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Erinnerung an alte Residenzen

Edmund Banzer führt die Besucher durch den historischen Ortskern von Hohenems
Edmund Banzer führt die Besucher durch den historischen Ortskern von Hohenems ©Bernhard Tost
Ein Rundgang durch den Ortskern erzählt die bewegte Vergangenheit der Stadt. 
Historischer Rundgang in Hohenems

Hohenems. (bet) Das Interesse an Geschichte ist groß in Hohenems, das auf eine lange bewegte Vergangenheit zurückblicken kann. So kamen zum historischen Rundgang vor allem langjährige Hohenemser, die die Führung durch den alten Ortskern mit eigenen Erinnerungen anreichern konnten. In die Rolle des Stadtteilführers schlüpften Edmund Banzer, der Obmann des Kulturkreis Hohenems, und seine Frau Doris, die die Stadt, in der sie seit Jahren leben, so gut kennen wie kaum jemand anderer.

 Gräfliches Gästehaus

Der historische Spaziergang startete beim Rathaus. Doch wer ließ dieses herrschaftliche Haus vor 450 Jahren erbauen? „An der Stelle des heutigen Rathauses wurde 1567 ein gräfliches Gäste- und Wirtshaus nach Plänen von Martino Longhi, dem Erbauer des Renaissance Palastes in Hohenems gefertigt. Auftraggeber war Marx Sittich v. Hohenems (Markus Sittikus III.; 1533 – 1597). Er war von 1561 bis 1589 Fürstbischof von Konstanz, außerdem päpstlicher Legat sowie Kardinal“, erläutert Edmund Banzer die Geschichte des Hauses das auf zwei interessante Wappen an der Süd- und Ostseite verweist. An der Südseite befindet sich das gräfliche Familienwappen von Harrach-Hohenems. An der Ostseite das Allianzwappen Waldburg –Zeil –Trauchburg – Lustenau –Hohenems – Enzberg.

Unterschiedliche Bewohner

In den letzten 450 Jahren beherbergte das Gebäude die verschiedensten Bewohner. Marx Sittich 1567 und bei seinen Durchreisen von und nach Konstanz in den Jahren 1561-89. Die Stallungen beherbergten dabei 400 Pferde und 60 Saumpferde. Im Jahre 1603 wohnte Graf Kaspar mit seiner Familie in dem Gebäude und 1622 bezogen Nonnen aus Valduna hier Quartier. Ab 1622 fungierte das Haus als Gäste- und Wohnhaus für die gräflichen Beamten.

Eklat

Die in der Mädchenschule (gegenüber der Pfarrkirche St. Karl) untergebrachte Kanzlei leidet an Platzmangel. Die Gemeinde plant den Ankauf des Gästehauses, den die christlich-sozialen durch eine Unterschriftenaktion und mit Hilfe des Landes verhindern. Dennoch pachtet 1908 die Gemeinde das Gästehaus von Gräfin Clementine W-Z-H-L – obwohl nötige Umbauten und Adaptierungen anstehen. 1938 wird das Gebäude um 32.000 RM von der Gemeinde gekauft.

Karlskapelle

Der Rundgang führt anschließend in die zweitälteste Kapelle der Grafenstadt. Das dem hl. Karl Borromäus (1538-1584) von Graf Kaspar 1617 gestiftete Gotteshaus ließ dieser aus Dankbarkeit, wie er sich in der Stiftungsurkunde ausdrückt, für den Heiligen erbauen. 1617 wurde die Kapelle vom Weihbischof v. Konstanz eingeweiht.

Schutzbrief für Juden

„Im Juli 1617 trat der erste Schutzbrief in Kraft, der es zwölf Juden ermöglichte, sich in Hohenems niederzulassen und eine Gemeinde zu gründen. In den darauffolgenden 200 Jahren erfuhr der Schutzbrief für die Hohenemser Juden nicht nur unzählige Erweiterungen und Umschreibungen, er wurde auch von Kaspars Urenkel, Franz Karl, außer Kraft gesetzt und die Juden 1676 aus Hohenems verjagt – nur, um ihnen 1688 aus finanziellen Nöten die Ansiedlung mittels eines neuen Schutzbriefes erneut zu gewähren“, mit diesen Worten leitete Doris Banzer den Besuch im jüdischen Viertel ein.
Der Blick in die verschiedenen abgeänderten und erweiterten Versionen des Hohenemser Schutzbriefes zeigt, wie sehr die Juden politischen Ereignissen und der Willkür der jeweiligen Herrscher ausgesetzt waren. Um solcher Willkür oder der Vertreibung zu entgehen und das Leben der Gemeinde zu entwickeln, bedurfte es der geschickten Diplomatie und des Gefühls für die Interessen der Bevölkerung und der jeweiligen Herrschaft, die nach dem Ende der Hohenemser Reichsgrafen 1758 schließlich wieder an das Haus Habsburg zurückfiel.

Randgruppe

Die verschiedenen Schutzbriefe ab 1617 bezeugen die sich ändernden Intentionen der Herrscher, ebenso wie politische, soziale und kulturelle Umwälzungen von der Frühen Neuzeit bis ins 19. Jahrhundert. Diese Wandlungen spiegeln dabei auch das Bild der Juden in der jeweiligen, zeitgenössischen Gesellschaft wider. Der Schutzbrief ist in diesem Sinne der Versuch, einer Randgruppe ihren gesellschaftlichen Ort zuzuweisen – je nach Nutzen der Mehrheitsgesellschaft. Und er wirft seinen historischen Schatten auch auf die Gegenwart: Das jüdische Leben in Hohenems nach der Emanzipation der Juden in Österreich-Ungarn 1867 ist schließlich von Abwanderung geprägt, bis die jüdische Gemeinde 1940 durch die Nationalsozialisten zerstört wurde. Die Nachkommen der Hohenemser jüdischen Familien bewahren bis heute, überall auf der Welt zerstreut, das Andenken an ihre Geschichte.

 

 

 

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