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"Hotels oder Privatwohnungen"

Die Beweggründe für Frauen, im Rotlicht-Milieu zu arbeiten, sind sehr vielfältig.
Die Beweggründe für Frauen, im Rotlicht-Milieu zu arbeiten, sind sehr vielfältig. ©APA
Schwarzach - Im zweiten Teil der Serie „Rotlicht-Report“ wagen wir den Blick nach Vorarlberg. WANN & WO sprach mit Sozial­arbeitern und Leuten aus der Szene.

W&W geht im „Rotlicht Report“ auf das Thema Prostitution im Rheintal ein. Im zweiten Teil geht es um die Frage, was für Frauen in Vorarlberg diesem Gewerbe nachgehen und warum. Nächste Woche gibt es noch einen weiteren Teil der Serie.

„Ich kenne Frauen, die als Sexarbeiterinnen in Vorarlberg gearbeitet haben und habe daher auch einen guten Einblick in die Situation an der Grenze zur Schweiz“, erzählt Christine Nagl aus Salzburg, Österreich-Vertreterin und Vorstandsmitglied bei Tampep, einem internationalen Netzwerk, das sich für die Rechte von Sexarbeiterinnen in Europa einsetzt. „Die meisten dieser Frauen sind ihrer Tätigkeit in Hotels oder Privatwohnungen nachgegangen. Die Vorstellungen, wie es hierbei zugeht, sind großteils einfach falsch, da sie nur vom Hörensagen oder aus dem Fernsehen stammen. Die Leute glauben, genau Bescheid zu wissen, weil sie ja eh mal im ,Tatort‘ oder so gesehen haben, wie es da scheinbar zugeht“, erklärt Nagl. „Dieser Zugang führt dazu, dass es in dem Bereich kaum Anerkennung bis hin zur Stigmatisierung gibt.“

„Schülerinnen und Großmütter“

Die Frage, ob eine Legalisierung der richtige Weg wäre, sieht Nagl zwiespältig: „Diese Arbeit machen zu einem Gutteil Frauen, die sich ein geringes Einkommen oder die Mindestsicherung aufbessern wollen. Alleinerzieherinnen, Schülerinnen oder auch Großmütter. Auch wenn es gesetzlich erlaubt wäre, würden diese Frauen wohl kaum in einem Rotlicht-Betrieb arbeiten wollen oder können. Da es eben diese Stigmatisierung gibt, wollen sie auch nicht, dass es ,offiziell‘ ist und werden das immer so weiter machen. Einerseits wollen sie ihr Einkommen nicht teilen, andererseits passen sie auch vom Aussehen oder vom Alter her oft nicht in das Schema, das Betreiber solcher Etablissements suchen.“

Sicherheit und Gesundheit

Der Betreiber eines grenznahen Studios in der Schweiz bestätigt WANN & WO allerdings auf Anfrage, dass sich bei ihm auch schon Frauen gemeldet hätten, die in Vorarlberg von der Polizei erwischt wurden und darum gerne zu ihm in einen legalen Betrieb wechseln würden. Sie hätten Angst, bei einem weiteren Verstoß des Landes verwiesen zu werden. Auch wenn es um die Sicherheit und Gesundheit der Frauen gehe, sei das ein anderes Thema: „Die Kriminalisierung von Prostitution in Vorarlberg ist verantwortlich für Illegalität und Missbrauch an den Frauen. Sie haben weder Rechte noch Schutz und gehen nicht zur Polizei, wenn sie bedroht oder misshandelt werden“, kritisiert Palladium-Betreiber Andreas Tomaschek. Er fügt aber hinzu: „Der Markt im Rheintal ist gesättigt. In Vorarlberg hätte ein Club nur dann eine Chance, wenn er etwas bietet, was die Schweiz nicht bieten kann. Das wäre ein Low-Cost Billiglaufhaus – und glaubt mir, genau das wollt ihr nicht. Hier arbeiten Frauen selbständig, unter Drogeneinfluss, aber unter Kontrolle von den Zuhältern oder Menschenhändlern. Hinzu kommt, dass die Leute aus Vorarl­berg nicht umsonst oft nach Zürich oder zumindest über die Grenze fahren, weil sie nicht erkannt werden wollen. Darum glaube ich nicht, dass ein großer Club in Vorarlberg Erfolg hätte. Man sollte vielleicht eher sagen, dass zum Beispiel Tabledance-Lokale ein paar Zimmer haben dürfen. Das wäre eine ehrlichere Sache, als jene, die es ohnehin schon gibt.“

Den ersten Teil der Serie gibt es online auf www.wannundwo.at nachzulesen.

3 Fragen an Michael Lipburger Leiter Beratungsstelle Clean

  1. Aus welchen Gründen arbeiten Frauen im Rotlicht-Gewerbe? Oft sind es Schulden oder andere finanzielle Probleme, etwa nach Scheidungen, Unterstützung von Familienangehörigen in den Herkunftsländern, bestimmte Anschaffungen (mehr Luxus) oder schönheitschirurgische Operationen. Es ist der Wunsch, finanziell unabhängig und selbstbestimmt zu sein.
  2. Welche Themen spielen bei der Beratung die größten Rollen? Die Themen sind vielfältig: Schuldenfalle, Abhängigkeit (Alkohol, Tabletten, Drogen), traumatische Erlebnisse, Gewalterfahrungen, Phobien, psychosomatische Störungen, unterschiedliche physische und psychische Leiden, Trauer über Schwangerschaftsabbrüche und Adoptionen, abgebrochene Beziehungen zur Herkunftsfamilie, Verhaftungen und Todesfälle im Umfeld, Zukunftsperspektiven, die Sorge um „Anonymität“, Essstörungen, Delogierungsandrohungen oder auch Gerichtsverhandlungen.
  3. Welche Folgen hat der Beruf für die Frauen? Mögliche Folgen sind Angst, dass die „Vergangenheit“ entdeckt wird, Bindungsunfähigkeit, Berührungsprobleme, Waschzwang, ausgeprägte Ekel- und Schamgefühle, Abhängigkeitserkrankungen, Schlafstörungen, psychosomatische Leiden, gynäkologische Probleme und andere.

(WANN & WO)

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