Allein bei den stundenlangen Kämpfen um das teilweise brennende Gebäude wurden nach Angaben aus Sicherheitskreisen mindestens sieben Menschen getötet, landesweit waren es 16.
Armee fordert Konfliktlösung in 48 Stunden
Nach der Opposition, die Mursi am Montag ein ein Ultimatum zum Rücktritt bis Dienstagnachmittag um 17.00 Uhr gestellt hatte, hat auch die ägyptische Armee der politischen Führung des Landes ein Ultimatum zu Beilegung der Krise gestellt. Binnen 48 Stunden müsse der Konflikt gelöst werden, erklärte die Armeeführung am Montag. Die Forderungen des Volkes müssten erfüllt werden.
Der seit einem Jahr regierende Mursi zeigt bisher keinerlei Bereitschaft zum Einlenken, obwohl er aus den eigenen Reihen zu Konzessionen aufgefordert wurde. Für Dienstag hat die Opposition zu neuen Protesten aufgerufen. Sie richten sich nicht nur gegen Versuche der Islamisierung, sondern auch gegen wirtschaftliche Not. Sollte der Staatschef der Aufforderung nicht nachkommen, werde es “eine Kampagne des vollständigen zivilen Ungehorsams” geben
Vier Minister Mursis zurückgetreten
Inmitten der Massenproteste gegen den ägyptischen Präsidenten sind vier Minister seines Kabinetts zurückgetreten. Das bestätigte ein Regierungsvertreter am Montag in Kairo. Bei den vier zurückgetretenen Ministern handle es sich um jene für Tourismus, Telekommunikation, Umwelt sowie für parlamentarische Angelegenheiten, wie ein Regierungsvertreter in Kairo mitteilte. Einen Grund für den Rücktritt nannte er nicht. Die staatliche Nachrichtenagentur hatte zuvor aber berichtet, die vier Minister erwögen aus Sympathie mit den Demonstranten einen Austritt aus der Regierung.
Mursi ein Jahr im Amt – Ägypten tief gespalten
Ein Jahr nach Mursis Amtsantritt ist Ägypten zutiefst gespalten. Während seine Anhänger darauf verweisen, dass er der erste demokratisch gewählte Präsident ist, werfen seine Gegner ihm vor, allein die Interessen der Muslimbruderschaft zu vertreten, aus der er hervorging. Zudem kritisieren sie, dass er es nicht geschafft habe, die Wirtschaft wieder anzukurbeln.
Die säkulare Opposition wirft Mursi und den islamistischen Muslimbrüdern außerdem vor, die Ideale der Revolution von 2011 zu verraten und einen ähnlich autoritären Staat wie unter Mursis Vorgänger Mubarak anzustreben.
Millionen Ägyptern gehen auf die Straße
Landesweit waren am Sonntag mehr als eine Million Menschen auf die Straßen gegangen, um am ersten Jahrestag seines Amtsantritts den Rücktritt des Islamisten Mursi zu fordern. Aus Kreisen der Armee hieß es sogar, es könnten bis zu 14 Millionen Menschen an den Protesten teilgenommen haben. Diese Zahl erscheint allerdings unverhältnismäßig hoch.
Allein auf dem zentralen Tahrir-Platz in Kairo versammelten sich mehr als eine halbe Million Menschen. Viele harrten auch die Nacht über dort aus. Es sind die bislang größten Proteste in Ägypten seit dem Sturz des früheren Präsidenten Hosni Mubarak:
Zentrale der Muslimbrüder gestürmt
Brennpunkt der Auseinandersetzungen war auch in der Früh die Zentrale der Muslimbrüder. Wachmänner schossen wiederholt auf junge Demonstranten. Später stürmten Jugendliche das Gebäude und ließen ihrer Zerstörungswut freien Lauf. Auf Bildern war zu sehen, wie sie Büromöbel und andere Einrichtungsgegenstände auf die Straße warfen.
Kurz vor dem Sturm hatten Muslimbrüder das Gebäude geräumt. Nach Darstellung der Muslimbrüder hatten Dutzende bewaffnete Oppositionelle das auf einem Hügel gelegene Gebäude am Abend umstellt, beschossen sowie mit Steinen und Brandsätzen geworfen:
Nach Beobachtungen von Reuters-Journalisten wurde aus dem brennenden Haus zurückgeschossen. Vertreter der Islamisten warfen der Polizei vor, die Zentrale nicht geschützt zu haben. Am Montagmorgen waren dort keine Polizisten präsent.
Polizisten solidarisierten sich mit Demonstranten
In Kairo und in der Hafenstadt Alexandria solidarisierten sich uniformierte Polizisten mit den Demonstranten und reihten sich mit dem Ruf “Polizei und Volk sind einig” ein. Mehrere Polizeiführer sprachen zu den Demonstranten am Tahrir-Platz. Das weckte Zweifel, ob Mursi sich im Ernstfall voll auf die Sicherheitskräfte verlassen kann. Nach Angaben von Diplomaten will die lange dominierende Armee nicht in den Konflikt eingreifen. Solange die nationale Sicherheit nicht bedroht sei, blieben die Soldaten in den Kasernen.
Mursi will im Amt bleiben
Mursi selbst hat Fehler eingeräumt und ihre Behebung angekündigt. Er zeigte sich aber entschlossen, im Amt zu bleiben. Ein Berater Mursis nannte drei Möglichkeiten, die Krise beizulegen: “Das Offenkundigste” seien Neuwahlen zum Parlament. Denkbar seien aber auch ein nationaler Dialog, den die Opposition allerdings verweigere, oder die von Mursis Gegnern verlangte Präsidentenwahl, die aber die Demokratie zerstören würde.
Sexuelle Übergriffe auf Tahrir-Platz
Frauenrechtlerinnen klagten über organisierte sexuelle Übergriffe auf dem Tahrir-Platz. Denen seien mindestens 43 Frauen, darunter eine ausländische Journalistin Opfer gefallen.
(APA; red.)
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