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„Sehe das Leben als Lernprozess“

Elisabeth Tos nimmt nach 34 Jahren Pionierarbeit auch ein Stück des Herzens der Telefonseelsorge mit in den Ruhestand.
Elisabeth Tos nimmt nach 34 Jahren Pionierarbeit auch ein Stück des Herzens der Telefonseelsorge mit in den Ruhestand. ©edithhaemmerle
Elisabeth Tos blickt zurück auf 34 Jahre Pionierarbeit bei der Telefonseelsorge.

Dornbirn. Sich auf den Prozess des Lebens einlassen. Schritt für Schritt. Zuhören. Hinhören. 34 Jahre in der Telefonseelsorge haben ihr Leben geprägt. 1981 startete die soziale Einrichtung mit 24 Ehrenamtlichen. Elisabeth Tos startete mit. Die Telefonseelsorge Vorarlberg hat sich mit Sitz in Dornbirn etabliert. Als die Stelle einer hauptamtlichen Koordinatorin frei wurde, bewarb sich die junge Lauteracherin damals spontan und freute sich riesig über die neue Herausforderung. Drei Jahrzehnte ließen sie hineinwachsen und mit Menschen mitwachsen. Die Anrufe häuften sich. Die Hemmschwelle bei Lebensproblemen Hilfe von außen anzunehmen, ist mit den Jahren gesunken. War die Anlaufstelle anfangs nur in den Abendstunden besetzt, gab es bald das Angebot der Erreichbarkeit rund um die Uhr. „Speziell in der Nacht klingelte es immer öfter. Heute erfordert der Dienst am Telefon rund 85 Ehrenamtliche. Im nächsten Jahr werden es an die 100 sein. Denn ein weiterer Ausbildungslehrgang wird Ende Jahr abgeschlossen“, gibt die Seelsorgerin Einblick in den neuesten Stand.

Fürs Leben gelernt

Bevor Elisabeth Tos nach 34 Jahren Pionierarbeit in Pension geht, blickt sie noch einmal zurück. „Ich hab’ viel gelernt“, sagt sie, „für’s Leben.“ Menschen durch eine Krise zu tragen oder einfach nur mal Ansprechpartnerin zu sein, wenn sich jemand allein fühlt, lässt einen selbst in einer Krise schneller Hilfe von außen zu holen. Dabei denkt sie an den frühen Tod ihrer Mutter. „Wenn die Trauer das Leben verdunkelt, könne gerade ein Außenstehender die richtigen Worte finden. Es sei wichtig die Trauer zuzulassen. „Es muss nicht immer der Tod sein, es kann auch eine Beziehung sterben.“ Man soll schmerzliche Dinge betrauern, aber dabei nicht hängenbleiben, um sich nicht selbst die Chance auf Neues zu verbauen, gibt sie zu bedenken. Zudem sei die Anonymität der Telefonseelsorge ein großes Plus. Oft suchen die Menschen gerade das. Einmal ihre Nöte und Sorgen jemandem anvertrauen zu können, bei dem die Verschwiegenheit verpflichtend ist. Man lerne täglich dazu und könne sich besser in die Lebenswelten anderer hineinfühlen, spricht Tos aus Erfahrung.

„Wenn sich ein Mensch durch eine schwere Depression niedergedrückt, zeitweise wie gelähmt fühlt und deshalb nicht mehr in der Lage ist, die einfachsten täglichen Arbeiten zu verrichten, dann ist ihm mit ,reiß dich doch ein bisschen zusammen’, nicht geholfen“, nennt sie ein Beispiel aus dem Alltag. „Mit dem Phänomen Depression, das jeden einmal treffen kann, lernen die Ehrenamtlichen in der Ausbildung umzugehen. Sie selbst hat jeden Ausbildungslehrgang mitbegleitet. Man wächst mit der Zeit in den Dienst hinein“, sagt sie, „und die Freude entschädigt immer, wenn von einem  Betroffenen, den wir durch eine schwere Zeit durchgetragen haben, ein nettes Feedback kommt. Speziell um die Weihnachtszeit oder an Silvester häufen sich die ,Danksagungen’ in Form einer lieben Karte oder Briefes, über die wir uns alle sehr freuen“, erzählt sie mit einem Lächeln. Oder wenn sich mitten in der Nacht ein Anrufer meldet, den der Kummer nicht schlafen lässt: „Es ist so gut, dass es euch gibt“, motiviere den, der gerade Nachtdienst macht, resümiert Tos.

Freundschaften entstanden

Auch die Zusammenarbeit mit den ehrenamtlichen Kollegen, die aus unterschiedlichen Berufssparten kommen, war für sie spannend und sehr interessant. Es habe auch viele private Gespräche gegeben. Daraus sind Freundschaften entstanden. Das alles lässt sie in ihrem 60sten Lebensjahr eine erfreuliche Bilanz ziehen. Heute sieht die angehende Seniorin ihr Leben als Herausforderung, als Lernprozess. „Freud und Leid geben einander die Hand und wechseln wie die Jahreszeiten“, nimmt sie nun ihr eigenes mit mehr Gelassenheit hin. Ebenso gespannt blickt sie ihrem ruhigen Lebensabschnitt entgegen. Mit dem Sprichwort: „Fange nie an aufzuhören, höre nie auf anzufangen“, lässt sie vorerst alles auf sich zukommen. „Die Tage werden sinnvoll genützt. Langeweile wird bestimmt nicht aufkommen“, lacht sie, „dazu werden ihr Mann und ihre Tochter das Nötige beitragen“, fügt sie an. Und mit den vielen interessanten Menschen, mit denen sie den Dienst bei der Telefonseelsorge geteilt hat, wird sie sicher den einen oder anderen Kontakt pflegen, meint die scheidende Seelsorgerin.

 

Zur Person:
Elisabeth Tos
Geb. 26. 9. 1955 in Bregenz
Wohnort: Lauterach
Familie: verheiratet, eine Tochter
Beruf: Freiwilligenkoordinatorin
Hobbys: Wandern, Lesen, Garten, Qui Gong, Tanzen
Lebensmotto: „Mach’ einen Schritt nach dem anderen“

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