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Haus der Geschichte in Wien wird "sicher kein braves Nationalmuseum"

Oliver Rathkolb leitet den wissenschaftlichen Beirat des neuen Museums.
Oliver Rathkolb leitet den wissenschaftlichen Beirat des neuen Museums. ©APA
Am Wiener Heldenplatz soll im November 2018 das österreichische "Haus der Geschichte" eröffnet werden. Die Einrichtung eines neuen Museums sei eine Herausforderung, aber auch eine "einmalige Chance", so Oliver Rathkolb, der den internationalen wissenschaftlichen Beirat leitet. Er meint, dass das neue Museum "sicher kein braves Nationalmuseum" werde.
Pläne für das Haus der Geschichte

Die lange Vorgeschichte des neuen Museums hat auch etwas Gutes: Dank der vielen Vorstudien und Überlegungen könne man auf einer “unglaublich breiten Basis” aufsetzen, so Rathkolb, der von Kulturminister Josef Ostermayer (SPÖ) mit der Leitung betraut wurde. Der Terminplan mit der geplanten Eröffnung 2018 sei zwar “extrem eng”, dank der Vorarbeiten aber machbar. Die 100. Wiederkehr des “Schlüsseljahres” 1918 hält der Zeithistoriker für einen idealen Termin – immerhin sei es der Beginn der demokratischen und republikanischen Phase Österreichs, wenn auch bald wieder radikal unterbrochen: “Wir leben einfach in dieser jubiläengetriebenen Auseinandersetzung mit Geschichte.”

Haus der Geschichte in der Wiener Hofburg

Die “administrativ-organisatorische Hülle” für das Haus der Geschichte werde die Österreichische Nationalbibliothek (ÖNB) in Zusammenarbeit mit dem Staatsarchiv stellen – so müssen keinen neuen Strukturen geschaffen werden. Durch die Übernahme bereits bestehender Räumlichkeiten im 1. Stock des Corps de Logis der Hofburg halte sich auch der architektonische Aufwand in Grenzen. Für den künftigen Architekten ortet Rathkolb allerdings eine Herausforderung: “Diese imperialen Räume haben eine unglaubliche Deutungsmacht.” Auch der Platz selbst sei von Prinz-Eugen-Denkmal bis Hitler-Rede extrem aufgeladen – gerade daher aber spannend zu bespielen.

Museum soll langen Weg zur Demokratie thematisieren

Immerhin soll hier sowohl der riesige Vielvölkerstaat der Habsburgermonarchie, als auch Österreich mit seinen acht Millionen Einwohnern im Komplex der Europäischen Union Platz finden. “Es soll ein Museum im 21. Jahrhundert sein, das den langen Weg in die Demokratie thematisiert”, so der Leiter des Beirats. Dieser soll auf einer soliden wissenschaftlichen Basis stehen, “es wird keine politische Farbenlehre geben”, unterstrich Rathkolb, Professor für Zeitgeschichte an der Universität Wien. Das Jahr 1848 mit seiner gescheiterten bürgerlich-demokratischen Revolution sei dabei ein optimaler Ausgangspunkt: “Das ist ein völlig verschütteter Erinnerungsort, den man neu reflektieren muss.”

Einen kritischen Blick auf die Geschichte werfen

Dabei sollen auch neue Zugänge Platz finden, etwa die Migrationsgeschichte Österreichs, bei der sich etwa Vergleichsmöglichkeiten zwischen Wien im 19. Jahrhundert und der Gegenwart ergeben würden. Gerade in Zeiten der zunehmenden Globalisierung und des Wertewandels steige das Bedürfnis nach Orientierung aus der Vergangenheit: “Es gibt einen absoluten Bedarf, einen kritischen Blick in die österreichische Geschichte zu machen.” Klar ist Rathkolb jedenfalls, was das neue Museum nicht werden soll: Ein Ort der “braven, kanonisierten” Geschichte – vielmehr wolle er einen lebendigen Interaktions- und Veranstaltungsort schaffen, an dem auch Gesprächsreihen oder Diskussionsrunden stattfinden sollen.

Keine reine Dokumentenschau

Gespeist soll die Dauerausstellung unter anderem aus Objekten der Nationalbibliothek und des Staatsarchivs werden – die Sorge, dass es zu einer reinen Dokumentenschau werden könnte, hat der Beiratsleiter nicht: “Wenn man genau gräbt, dann haben beide Institutionen auch viele andere spannende Objekte.”

So verfüge das Bildarchiv der ÖNB über die weitaus größte Bild- und Plakatdokumentation Österreichs, auch das ORF-Archiv, das Filmarchiv, das Filmmuseum bzw. private Sammlungen sollen eingebunden werden. Auch Dauerleihgaben seien vorstellbar, beispielsweise aus den Bundesländern, deren Perspektive Rathkolb verstärkt einbringen möchte. Eine Dauerausstellung müsse aber ohnehin flexibel sein und sich auch immer wieder ändern: “Es ist wichtig, nicht einfach irgendein Sammelsurium zusammenzustellen.” Ähnlich auch das Konzept für das derzeit entstehende Haus der europäischen Geschichte in Brüssel, in dessen wissenschaftlichen Beirat Rathkolb Mitglied ist – auch dort sollen wechselnde Dauerleihgaben präsentiert werden.

Standort wurde kritisiert

Von dem teils heftig diskutierten und kritisierten Standort neben dem Weltmuseum erhofft sich Rathkolb “konkrete Synergieeffekte”. Es seien zwei Projekte, die man auf inhaltlicher Ebene gemeinsam denken und diskutieren könne. Deshalb sei auch das erste offizielle Mail mit der Bitte um einen Gesprächstermin an die Verantwortlichen im Weltmuseum gegangen, wie der Zeithistoriker betonte. Geht es nach Rathkolb, soll auch die Neugestaltung des Äußeren Burgtors und des Heldendenkmals gleich mitgedacht werden.

Später könnte auch der geplante Tiefspeicher der Nationalbibliothek in das Großprojekt “Haus der Geschichte” einbezogen werden – “so ein Zusammenspiel ist in dieser Form in ganz Europa nicht zu finden.” Warum die Entscheidung nach jahrelangem Hin und Her nun so plötzlich gefallen sei, erklärte der Historiker auch vor allem mit der Person des Ministers: Zum ersten Mal seien alle Kompetenzen in einem Ministerium vereint, zudem interessiere sich der in Schattendorf geborene Ostermayer auch persönlich für das Thema.

25 Experten sollen an Projekt arbeiten

Rund 25 Experten will Rathkolb in dem Beirat um sich versammeln, fix sind etwa die renommierte Erinnerungsforscherin Aleida Assmann, der Leiter des deutschen Hauses der Geschichte in Bonn, Hans Walter Hütter oder der designierte Direktor des Wien Museums, Matti Bunzl. “Ich sehe mich vor allem als Koordinator und Moderator”, so der Historiker, der besonders die internationale Außensicht einholen möchte.

In den nächsten Monaten will Rathkolb außerdem mindestens 15 Diskussionsgruppen zusammenstellen, die inhaltlichen Input liefern sollen – etwa mit Proponenten der jungen Kuratorenszene. Auch wenn die Ausgangsbedingungen von engem Budgetrahmen über toughes Zeitkonzept bis hin zu emotionalisierter Standortdiskussion nicht die einfachsten seien: Bis Sommer soll das erste Rohkonzept zur Architekturausschreibung vorliegen. (APA)

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