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Gen Y: Sexy oder prüde?

Mit seiner sexuellen Aktivität prahlen und davon ein Foto ins Netz stellen: Heutzutage sind After-Sex-Selfies gang und gäbe.
Mit seiner sexuellen Aktivität prahlen und davon ein Foto ins Netz stellen: Heutzutage sind After-Sex-Selfies gang und gäbe. ©Twitter
Der Umgang mit Sexualität war wohl noch nie so freizügig wie jetzt. Man spricht darüber, postet Fotos im Netz, aber hat die Generation Y tatsächlich auch so viel Sex? W&W hat nachgefragt.

YouPorn, Dating-Apps und Sex-Selfies: Die Generation Y gilt laut Definition als gut ausgebildet, schätzt eine Work-Life Balance, aber wie schaut es mit ihrem Sexualleben aus? Heutzutage redet man offen über sexuelle Vorlieben, Stars benützen den Trieb des Menschen, um Aufmerksamkeit zu erregen, Pornos schaut sowieso jeder und geprahlt wird auch mal gerne mit dem One-Night-Stand von letzter Nacht. Aber geht es in den Schlafzimmern wirklich immer so heiß her? Michele, 21, aus Dornbirn, glaubt, dass diese Entwicklung Teil der heutigen Gesellschaft ist: „Meiner Meinung nach kommt es auf die eigene Persönlichkeit an. Viele, die mit ihren Eroberungen angeben oder Selfies posten, suchen meistens nur nach Bestätigung.“

„Druck ist enorm“

Viel Sex zu haben, scheint cool geworden zu sein. Stars sind zugleich Vorbilder für viele junge Menschen und machen es vor. Sexualberaterin Daniela Branz (siehe Randspalte) sieht darin Nachteile. „Bei Jugendlichen höre ich in Gesprächen öfters, dass der Druck zu funktionieren (oder zumindest so zu tun), enorm sei. Für sie, können solche falschen Vorbilder zur Gefahr werden, weil sie nicht gelernt haben, eine Illusion von der Wirklichkeit zu unterscheiden. Das Grundbedürfnis der ‚Autonomie‘ muss auch in einer Beziehung akzeptiert werden. Dies bedeutet, dass man so sein darf, wie man ist und auch nur das tut, was man will“, erklärt die Expertin. Marco aus Dornbirn hält von der Freizügigkeit der Stars nicht viel: „Mich interessiert nicht, was die Stars vorleben oder, ob sie Fotos davon posten. Ich würde so etwas niemals machen.“ Eine Umfrage des Jugend Trend Monitors 2014 unter 3000 österreichischen Jugendlichen zwischen 14 und 29 Jahren hat ergeben, dass der Durchschnitt nicht öfter als ein Mal pro Woche Sex hat und sich 57 Prozent sogar mehr wünschen. Also ist die Jugend von heute doch nicht so sexuell aktiv, wie oft behauptet wird. Oder ist das schon ein Zeichen eines Gegen­trends? Die Generation Y ist bekannt dafür, anders zu sein und ihr Ding durchzuziehen. So auch beim Thema Sex. Erotik wird Teil der Mainstream-Kultur und wer will das schon? War Abstinenz früher ein Zeichen von Religiösität wird es heute, laut dem englischen „Telegraph“, wieder populär bei jungen Frauen, auf Sex zu verzichten. Lisa aus Wolfurt meint, dass die sexuelle Freizügigkeit nur ein Trend ist. „Ich bin mir sicher, dass viele Beziehungen davon beeinflusst sind, was oft auch negativ sein kann. Gut vorstellen kann ich mir, dass in Zukunft wieder mehr junge Leute ‚prüder‘ werden“, so die 19-Jährige.

„Sexualität ist zu Irrgarten geworden“

WANN & WO hat bei Daniela Branz, Sexualberaterin (M.A. in Human Sexuality) nachgefragt.

WANN & WO: Wieso stellt jemand sein Sexleben in Form von After-Sex-Selfies oder selbstgedrehten Pornos ins Internet?

Branz: Einige scheinen damit ihre Liebe beweisen zu wollen, andere polieren ihr Ego auf, wieder andere machen sich einfach einen Spaß daraus. Ob es überhaupt sinnvoll ist, After-Sex- Selfies auf Sozialen Netzwerken zu posten – ob gefaked oder nicht – darüber kann man ja wirklich geteilter Meinung sein. Man stelle sich einmal das nächste Bewerbungsgespräch der Person vor. Es braucht menschlich umsichtigen und respektvollen Umgang mit neuen Möglichkeiten, die die technische Entwicklung ermöglicht.

WANN & WO: Erzeugt die „Übersexung“ Druck und nimmt Einfluss auf Beziehungen?

Branz: Medien wollen beeinflussen und prägen unsere Vorstellungswelt. Gewollt oder ungewollt, Sexualität wird dadurch vermehrt entpersonifiziert, eigentliche Bedürfnisse werden weniger leicht spürbar und sexuelle Handlungen entfremden. Die Welt der Liebe und Sexualität ist für viele zu einem Irrgarten geworden. Erfreulicherweise zeigt sich mir im persönlichen Gespräch, dass diese Entwicklung nichts daran ändert, dass die (jungen) Menschen Liebe suchen, Nähe und Zuwendungen brauchen.

WANN & WO: Entsteht durch die Übersättigung ein Gegentrend?

Branz: Nein, einen echten Gegentrend sehe ich nicht, höchstens vereinzelte Gegenbewegungen. Die Übersättigung führt eher zu Problemen, Missverständnissen und Unsicherheiten. Je häufiger man etwas sieht, desto normaler wird es. So fällt es immer schwerer, herauszufinden, was man eigentlich selbst als lustvoll empfindet.

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