestens vier Monate entzogen. Eine Nachschulung ist erforderlich.
Ab 1,6 Promille oder Verweigerung des Alkotests: Der Verwaltungsstrafrahmen reicht von 1600 bis 5900 Euro. Der Führerschein wird für mindestens 6 Monate entzogen. Zudem erfolgt die Anordnung einer Nachschulung sowie die Einholung eines amtsärztlichen Gutachtens respektive eine verkehrspsychologischen Untersuchung.

Wiederholungsdelikte

Hier verlängert sich – je nach dem Grad der jeweiligen Alkoholisierung – die gesetzlich festgelegte Mindestdauer der Entziehung der Lenkberechtigung auf bis zu ein Jahr.

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