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Herbert Sausgruber tritt ab: „Jetzt kommt die junge Generation dran“

Herbert Sausgruber im VN-Interview mit Andreas Dünser und Christian Ortner.
Herbert Sausgruber im VN-Interview mit Andreas Dünser und Christian Ortner. ©VOL.at/ Steurer
Bregenz (VN) - Am Mittwoch wird Markus Wallner (44) neuer Landeshauptmann. Herbert Sausgruber (65) geht in Pension – und zieht im Interview Bilanz.
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Seit Sie Ihren Rückzug aus der Politik bekannt gaben, scheint eine Last von Ihnen gefallen zu sein.

Für mich war die Aufgabe keine Last. Ich habe das gerne und engagiert gemacht. Aber da ich nicht mehr die Kraft habe, das in vollem Umfang zu leisten, ist es richtig, sich das einzugestehen und konsequent zu handeln.

Freuen Sie sich auf die Zeit nach dem 7. Dezember?

Auf der einen Seite gibt es einen Trennungsschmerz nach Jahrzehnten der Gestaltung. Das prägt schon. Das loszulassen ist ein schmerzlicher Prozess, den aber Tausende andere, die in Pension gehen, auch haben. Auf der anderen Seite ist es ein Gewinn an Zeit, den ich haben werde. Zeit für die Frau, die Kinder, die Enkel, auch für mich selber. Das ist die positive Seite.

Sie sprechen vom Loslassen. Fällt Ihnen das schwer?

Wenn man Jahrzehnte lang etwas engagiert betreibt, dann gibt das auch Prägungen. Und das von einem Tag auf den anderen abzuschneiden, ist natürlich eine Umstellung, die Schmerzen verursacht. Ich halte aber gar nichts davon, das zu übertreiben. Das müssen ja Tausende andere auch.

Mit einem Unterschied zum Normalbürger. Sie waren der mächtigste Mann des Landes.

Das weiß ich nicht. Ich habe mehrfach einen klaren Auftrag bekommen und nach bestem Wissen und Gewissen gehandelt.

Aber was Sie gesagt haben, das wurde gemacht. Und das ändert sich jetzt.

Es ist eine wichtige Errungenschaft in der Demokratie, dass Funktionen vom Volksauftrag abhängig und befristet sind. Dessen bin ich mir bewusst. Das halte ich für gut. Zumal unsere junge Mannschaft unter Führung von Markus Wallner kompetent ist, Erfahrung hat und auch Durchsetzungsvermögen. Jede Generation muss ihren Weg und eine gute Mischung zwischen Kontinuität und neuen Akzenten finden. Und jetzt kommt die junge Generation dran.

Wie haben Sie für sich „Macht“ definiert?

Als Gestaltungsmöglichkeit.

Ihnen war es immer wichtig, absolute Macht zu haben.

Ja. Aber absolute Macht klingt etwas negativ. Ich stehe aber dazu, dass ich mich aktiv engagiert habe, einen klaren Auftrag zu bekommen – um die Möglichkeit zu haben, die Gesamtentwicklung des Landes positiv zu gestalten, soweit man das überhaupt politisch beeinflussen kann. Die Handlungsfähigkeit der Politik in einer Demokratie hängt ja auch von der Fähigkeit der Mehrheitsbildung ab. Ich gebe Ihnen ein Beispiel. Anfang Oktober stellten die Wirtschaftsforscher fest, dass das Wachstum sinkt. Da konnten wir in Vorarlberg aufgrund der klaren Verhältnisse schnell reagieren. Nach wenige Stunden kamen wir zur Entscheidung, dass wir das Nulldefizit von 2013 auf 2012 vorziehen müssen. Wenn man dann hörte, was der Felderer im Radio dazu gesagt hat und der andere Professor – wie heißt der Kerle nochmals – der Schulmeister! Da habe ich heute noch eine Wut! Unglaublich. Wir sind die erste Gebietskörperschaft, die sagt, wir machen das Nulldefizit – und die kommen mit dem Nachdenken gar nicht nach. Das Richtige schnell tun zu können, ist ein riesiger Vorteil.

War es Ihnen auch deswegen so wichtig, parteiintern keine Diskussionen aufkommen zu lassen?

Das lasse ich nicht gelten. Die Entscheidungsfähigkeit in wesentlichen Fragen ist das eine. Eine ordentliche Diskussionskultur ist das andere. Darauf haben wir immer größten Wert gelegt. Das wird auch in Zukunft so sein. Eine Partei hat ja zwei Aufgaben – Begabungen erkennen und fördern und Inhalte lebensnah und machbar weiterentwickeln. Damit man auf die Herausforderungen der Zeit aktuelle, richtige, machbare Antworten hat. Und das erfordert eine breite Diskussion und Willensbildung. In der Vorarlberger ÖVP hatten wir viele solcher Diskussionen. Aber, natürlich muss man zu Entscheidungen kommen und diese auch umsetzen können. Und da ist ein ordentlicher Auftrag ein riesiger Vorteil.

Sie waren im Laufe der Jahre immer weniger zu parteipolitischen Kompromissen bereit – warfen etwa kurzerhand die FPÖ aus der Regierung.

Den Schluss lasse ich nicht gelten. In Sachfragen wird sehr der Konsens gesucht. Schauen Sie nur einmal die Beschlüsse an – etwa das Budget. Die Geschichte mit den Freiheitlichen war eine besondere Situation. Da ging es für mich um etwas sehr Grundsätzliches, eine Äußerung, die eine klare Grenzüberschreitung war. Aber nicht die Äußerung an sich, weil auf Parteitagen eben manches gesagt wird, sondern die nicht gegebene Bereitschaft, das zu korrigieren. Es gibt Grenzen. Und die sind da überschritten worden. Ich würde das heute wieder genau gleich machen. Das kann aber nicht als zunehmende Kompromiss-Unfähigkeit bezeichnet werden. Das wäre ein Fehlschluss.

Sie wurden 1997 Landeshauptmann. Welche politischen Ziele haben Sie sich damals gesetzt?

Eine leistungsfähige Wirtschaft, die sich in Richtung Vollbeschäftigung bewegt, mit Solidarität zu verbinden. Dem zu helfen, der Hilfe braucht. Und dabei bei der Organisation dieser Solidarität auf Familienleistung und Ehrenamt zu setzen und die staatliche Leistung dort ergänzend anzufügen, wo man mit der Selbstorganisation nicht weiterkommt. Und dann war ein Ziel, selbstbewusst in der Tradition zu stehen und gleichzeitig offen zu sein. Ein wesentliches Ziel war auch die Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse in Dorf und Stadt. Und der ausgeglichene Haushalt! Jede Zeit hat ihre Herausforderungen. Es braucht Handlungsfähigkeit in finanzieller Hinsicht. Deswegen Netto-Neuverschuldung-Null! Nicht als Steckenpferd, sondern als Zukunftsvision.

Sie sagten einst in einem VN-Sommerinterview, der einzige Job, der Sie in Wien interessieren würde, den gäbe es gar nicht – den ‚Finanzverteidigungsminister‘.

Habe ich das tatsächlich gesagt? Ich habe schon Sprüche abgelassen. Aber jetzt würde mich nicht einmal mehr das nach Wien locken (lacht).

Hatten Sie in Ihrer Karriere als Landeshauptmann jemals das Gefühl, Sie müssten hinschmeißen? Etwa 1999, nach dem Verlust der absoluten Mehrheit?

Das war zumindest in der Nähe dessen. Der Verlust der Mehrheit 1999 war schon ein massiver Rückschlag. In dem Ausmaß habe ich das nicht erwartet, obwohl wir schon davor wussten, dass es schwierig wird.

Was geht einem am Wahltag durch den Kopf, wenn man sein Ziel verfehlt?

Wahrscheinlich Ähnliches wie einem Sportler, der jahrelang trainiert und dann im entscheidenden Lauf durch irgendeinen Umstand nicht erfolgreich ist. Das Engagement ist sehr intensiv, die negative Beurteilung ein echter Misserfolg. Nur: Wenn man 25 Jahre Parteiobmann ist, lernt man, damit umzugehen. Man weiß, dass das Leben nicht nur aus Erfolgen, sondern auch aus Misserfolgen besteht.

Intelligent, sparsam, überlegt, ghörig. So charakterisieren viele den Herbert Sausgruber. Fehlt Ihnen etwas in der Liste?

Ich beschreibe mich selber nicht. Ich habe keinen Grund, etwas Negatives zu sagen. Und etwas Positives könnte zu Missverständnissen führen.

Die Opposition ist da nicht so zurückhaltend. Man hat Ihnen vorgeworfen, ein Verwalter zu sein, kein Gestalter.

Man kann jede Zeit der Entwicklung in einem gewissen Abstand beurteilen. Man kann beurteilen, wie sich Vorarlberg in den vergangenen 14 Jahren entwickelt hat. Öffentlicher Personen- und Nahverkehr, Wohnbau, Energie, finanzielle Situation, die Gestaltung der letzten vier, fünf Finanzausgleiche österreichweit, das Sparpaket 1995/1996. Meinen Sie, dass uns all das selbstverwaltend zugefallen ist? (lacht) Es wäre einmal reizvoll, alleine die Entwicklung der Illwerke zu betrachten. Wenn ich nur daran denke, wer damals was gesagt hat. Bedenken da und Bedenken dort. Und am Schluss hatten wir es. Wobei ich schon auch auf eines Wert lege: Bei allen Sachen, die gelungen sind, war es in der Regel intelligente Kooperation mehrerer Partner – und keine Solo-Tanzleistung.

Sie haben jetzt wieder ein Wort kreiert – die Solo-Tanzleistung. War nicht Markus Wallner eine Ihrer Solo-Tanzleistungen?

Nein.

Aber Sie sind der politische Entdecker von Wallner.

Das Entdecken von politischen Talenten und deren Förderung ist eine der zentralen Aufgaben einer Partei. Natürlich muss sich das Talent dann auch durchsetzen. Aber da habe ich mich 25 Jahre bemüht, solche Begabungen zu fördern. Oft natürlich mit weniger Trara.

Gab es auch in anderen Parteien Politiker, die Sie in den Jahren geschätzt haben?

Die intelligente Kooperation ist ein ganz wesentlicher Punkt. Wenn man eigenständig bleiben will, braucht man Spielraum. Aber man muss kooperieren. Deswegen haben wir Partner gesucht. Beispielsweise bei der Entwicklung des Öffentlichen Personennahverkehrs. Da haben wir den Bund gebraucht, den Verkehrsminister. Und in diesem Fall war Viktor Klima ein hervorragender Partner. Wenn Sie schon unbedingt einen Namen wissen wollen.

Und im Land? Gab es da auch Politiker, die Sie schätzten?

Immer wieder. Zum Beispiel den Gewerkschaftsbund-Obmann Norbert Loacker. Wenn man von anderen Parteien redet. Fritz Amann. Christian Hörl. Auch heute noch in Sachfragen amtierende Politiker anderer Parteien.

Die Bundespolitik hatte nie ein schlechteres Image als in den heutigen Tagen. Das muss Sie ja ärgern.

Ärgern ist nicht der richtige Ausdruck. Aber überwinden kann man das nur mit solider Sacharbeit. Das hat das Risiko, dass man auch schmerzliche Entscheidungen treffen muss und als Partei abgewählt werden kann. Aber trotzdem glaube ich, dass das der einzig richtige Weg ist. Er ist in Wahrheit alternativlos. Im Land haben wir uns bemüht, diesen Weg zu gehen. Das läuft nicht von selber. Denn die Summe der begründbaren Erwartungen ist natürlich wesentlich größer als das, was man leisten kann. Daher ist da eine beachtliche Kraftanstrengung, auch der Aufarbeitung und Kommunikation notwendig, das auch umzusetzen.

Sie sind Vater dreier erwachsener Kinder. Keines Ihrer Kinder hat den Gang in die Politik angetreten.

Das sollen die Kinder autonom entscheiden. Natürlich sendet man durch die eigene Lebensführung Signale aus, klar. Aber eine bewusste Beeinflussung gab es nicht. Ich habe mir damals ja auch nicht dreinreden lassen.

Von einem Landeshauptmann erwartet man, dass er stets öffentlich präsent ist.

Die Ausübung eines politischen Mandats setzt voraus, dass man im Sachbereich einen gewissen Gestaltungswillen hat. Es setzt aber auch voraus, dass man den Willen hat, mit Leuten häufig und offen direkt Kontakt zu haben. Wenn das irgendjemand nicht mag, nicht will, nicht kann, dann ist es auch gescheiter, keine politische Funktion auszuüben. Denn das gehört dazu. Man kann als Politiker nicht nur über die Medien seine Informationen holen. Ich weiß bereits nach dem dritten Satz, ob ein Mandatar seine Informationen nur aus Medien bezieht oder ob er regelmäßigen Kontakt mit normalen Leuten hat. Am dritten Satz merk ich das!

Entweder Medien oder normale Leute? Sie treffen da ja eine harte Unterscheidung. . .

(lacht) Ja, das ist ja auch nicht das Gleiche. Oder? Aber nochmals: Diese ständigen Kontakte sind wichtig. Den Beruf des Politikers hält man nur aus, wenn man es mag und wenn man den entsprechenden Partner dazu hat.

Was war denn der emotionalste Moment?

Die emotionalsten Momente waren immer die, wo man in der Lage war, in Einzelfällen zu helfen, existenziell schwierige Situationen zu bereinigen. Das Gefühl, helfen zu können, ist schön.

Sie waren als Landeshauptmann lange zeitlich fremdbestimmt. Jetzt sind Sie bald Herr Ihrer eigenen Zeit, so pathetisch das klingen mag. Ist das nicht ein komisches Gefühl?

Ich bin neugierig, wie sich das entwickelt. Ich mache jetzt bewusst den Schnitt und lasse alles auf mich zukommen.

Vielen Dank für das Gespräch – und alles Gute für die Pension.

(Von Christian Ortner und Andreas Dünser)
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