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„Habe immer schon über den Tellerrand hinaus geschaut“

Elmar Marent im WANN & WO-Sonntags Talk.
Elmar Marent im WANN & WO-Sonntags Talk. ©WANN&WO/MiK
Elmar Marent (69), ehemaliger Vorarlberger Sicherheitsdirektor, spricht in der aktuellen Ausgabe der WANN & WO über sein Leben und seine Karriere.

WANN & WO: Herr Marent, Sie sind jetzt im siebten Jahr ihres Ruhestands, aber immer noch sehr aktiv und engagiert, etwa in Vereinen. Sind Sie etwas rastlos?

Elmar Marent: Ja, das würde ich schon so sagen. Ich bin nicht der reine Gemütsmensch, der sich in der Pension an den Stammtisch verzieht und nichts mehr macht. Ich brauche ein bisschen Aktivität. Solange ich gesund bin, werde ich machen, was geht.

WANN & WO: Ist es nicht eine witzige Situation, wenn Sie heute in eine Polizeikontrolle geraten?

Elmar Marent: Ich komme selten in Kontrollen. Zum einen versuche ich, mich möglichst an die Gesetze zu halten. Das gelingt mir natürlich nicht immer (grinst). Wenn ich wirklich einmal kontrolliert werde, würde man gar nicht glauben, wie schnell die jungen Beamten einen Elmar Marent vergessen haben.

WANN & WO: Sie selbst haben ja auch einmal als junger Beamter angefangen.

Elmar Marent: Ich habe den Polizeidienst von der Pike auf gelernt, habe die Leiter von Streifenbeamten bis zum bundesweiten Generaldirektor für Sicherheit erklommen. Das war natürlich irre spannend. Es war auch mein Wunschberuf, in meiner Familie gab es viele Polizisten. Ich habe schon als junger Mensch gesagt: „Studieren muss nicht sein, ich werde Polizist!“ Ein Studium habe ich dann trotzdem absolviert, das war auch wichtig. Rückblickend würde ich jedenfalls alles wieder so machen.

WANN & WO: Wieso haben Sie sich doch zum Studium entschlossen?

Elmar Marent: Der Punkt ist der: Wir wissen ja, dass man im Staatsdienst ohne Matura, ohne Studium karrieremäßig irgendwann oben ansteht. Ich bin nicht der Typ, der sein Leben lang in der selben Position arbeiten will, also sagte ich mir damals, ich muss was machen. Ich habe die Abendmatura gemacht, mich von der Polizei nach Innsbruck versetzen lassen und habe Jura studiert. Danach bin ich die Karriereleiter weiter hinaufgegangen. Glück gehört aber auch dazu.

WANN & WO: Sie haben 44 Jahre Polizeidienst geleistet. Was hat sich verändert?

Elmar Marent: Da geht es schon bei der Technik los. Als ich damals beim Gendarmerieposten Bregenz angefangen habe, hatten wir nicht einmal ein eigenes Auto. Es gab auch kein Funkgerät, keinen Fernschreiber, kein Handy. Da haben sich natürlich Welten aufgetan. In Sachen Ausbildung und Struktur natürlich auch. Wir machten damals die Polizeischule und wurden dann auf das Volk losgelassen. Wenn man talentiert war, hat man es gut gemacht, ansonsten eher weniger. Die Aus- und Fortbildung jetzt ist wesentlich besser, es gibt ständig berufsbegleitende Kurse psychologischer, technischer und rechtlicher Art. Ich glaube auch, dass Grundwissen und der Zugang zur Polizei heute wesentlich gesünder sind, weil sie viel besser geschult werden.

WANN & WO: Wo gibt es im Beruf – im Vergleich zu früher – Schwierigkeiten?

Elmar Marent: Früher war eine Amtshandlung relativ einfach: Anzeige, Justiz, Sache erledigt. Heutzutage ist der tägliche Amtsbetrieb von Dokumentation, Meldung und Berichten geprägt. Ich erinnere mich auch, wie ich als junger Vekehrpolizist in der Früh aufs Motorrad bin und weg war. Ich hatte ja keinen Funk, nur meine Aufträge und dann war ich weg. Niemand hätte mich erreichen können. Das ist heute natürlich ganz anders, da kann jeder dauernd kontrollieren, was man gerade macht. Die Eigeninitiative des Beamten war damals viel stärker gefordert als heute.

WANN & WO: Ist der Beruf heute auch gefährlicher?

Elmar Marent: Wenn man die Statistik der Todesfälle von Exekutivbeamten im Dienst anschaut – ich habe sie jetzt natürlich nicht mehr genau zur Hand – hat es auch damals schon Kollegen gegeben, die bei der Arbeit verletzt oder getötet wurden. Die Gefährdung ist allerdings einfach ein Polizeirisiko, damit muss man leben können, wenn man den Beruf wählt. Das ist ähnlich wie beim Dachdecker, der könnte auch einmal runterfallen. Kommt auch vor.

WANN & WO: Wie würden Sie die aktuelle Sicherheitslage in Vorarlberg im Bezug auf Flüchtlinge oder auch Angst vor Terrorismus beurteilen?

Elmar Marent: Wir befinden uns im Gefüge von Europa, und Europa ist tatsächlich geschüttelt von Terror, das wissen wir. Zu meinen, man kann eine Garantie abgeben, dass im Land Vorarlberg nie was passiert, wäre illusorisch. Aber statistisch und anhand von Ermittlungswerten ist die Gefahr relativ gering. Ausschließen können wir aber nichts. Wir haben relativ viele Asylwerber und auch Gastarbeiter, das war immer schon ein Thema, aber im Großen und Ganzen sind die Ängste meistens unbegründet. Trotzdem müssen die Behörden aufpassen, das ist klar.

WANN & WO: Dennoch wurde diese Woche öffentlich, dass es im Ländle möglicherweise zu Terror-Anklagen gegen zwei Asylberechtigte kommen wird. Ist Berichterstattung über diese Themen problematisch?

Elmar Marent: Das ist ein Thema, das mich in meinen Führungspositionen 30 Jahre lang begleitet hat. Auf der einen Seite sind natürlich Polizei und Behörden verfassungsmäßig dazu verpflichtet, über Aktivitäten zu informieren. Auf der anderen Seite ist es problematisch, wenn über Tage und Wochen hinweg über solche Themen berichtet wird. Da besteht die Gefahr, dass Leute zu Trittbrettfahrern werden und die bösen Ausländer an allem schuld sind. Deshalb muss da mit sehr viel Sorgfalt und Fingerspitzengefühl informiert werden, aber ganz verschweigen kann man solche Dinge natürlich nicht.

WANN & WO: Es gibt ein – damals aus dem Zusammenhang gerissenes – Zitat von Ihnen, in dem Sie Mitglieder von „Blood & Honour“ als „apolitische Krawallbrüder“ bezeichnen. Daraufhin wurde Ihnen vorgeworfen, Nationalsozialismus nicht ernst zu nehmen.

Elmar Marent: Der Polizei wird immer vorgeworfen, am rechten Auge ein bisschen blind zu sein. Dazu muss ich sagen, dass der Mitarbeiterschnitt der Exekutive genauso aufgestellt ist wie der Bevölkerungsschnitt. Es gibt solche und solche. Aber der Vorwurf ist ungerecht. Meine Mitarbeiter und ich als Behördenleiter haben damals vehement das Rechtsinstrument gegen die Burschen eingesetzt. Allerdings gab es auch Situationen wie damals in Hohenems, als sich plötzlich eine rechtsradikale Bewegung mit 700 bis 800 Leuten konspirativ versammelt hat. Die hatten das natürlich nicht angemeldet. Du kommst also nachts mit 20 Polizisten dort an. Da muss man natürlich mit Fingerspitzengefühl an die Sache herangehen. Wenn man versucht, die Versammlung radikal aufzulösen, eskaliert das. Aber uns vorzuwerfen, wir seien rechts, das stimmt einfach nicht.

WANN & WO: Was war eigentlich die brenzligste Situation während Ihrer Dienstzeit?

Elmar Marent: Da muss ich ein wenig in die Vergangenheit zurück. Ende der 70er-Jahre hatten wir in Vorarlberg eine unglaubliche Zuhälter-Szene. Das ist ein gesellschaftliches und nicht polizeiliches Problem, aber wir mussten uns darum kümmern. Die damaligen Strukturen führten zu wortwörtlichen „Wild-West“-Szenen im Land. Da haben sich die Leute gegenseitig mit Schrotflinten aus fahrenden Autos beschossen. Es wurden Prostituierte ermordet, ein Zuhälter und seine Tochter auf einem Campingplatz in die Luft gesprengt. Eine schreckliche Zeit, über mehrere Jahre hinweg. Wir haben nach akribischer Arbeit die führenden Köpfe herausnehmen können, dann war Ruhe. Natürlich haben wir trotzdem noch Prostitution im Land, aber nicht mehr diese Strukturen wie früher.

WANN & WO: Sie waren 2009 auch Leiter der Soko Innenministerium und interimistischer Generaldirektor für Sicherheit. Trotzdem haben Sie auch ihre Stelle in Vorarlberg behalten. Eine Zerreißprobe?

Elmar Marent: Ich war ja schon 1994 sowohl in Vorarlberg als auch in Salzburg Sicherheitsdirektor. Aber Wien, die Soko und der Posten des Generaldirektors waren schon extrem spannend für mich. Das war zeitlich auch gut machbar, da ich hier in Vorarlberg einen hervorragenden Stellvertreter hatte: Hans-Peter Ludescher, der heutige Sicherheitsdirektor.

WANN & WO: Haben Sie eine Lieblingserinnerung an Ihre aktive Zeit?

Elmar Marent: Im Jahr 1998, als Österreich den Vorsitz des EU-Rats hatte, wurde ich gefragt, ob ich eine EU-Arbeitsgruppe leiten möchte. Das war ein Highlight, eine sehr interessante Tätigkeit und natürlich auch eine persönliche Auszeichnung für mich. Ich habe sowieso immer gerne die Kontakte nach außen gepflegt, über den eigenen Tellerrand und das eigene Land hinausgeschaut.

WANN & WO: Sie haben ja auch gekrönte Häupter betreut.

Elmar Marent: Richtig, das war auch immer spannend. Der Schah, die Queen, die niederländische Königsfamilie, die Schweden. Wir haben die Personenschutzmaßnahmen getroffen. Als junger Jurist bin ich damals oft selbst vor Ort gewesen und habe das geleitet. Ich stand mit Lady Di und Prinz Charles am Ski-Lift und bekam ihre ersten Querelen mit.

WANN & WO: Werden Sie eigentlich von früheren Kollegen noch oft um Rat gebeten?

Elmar Marent: Nein, das kommt nur selten vor. Ich habe mich sehr bewusst aus dem Beruf zurückgezogen. Mein Nachfolger Hans-Peter Ludescher ist wie gesagt hervorragend, mich braucht es da nicht mehr. Ich bin allerdings vom Sicherheits- auf den Sozialbereich umgeschwenkt und engagiere mich privat sehr dafür. Seit zwei Jahren bin ich Obmann des Sozialsprengels Leiblachtal. Wir haben auch eine Seniorenbörse aufgebaut.

WANN & WO: Sie sind auch passionierter Motorradfahrer?

Elmar Marent: Ja, als junger Mensch bin ich mit wilden Maschinen unterwegs gewesen, habe dann aber aufgehört. Erst, als mein Sohn ein Motorrad kaufte, hat es mich wieder gerissen. Ich genieße das Fahren sehr und fahre regelmäßig Touren durchs Südtirol.

WANN & WO: Fahren Sie gerne schnell?

Elmar Marent: Ja. Ich versuche aber, mich den geltenden Geschwindigkeitsbeschränkungen anzupassen oder zumindest anzunähern.

WANN & WO: Sie spielen auch Golf. Ein Gegensatz zum Motorrad. Sind Sie generell ein widersprüchlicher Mensch?

Elmar Marent: Mich reizen Herausforderungen. Golf ist technisch sehr schwierig, ich glaube ein Profi werde ich nie. Meiner Mentalität kommt dieser Sport auch nicht entgegen. Da muss man ruhig und gelassen sein, das bin ich nicht. Ich habe auch schon den Goldschläger auf den Boden geschmissen. Aber ich liebe es trotzdem.

WANN & WO: Sie sind bereits seit 1969 mit Ihrer Frau Sibylle verheiratet. Haben Sie ein Rezept?

Elmar Marent: Es gibt kein Rezept. In jeder Ehe hat man Höhen und Tiefen. Meiner Meinung nach ist es einfach wichtig, immer wieder das Gespräch zu suchen.

WANN & WO: Sie sind auch Vater zweier Kinder. War es als Sicherheitsdirektor manchmal schwierig, Arbeit und Familie unter einen Hut zu bringen?

Elmar Marent: Ja. Das ist ein Punkt, der mir nachträglich manchmal Schmerzen bereitet. Ich war beruflich so eingespannt, dass ich mich zu wenig um meine Kinder kümmern konnte. Aber ich habe jetzt eine Enkeltochter, die bei mir im Haus wohnt, und da bringe ich mich als leidenschaftlicher Opa stärker ein.

(WANN & WO)

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