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Hans-Peter Dürr: "Koexistieren ohne Massenmord"

Hans-Peter Dürr, Quantenphysiker und Träger des alternativen Nobelpreises, hat im Kunstmuseum Liechtenstein einen Vortrag darüber gehalten, was die Welt im Innersten zusammenhält. VOL Live war vor Ort und führte ein Gespräch mit dem Wissenschaftler, der Physik, Liebe und Spiritualität im Zusammenhang betrachtet. Interview

Hans-Peter Dürr endete im VOL Live-Interview mit den Worten: „Koexistieren ohne Massenmord, das müssten wir doch unter den Menschen auch hinbekommen.” Dabei bezieht er sich auf die Tatsache, dass auf der Erde eine Milliarde verschiedener Arten zwar mit gelegentlichen Reibereien, aber ohne Massenmorde zusammenleben.

Ausgangspunkt seiner Ausführungen ist die Abkehr von einem Weltbild, in dessen Mittelpunkt die Materie steht. Stattdessen rücken Beziehungen, Schwingungen und Energien in den Vordergrund. Durch sie wird Materie erst erzeugt und kommt daher „erst im zweiten Schritt”, so Dürr.

Auf das Innenleben hören

Grundlegend für die Erläuterungen von Dürr ist seine Auffassung über das Handeln der Menschen. Dies basiere nicht ausschließlich auf Wissen und Begreifen. Vielmehr handeln die Menschen zu einem Großteil aus dem Gefühl heraus, dass ihr Tun richtig ist und in einer bestimmten Tradition steht. Dürr verweist darauf, „dass es ein Innenleben bei uns gibt, auf das man sehr wohl hören muss. Genauso wie ich mir bei Problemen mit einem Computer nicht nur einen Mechaniker für die Hardware hole, sondern auch von Zeit zu Zeit einen Blick in die Software werfen muss.”

Zusammenarbeit

Im Vol-Live-Gespräch appelliert Dürr an die Zusammenarbeit der Menschen. Dabei gehe es nicht nur darum, das gegenwärtig Vorhandene zu schützen, sondern es auch weiter zu beleben und weiter zu entwickeln. „Und zwar so, dass das Ganze gedeiht und nicht nur einige den Profit haben und die anderen zugrunde gehen”, so der Quantenpyhsiker.

Das Gemeinsame suchen

Dürr empfindet es nicht für notwendig, alle Sprachen zu sprechen, damit sich die Menschen verstehen. „Wenn ihr im Kontakt seid, versucht das Gemeinsame herauszufinden und auf dieser Grundlage eine neue Weltkultur aufzubauen”, klingt der Wissenschaftler zuversichtlich. Als wichtig für ein konstruktives Miteinander erachtet er dabei die Auffassung von individuellen Talenten „als Möglichkeit zu sehen, es den anderen zur Verfügung zu stellen, sodass wir alle davon profitieren.”

Interview mit dem Nobelpreisträger und Quantenphysiker Hans-Peter Dürr

BEGLEITTEXT ZUM VORTRAG:
Im 19. Jahrhundert entwickelte sich ein Weltbild, in dem die Materie grundlegend war. Durchdrungen von der Vorstellung am Ende fände sich eine Materie, die reine Materie sei, zerlegte die klassische Naturwissenschaft die Materie immer weiter in ihre Einzelteile. Diese Sicht hält sich teils bis heute, obwohl im 20. Jahrhundert in der Wissenschaft dazu Aufregendes erforscht wurde. Denn als man dachte, mit dem Atom sei das Kleinste gefunden, entdeckte Heisenberg die Unschärferelation und das Atom entpuppte sich als Etwas, das nicht als Materie, sondern eher als Schwingung zu beschreiben ist. Wenn aber das Atom als eine Schwingung verstanden wird, wie verhält es sich dann mit der Materie? Sie verschwindet, löst sich auf. Damit verändern sich gravierend die Parameter der Frage: Was hält die Welt im Innersten zusammen? Denn wenn es nicht die feste stoffliche Substanz ist, die alles zusammenhält, was ist es dann?

Nach den neuesten Erkenntnissen der Quantenphysik ist die Materie nur nachgeordnet: Am Anfang steht Beziehung. Das ganze Universum ist verbunden, verbunden durch ein Feld von Beziehung („Wellen”). Dieses Feld ist ein Ganzes, nicht zerlegbar in Einzelteile. Dieses Feld ereignet sich jeden Augenblick neu, das heisst die Welt wird in jedem Augenblick neu erschaffen. Wirklichkeit ist nach dieser Auffassung nicht eine Realität der Dinge (lat. res = Ding), sondern Wirklichkeit ist Potenzialität. Wirklichkeit trägt nur die Möglichkeit in sich, sich als Materie zu manifestieren. Wesentlich für die Formung der Lebendigkeit ist die Art der Information oder besser gesagt der Geist.

Hans-Peter Dürr, geboren 1929 in Stuttgart, ist ehemaliger Direktor des Max-Planck-Instituts für Physik und Astrophysik sowie des Werner-Heisenberg-Instituts, München. Er ist ein weltweit bedeutender Sprecher der Umwelt- und Friedensbewegung, Träger des alternativen Nobelpreises und Gründer von Global Challenges Network.

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