Der einzigartige Blick, der sich von dem am nördlichen Rand der Alpen gelegenen Nebelhorn aus auf rund 400, teilweise ganzjährig schneebedeckte Gipfel bietet, lockt jährlich mehr als 400.000 Menschen auf den 2224 Meter hohen Gipfel. Die wenigsten von ihnen kommen zu Fuß, die meisten in drei Etappen von Oberstdorf per Gondelbahn. Um bis vor einem Jahr beim Ausstieg aus der obersten zwar unmittelbar in das an die Seilbahnstation angedockte Restaurant zu stolpern, das allerdings den Blick auf den eigentlichen Berg samt mächtigem Holzkreuz verstellte. Eine Tatsache, die die Betreiber der Bahn schon lange mächtig gestört hat.
Weshalb der freie Gipfelblick eine der wenigen konkreten Vorgaben für den Neubau der Bergstation am Nebelhorn war, mit dessen Planung Hermann Kaufmann direkt beauftragt wurde. „In einem dreistufigen, sehr konstruktiven Prozess der Annäherung“, so Projektleiter Stefan Hiebeler, entstand der schließlich realisierte Entwurf, der in der extrem kurzen Spanne von acht Monaten zwischen dem Ende bzw. Beginn der Wintersaisonen des vergangenen Jahres umgesetzt werden musste. Eine gewaltige logistische Herausforderung für Planer genauso wie Gewerke, gibt es auf das Nebelhorn doch keine für Lkws befahrbare Straße.
Solange der Boden noch gefroren war, wurden mit der Hilfe von Pistenraupen zwei Bagger auf den Gipfel gefahren und per Hubschrauber nicht nur ein großer Kran, sondern sämtliche im Tal vorgefertigte Bauteile eingeflogen. Die, basierend auf den digitalen Daten der Werkpläne der Architekten vom Zimmerer in Millimeterarbeit in perfekter Zusammenarbeit mit dem Glasbauer hergestellt worden waren und vor Ort montiert wurden. Auf einen betonierten Sockel bzw. ein konstruktiv notwendiges Skelett aus Stahl. Wobei das Limit der Einzelteile von der Kapazität der Hubschrauber vorgegeben war, besonders was das Gewicht betrifft, das eine Tonne nicht überschreiten durfte.
Das scheinbar Unmögliche wurde durch die Professionalität aller Beteiligten möglich. Um an diesem ausgesetzten Ort eine Architektur entstehen zu lassen, die vom Feinsten ist. Die trotz ihrer eleganten Rundungen nicht den Ehrgeiz hat, ein Gegenentwurf zur schroffen Natur zu sein, sondern ein Teil von ihr. Was im Moment zwar noch utopisch erscheint, wenn die nach einem Zufallsprinzip unterschiedlich tief gefalteten und vorbewitterten Kupferplatten, mit denen die Fassaden verkleidet sind, aber eine natürliche Patina entwickeln, das vielleicht einmal werden. Wobei nicht verschwiegen werden sollte, dass die Architekten die Fassade viel lieber aus grob gespaltenem Holz gebaut hätten.
Steigt der Wanderer oder Skifahrer am Nebelhorn aus der Gondelbahn, sieht er zuerst den nun unverstellten Gipfel und dann sofort eine riesige, elegant geschwungene Terrasse. Ihre Brüstung ist gläsern, um das Panorama so wenig wie möglich einzuengen und gläsern aufgelöst sind auch die Wände zu dem mitten auf ihr stehenden – unbeheizten – kleinen Pavillon, der mit einer Bar und wenigen kleinen Stehtischen möbliert ist. Dessen Rundungen sich einen Stock tiefer im – warmen – Restaurant fortsetzen, wo die meisten der Tische an die riesigen Panoramafenster gerückt sind. Nur einige stehen innen bzw. an der rückwärtigen Wand, um durch Kachelöfen, die mit wunderbaren, von Marta Rauch-Debevec von Hand in der japanischen Raku-Technik gemachten Fliesen verkleidet sind, zu wohligen Nischen zu werden.
Holz spielt bei der neuen Bergstation der Nebelhornbahn eine zentrale Rolle. Aus Fichte sind sämtliche konstruktiven Teile gebaut, der Rest inklusive der durchgehenden Täfelung im Inneren sowie der angenehm breiten – natürlich gerundeten – Stiege, die die beiden Ebenen miteinander verbindet, ist aus unbehandelter Esche in erstaunlicher Liebe zum Detail getischlert. Die hier generell auffällt genauso wie der sorgfältige Umgang mit Farben. Etwa der von Bronze, mit der die reizvoll leicht verwackelten Rundstäbe der Treppe überraschen, oder jene der Sanitärräume. Deren Wände sind teilweise aus Holz, teilweise aus Sichtbeton gebaut, die Türen zu den Kabinen sind grau, die Fliesen, die auf den Böden liegen, sind blau wie der Himmel am nebel- losen Nebelhorn.
Daten und Fakten
Objekt: Gipfelrestaurant Nebelhornbahn, Oberstdorf/D
Eigentümer/Bauherr: Nebelhornbahn AG, www.nebelhorn.de
Architektur: Architekten Hermann Kaufmann ZT, Schwarzach – www.hermann-kaufmann.at
Statik: Ingenieurbüro Dieter Linka, Oberstdorf/D
Fachplaner: Heizung, Lüftung, Sanitär: Wolfgang Hirdina, Betzigau/D; Elektro: J.E.T. Ingenieurbüro, Wertach/D; Akustik und Bauphysik: Bernhard Weithas, Lauterach; Licht: Manfred Remm, Dornbirn; Landschaftsplanung Klenkhart & Partner ZT, Absam/Tirol; Geotechnik: 3P, Lauterach; Ökologische Baubegleitung: Thomas Dietmann, Immenstadt/Allgäu
Planung: 2013–2016
Ausführung: 4/2016–12/2016
Nutzfläche: 663 m²
Bauweise: Kombinierter Stahl-Holzbau; Stahlbeton unter Verwendung der vorhandenen Fundamente; Fronten und Brüstungen aus gebogenem Glas: Fassade: gefaltetes Kupferblech; Dachhaut mit Steinen beschwert; Wände und Bodenbeläge im Außenraum Lärche; innen Braunkernesche und Nadelfilz
Besonderheiten: Hochalpiner Bauplatz
Ausführende: Holzbau: HTB Arzl/Pitztal; Spengler: King, Oberstdorf; Glasbau: Dann, Kempten; Tischler: Frick und Burtscher, Dornbirn; Heizung, Sanitär: Lacher, Oberstdorf; Kachelofen: Kanetzki, Heimenkirch/D; Kacheln: Marta Rauch-Debevec, Schlins; Küche: FHE, Dornbirn
Baukosten: ca. 5 Mill. Euro
Leben & Wohnen – Immobilienbeilage der VN
Für den Inhalt verantwortlich:
vai Vorarlberger Architektur Institut
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