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Gesundheitsreform: Ärztekammern bereiten Protestmaßnahmen vor

Die Ärztekammer bereitet den Protest schon vor.
Die Ärztekammer bereitet den Protest schon vor. ©AP/Sujet
Die Ärztekammer bereitet Proteste gegen die im Zuge des Finanzausgleichs vereinbarte Gesundheitsreform vor. Der Vorstand der Bundes-Ärztekammer hat bereits eine Informationskampagne beschlossen, die von den neun Länder-Kammern mitgetragen wird.

Zusätzlich ist es jedem Bundesland im Rahmen der Autonomie freigestellt, eigene weitergehende Schritte zu setzen. Und davon wollen die Länder auch ausgiebig Gebrauch machen. Die Wiener Ärztekammer hat bereits am Mittwoch mit einem einwöchigen Generalstreik gedroht, wenn es nicht Garantien seitens der Politik gebe, dass die geplanten Maßnahmen nicht umgesetzt werden. Und die niederösterreichische Ärztekammer hat ein österreichweites Volksbegehren “SOS Medizin” gestartet.

Aus den anderen Bundesländern kam am Donnerstag Unterstützung. In der Steiermark hat die Kurienversammlung der niedergelassenen Ärzte bereits beschlossen, den Vertrag mit der steirischen Gebietskrankenkasse (GKK) zu kündigen, wenn die angekündigten Pläne so beschlossen werden. Auch in Oberösterreich hat man eine Kündigung des Kassenvertrages bereits angedacht.

Kritik der Ärztekammer

Der Kärntner Präsident Josef Huber kündigte an, man werde man das Volksbegehren der niederösterreichischen Kollegen unterstützen. Und wenn es tatsächlich zu einem Generalstreik kommt, kann sich Huber “vorstellen, dass das österreichweit passiert.” Vorerst keinen Generalstreik planen Oberösterreich, Salzburg, Tirol, Vorarlberg und das Burgenland. In diesem Bundesländern plant man aber zum Teil eigene Protestmaßnahmen, über die man jedoch erst in den nächsten Wochen entscheiden will.

Patientenanwalt Gerald Bachinger bezeichnete am Donnerstag die Kritik der Ärztekammer an den Reformplänen für nicht gerechtfertigt und die angekündigten Proteste für “vollkommen überzogen”. Die Pläne der Politik sind für ihn der “richtige Ansatz”. Die Wiener Gesundheitsstadträtin Sonja Wehsely (SPÖ) appellierte an die Ärztekammer, wieder in strukturierte und konstruktive Gespräche einzutreten.

Die Ärztekammer beklagt vor allem finanzielle Kürzungen durch den Finanzausgleich und dass die regionale Strukturplanung unter Ausschluss der Ärztekammern geschehen solle. Das Gesundheitsministerium hat diese Darstellung bereits am Mittwoch zurückgewiesen und klargestellt, dass zwar das Wachstum der öffentlichen Gesundheitsausgaben von jährlich 3,6 auf 3,2 Prozent im Jahr 2021 abgeschmolzen, aber trotzdem um 4,65 Milliarden Euro mehr ausgegeben werde. Eine eigene Planungsgesellschaft, in der die Ärztekammer nicht vertreten ist, lege zwar rechtsverbindlich per Verordnung die Kapazitäten auf regionaler Ebene fest, die Stellenpläne handeln die Ärztekammern aber weiter mit den Sozialversicherung aus.

Patientenanwalt Bachinger “vollkommen überzogen”

Patientenanwalt Gerald Bachinger hält die Kritik der Ärztekammer an der im Zuge des Finanzausgleichs vereinbarten Gesundheitsreform für nicht gerechtfertigt und die angekündigten Proteste für “vollkommen überzogen”. Die Pläne der Politik sind für ihn der “richtige Ansatz”.Wien. Bachinger hat “ein deja vu-Erlebnis”. Es habe in den letzten Jahren keinen Versuch einer Gesundheitsreform gegeben, gegen den die Ärztekammer nicht Feuer geschrien hätte, meinte der Sprecher der Patientenanwälte. Die Schärfe, in der das jetzt mit Drohungen mit Generalstreik, Volksbegehren und Kündigung des Gesamtvertrages geschehe, habe man aber bisher noch nicht gekannt. Die Ärztekammer habe bisher durchaus erfolgreich Initiativen verhindert. Daraus habe die Gesundheitspolitik nun offenbar gelernt und versuche, die starke Position der Ärztekammer zumindest ein bisschen zurückzudrängen. Aus der Sicht der Patientenversorgung hält Bachinger diesen neuen Weg für “absolut notwendig”.

Dass die Ärztekammer behauptet, im Interesse der Patienten zu agieren, weist Bachinger zurück. Die Ärztekammer habe “null Legitimität für die Patienten zu sprechen”, sie sei die Interessensvertretung der Ärzte. Auch für die geäußerte Befürchtung, dass es zu Verschlechterungen für die Patienten kommen könnte, sieht der Patientenanwalt “keinen Ansatzpunkt”. Ganz im Gegenteil erwartet er sogar Verbesserungen.

“Vollkommen überheblich”

Das geplante Primärversorgungs-Modell hält Bachinger für gut. Das vom Gesundheitsministerium angestrebte Gesetz dafür wäre seiner Ansicht nach zwar nicht notwendig, die vereinbarte Anschubfinanzierung von insgesamt 200 Millionen Euro sei aber “ein positive Signal”. Dieses Modell über finanzielle Anreize zu fördern ist für Bachinger “der richtige Ansatz”.

Dass die Ärztekammer beklagt, man würde auf die medizinisch Kompetenz verzichten, weil sie in der Planungsgesellschaft nicht vertreten ist, ist für den Patientenanwalt “vollkommen überheblich”. Medizinische Kompetenz gebe es auch außerhalb der Ärztekammer. Außerdem weist Bachinger die Darstellung zurück, dass die Ärztekammer vollkommen aus den Planungsentscheidungen hinausgedrängt würde. Die Stellenpläne verhandle die Ärztekammer weiterhin mit den Sozialversicherungen. Neu sei aber ein “Ausstiegsszenario”. Wenn sich Ärztekammer und Sozialversicherung nicht über einen Gesamtvertrag einigen können, gebe es jetzt die Möglichkeit zu Einzelverträgen.

(APA)

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