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Hubert Nagel: „Wer den Ball hatte, war der Chef“

Hubert Nagel im WANN & WO-Sonntags-Talk.
Hubert Nagel im WANN & WO-Sonntags-Talk. ©Mik
Lustenauer mit Ecken und Kanten: WANN & WO sprach mit dem Austria Lustenau-Präsident Hubert Nagel über Aufstiegsambitionen, Rivalität und Hängebauchschweine.
Hubert Nagel im Interview
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WANN & WO: Stehen die Weichen bei der Austria auf Aufstieg?

Hubert Nagel: Wir haben heuer das Ziel verfolgt, eine Mannschaft zu formen, die dann in der folgenden Saison um den Aufstieg mitspielt. Für uns ist klar der LASK Favorit. Wir nehmen die Rolle aber gerne an.

WANN & WO: Hat sich Ihre kritische Einstellung zur Liga-Refom verändert?

Hubert Nagel: Meiner Meinung nach wird diese Reform so schnell rückgängig gemacht, wie sie gekommen ist. Ich verstehe nicht, wie man eine Zweite Liga sanieren möchte, indem man ihr noch mehr Geld wegnimmt.

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WANN & WO: Raphael Dwamena spielt eine Bomben-Saison. Kann ihn die Austria über den Winter halten?

Hubert Nagel: Er hat einen gültigen Vertrag, also können wir uns vorerst entspannt zurücklehnen. Er wird aber sicher nicht als Schnäppchen den Verein wechseln (schmunzelt).

WANN & WO: Wie sehen Sie die Situation der Austria in Lustenau in Sachen Aufstieg und Stadion?

Hubert Nagel: Wir befinden uns in laufenden Gesprächen mit der Gemeinde und sind hier positiv eingestellt. Wäre es anders, würde uns die Liga auch keine Lizenz erteilen. Wir verlassen uns hier auf das Wort des Bürgermeisters. Schade ist, dass es gewisse Personen im Umkreis des Stadions gibt, die offensichtlich keinen anderen Lebenszweck haben, als uns zu schaden.

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WANN & WO: Ein Blick nach Altach?

Hubert Nagel: Im Moment können wir nur den Hut ziehen vor der Leistung der Rheindörfler. Man muss aber auch sagen, dass in den letzten Jahren viele Spieler der Austria ihren Weg nach Altach gefunden haben. Das zeigt uns auch, dass der Abstand nicht ganz so groß ist, wie man meint. Ich glaube, die politische Konstellation mit Karlheinz Kopf öffnet dem SRCA auch Türen, die vorher verschlossen blieben. Nichtsdestotrotz nützt der Verein seine Chancen und wir können ihnen nur gratulieren.

WANN & WO: Der Austria wird vorgeworfen, ein „Dorfclub“ zu sein – mit strukturellen Defiziten. Wie stehen Sie dazu?

Hubert Nagel: Solche Behauptungen machen mich immer wieder wütend. Strukturen bedeuten bezahlte Mitarbeiter. Wenn man mit vielen Freiwilligen und Ehrenamtlichen arbeitet, kann man sie bitten, etwas zu tun. Einem Mitarbeiter kann man klare Anweisungen geben. Diese Möglichkeiten bestehen aber erst dann, wenn man oben steht. Ich wüsste auch keinen Verein, der solche Strukturen aufrecht erhält, wenn er absteigt – sonst geht er strukturiert zu Grunde.

WANN & WO: Was zeichnet die Austria aus?

Hubert Nagel: Wir sind ein Verein des kleinen Mannes, was auch unsere Zuschauer-Zahlen entgegen aller Trends immer wieder belegen. Wir versuchen, diesen Weg konsequent weiter zu gehen, damit jeder bei der Austria willkommen bleibt.

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WANN & WO: Sie sind ja auf allen Fußballplätzen Österreichs zuhause. Böse Zungen behaupten, Sie hätten manchmal Schwierigkeiten, diese zu finden. Wäre ein neues Navigationssystem ein gutes Weihnachtsgeschenk für Sie?

Hubert Nagel: Zunächst besitzt Hubert Nagel ein Navigationssystem und hat bis dato jeden Fußballplatz, egal ob in Brasilien oder Korea, gefunden. Vermeintliche Orientierungslosigkeit resultiert höchstens daraus, wenn ein Beifahrer seinen „Lustenauer“ Senf dazu abgibt (schmunzelt).

WANN & WO: Hubert Nagel abseits des Rasens – wie haben Sie Ihre Kindheit erlebt?

Hubert Nagel: Ich hatte eine bewegte Kindheit. Mein Vater starb, als ich sieben Jahre alt war – vor der Erst-Kommunion. Mein 19 Jahre älterer Bruder hat dann diese Rolle übernommen. Wir hatten nicht viel Geld, also trat der Fußball früh in mein Leben. Wer den Ball hatte bzw. einen Fußball sein Eigen nannte, war der Chef. An diese Unbekümmertheit denke ich gerne zurück. Daraus sind aber auch Freundschaften entstanden, die bis heute Bestand haben. Mit manchen aus dieser Generation bin ich seit 60 Jahren beim Verein, wie z.B. unserem Kassier Reini Bösch oder Hans Vogel.

WANN & WO: Was ist Ihre beste, was Ihre schlechteste Eigenschaft?
Hubert Nagel: Als gut bewerten würde ich meine Offenheit gegenüber Neuem. Wenn etwas nicht gleich so läuft, wie ich will, kann ich aber auch sehr ungemütlich werden. Manche behaupten, ich sei zu harmoniesüchtig, andere meinen wiederum, ich würde zu oft den Streit suchen. Persönlich kann man seine Eigenschaften aber schlecht beurteilen.

WANN & WO: Wie blicken Sie auf Ihre berufliche Laufbahn zurück?

Hubert Nagel: Mit 19 Jahren habe ich mich mit einer gepachteten Maschine selbständig gemacht. Wenn man sich damals ein bisschen ausgekannt hat, benötigte man nicht allzu viel, um selbstständiger Lohnsticker zu werden. Mein Bruder war Fabrikant und gab mir die nötige Sicherheit.

WANN & WO: Wie sehen Sie die Konkurrenz im globalen Wettkampf?

Hubert Nagel: Wir haben immer versucht, Trends zu erkennen. Wir haben auch früh erkannt, dass man in der Textilbranche hierzulande nicht konkurrenzfähig bleibt, wenn man nicht innovativ wird. Also haben wir mit Strass-Stein-Applikationen begonnen, und diese auch außerhalb von Textilien angebracht. Mein Partner Walter Hermann brachte die technische Komponente in die Firma, wir stellen auch Maschinen her, die wir weltweit vertreiben. Die Konkurrenz aus China ist natürlich spürbar, überlebensfähig bleibt man aber nur mit Innovation.

WANN & WO: Sie wohnen über der Firma, 300 Meter entfernt vom Reichshofstadion. Bleibt da Zeit für Privates?

Hubert Nagel: Ich würde mich weder als übermäßig fleißig, noch als Arbeitstier bezeichnen. Die Arbeit bei der Austria mache ich einfach gern. Jeden Sonntag Morgen sitzen sieben bis acht Austrianer bei mir zuhause und man spricht über den Verein.

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WANN & WO: Sie sind Besitzer eines Hängebauch-Schweins und vieler Hühner. Wie ging die Geschichte um Ihre inzwischen verstorbene Sau Rosa?

Hubert Nagel: Ich habe das Schwein damals zu meinem 50er bekommen. Statt Rosa zu schlachten, haben wir der Sau einen Stall gebaut. Und damit sie nicht allein ist, hat sie ein Hängebauch-Schwein als Spielkameraden bekommen. Rosa hat dann aber leider das Zeitliche gesegnet. Inzwischen kamen noch Hennen dazu. Mein Zuhause ist meine Firma, mein Appartement und mein kleiner Bauernhof.

WANN & WO: Der Lustenauer gilt an sich als äußerst sparsam. Wie wichtig ist diese Eigenschaft fürs Fußballgeschäft und wann sollte man auch mal ein (finanzielles) Risiko eingehen?

Hubert Nagel: Sparen kann man nur, wenn man etwas hat. Letztlich geht es ums Überleben. Es gibt nicht viele Profi-Vereine, die solange im Geschäft sind. Die Konstanz, die wir aufweisen, soll uns mal einer nachmachen. Nach einem Abstieg standen wir auch schon mit Schulden da. Oft sah es dann in der Außenwahrnehmung so aus, dass wir nicht nach oben wollten. In Wahrheit nutzten wir eine solche Saison zur Konsolidierung. Wenn ich die letzte Jahrzehnte anschaue, habe ich viele Konkurrenten und Vereine kommen und gehen gesehen. Wenn ich an andere Vorarlberger Vereine denke, glaube ich schon, vieles richtig gemacht zu haben. Manchmal war ich auch zu stur. Wir haben damals z.B. die Stronach-Millionen ausgeschlagen. Vielleicht wären wir dann noch oben. Andererseits können wir immer noch in den Spiegel schauen. Wir nehmen aber immer gern neue Millionäre in unsere Austria-Familie auf (schmunzelt).

WANN & WO: Wie würden Sie den Fußballer Hubert Nagel beschreiben?

Hubert Nagel: Zuallererst als gescheiterten. Ich wage aber zu behaupten, dass ich in der 100-jährigen Austria-Geschichte den höchsten Schnitt an Toren pro Minute gemacht habe. Als Joker in der RLW kam ich vielleicht insgesamt 20 Minuten in drei Spielen zum Einsatz, habe aber immer getroffen (schmunzelt). In der Landesliga-Reserve war ich Torschützenkönig, obwohl ich nur die Hälfte der Spiele bestritten habe.

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WANN & WO: Wie viel direkten Einfluss auf den Trainer üben Sie aus?

Hubert Nagel: Wenn ich mit dem Trainer nicht zufrieden bin, muss ich ihn wechseln. Ich greife aber nicht ins Tagesgeschäft des Coaches ein, was früher vielleicht noch mehr der Fall war. Ich glaube aber schon zu wissen, dass ich in gewissen Dingen mitreden kann. Vor allem wenn es um das Scouting von Spielern geht. So schlecht können sie nicht gewesen sein, sonst würden sie heute nicht in der Bundesliga spielen (schmunzelt).

WANN & WO: Was war der schönste Moment in Ihrer Laufbahn, was die größte Niederlage?
Hubert Nagel: Wir hatten viele schöne Momente, unabhängig von Liga oder Bewerb. Ich kann mich noch an ein Cup-Spiel gegen Spittal erinnern, das wir kurz vor Ende noch gedreht haben. Das erste Bundesliga-Spiel gegen den Meister aus Salzburg konnten wir mit 2:0 für uns entscheiden. Auch Trauer und Enttäuschung gehören dazu. Ich denke z.B. an das Spiel damals gegen Untersiebenbrunn. Bei einem Sieg wären wir aufgestiegen. Wir haben 2:1 verloren und sogar einen Elfer verschossen. Wenig später kam ein treuer Austrianer zu mir und meinte, dass er sich trotzdem die VIP-Karte für die neue Saison holt. Dafür lebt man dieses Amt.

WANN & WO:: Wie lange bleibt Hubert Nagel noch im Amt?

Hubert Nagel: Die nächsten Tage sicher noch (schmunzelt). Spaß beiseite, ich hege große Ambitionen, das Amt einem Nachfolger zu übergeben. Ich möchte aber dem Verein treu bleiben und z.B. im Nachwuchsbereich weiter helfen. Dort setzten wir einerseits auf Leistung, andererseits wollen wir keinem Kind die Türen verschließen. Zur Austria kann jeder kommen, auch wenn er zehn Kilo zu viel hat, soll er seine Chance bekommen. Vielleicht wird er ja kein Profi, aber auf jeden Fall ein guter Austrianer oder sogar der nächste Präsident? Die Austria ist und bleibt meine Familie.

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