AA

Nationalsozialisten nach 1945 erhielten höchste Posten im Land

Mag. Dr. Horst Schreiber aus Innsbruck lieferte interessante Forschungsergebnisse zu einem anspruchsvollen Thema.
Mag. Dr. Horst Schreiber aus Innsbruck lieferte interessante Forschungsergebnisse zu einem anspruchsvollen Thema. ©Richard Sonderegger
Göfis. (BK) Der renommierte Historiker Dr. Horst Schreiber sprach im Carl-Lampert-Saal über die Entnazifizierung und Wiedereingliederung der Nationalsozialisten.
Denunziationen standen an der Tagesordnung

In Zusammenarbeit der BUGO sowie dem Freundeskreis von Carl Lampert fand kein leichtes Thema eine Bühne, nämlich wie die Entnazifizierung und Wiedereingliederung von über 20.000 Nationalsozialisten aus Vorarlberg nach 1945 erfolgte. Kein geringerer als der Tiroler und Wahl-Göfner Dr. Horst Schreiber sprach über 90 Minuten darüber und scheute sich nicht, das Kind beim Namen respektive konkrete Namen aus Vorarlberg zu nennen.

Es ist ein kontroverses Thema, denn “nach 1945 waren alle über Nacht keine Nazis mehr sondern Widerstandskämpfer und es wurde Adolf Hitler demonisiert” so die einleitenden Worte des ronommierten Kenners und Forschers Schreiber. Er zeigte gleich zu Beginn eine passende Karikatur und ließ Zahlen sprechen: 540.000 registrierte Nationalsozialisten in Österreich, davon 20.000 in Vorarlberg (Bevölkerung 1939: 156.000). Schreiber war es wichtig zu erwähnen, dass sich Österreich von Nazideutschland nicht durch eigenen Widerstand, sondern durch den Sieg der Alliierten befreit hatte. Das was nun folgte, war recht ernüchternd: Am 15. September 1946, also vor fast genau 70 Jahren, wurden im Ländle 3.242 Nazis verhaftet (das waren lediglich 17 % der Registrierten), die bereits im Herbst 1946 zu drei Vierteln nach einer extrem kurzen Sühnezeit wieder entlassen wurden.

Im Vortrag kam deutlich hervor, welche Berufsgruppen mit einer hohen NS-Belastung konfrontiert waren: 60 – 80 Prozent aller Akademiker (Rechtsanwälte, Ärzte und Apotheker), die meisten aus der Textilindustrie (vor 1938 waren diese Förderer des Nationalsozialismus) sowie aus dem öffentlichen Dienst, sprich zwei Drittel der Pflichtschullehrer waren Nazisympathisanten und Parteimitglieder. Der erste Name der fiel war Harald Eberl, der wichtigste Wegbereiter des Nationalsozialismus in Vorarlberg und Mitglied der bis heute existierenden Burschenschaft Germania, späterer Vorstand der VKW Illwerke. Schreiber beschrieb Eberls militanten Anisemitismus und Antikatholizismus. “Die Hälfte aller Rechtsanwälte in Vorarlberg waren registriert und mitverantwortlich an der Auslöschung der jüdischen Gemeinden.” Eberls Bruder Irmfried war Leiter von zwei von insgesamt sechs Vernichtungslager und wurde erster Kommandant von Treblinka. Unter seinem Befehlt wurden 280.000 Menschen in nur drei Monaten ermordet. In US-Gefangenschaft verübte er Selbstmord. Leiter des Stadtspitals Dornbirn, Primar Bruno Rhomberg oder Karl Bruttmann, Ortsgruppenleiter und Amtsarzt in Bludenz, durften bereits im August 1949 wieder ihre Praxen eröffnen. “Die Industriellen Franz M. Hämmerle und Hermann Rhomberg hatten während der NS-Diktatur machtvolle Ämter inne. Rhomberg wurde nach dem Krieg Präsident der Dornbirner Messe” so Schreiber.

Der Kenner Schreiber, der auch Mitarbeiter von erinnern.at ist, nahm sich kein Blatt vor den Mund. So sprach er Tacheles über Elmar Grabherr (1911 – 1987), ein fähiger Jurist und als “graue Eminenz” in Vorarlberg bekannt, war er unter Landeshauptmann Ilg dessen engster Mitarbeiter. Grabherr, ein treuer Nazi wurde nach dem Krieg Zuständiger für die Entnazifizierung. “Er war kein Mitläufer, sondern ein großer Antisemit, der eng mit Gauleiter Hofer, diesem Schwerverbrecher, zusammengearbeitet hat und viele Verbrechen in Südtirol/Trentino verübte” so der Experte. Grabherr war federführend bei der sog. “Osteraktion” in Innsbruck beteiligt, wo in einer eigenmächtigen Aktion zuvor geschützte, mit Juden verheiratete Arier, nach Auschwitz geschickt wurden. Auch Hans Nägele, Chefredakteur des “Vorarlberger Tagblatts”, war ein NS-begeisterter Mann, der für Gauleiter Hofer brannte und das Vorarlberger Blut “reinhalten” wollte.

Im Anschluss an den ausführlichen Beitrag folgte eine ausgiebige Fragerunde, bei der der Referent wortwörtlich von Fragen seitens des Publikums gelöchert wurde und seine Ausführungen vertiefte und erweiterte. 2017 plant der Freundeskreis-Carl-Lampert eine weitere Veranstaltung zu diesem Thema. Das Schlusswort von Rainer Nägele: “Spätestens jetzt ist der Mythos vom ‘Subera Ländle’ zerstört!”

home button iconCreated with Sketch. zurück zur Startseite
  • VOL.AT
  • Göfis
  • Nationalsozialisten nach 1945 erhielten höchste Posten im Land