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Hohenemser Literaturpreis an Que Du Luu verliehen

Que Du Luu (2.v.l.) mit den Jurymitgliedern Doron Rabinovici, Vladimir Vertlib und Anna Mitgutsch (v.l.)
Que Du Luu (2.v.l.) mit den Jurymitgliedern Doron Rabinovici, Vladimir Vertlib und Anna Mitgutsch (v.l.) ©TF
Hohenems. Am vergangenen Samstag wurde im Salomon-Sulzer-Saal der mit 10.000 Euro dotierte Hohenemser Literaturpreis an Que Du Luu für ihren Siegertext „Das Fest des ersten Morgens“ vergeben.
Verleihung des4. „Hohenemser Literaturpreis für deutschsprachige AutorInnen nichtdeutscher Muttersprache“

Die Autorin, 1973 als Kind chinesischer Einwanderer in Vietnam geboren, war mit vier Jahren nach Deutschland gekommen. Sie hatte sich bereits mit ihrem 2006 erschienenen Debütroman „Totalschaden“ in der Literaturszene einen Namen gemacht. Mit dem Siegertext hatte sie auch die hochkarätige Jury des „Hohenemser Literaturpreis für deutschsprachige AutorInnen nichtdeutscher Muttersprache“ , bestehend aus den Autor(inn)en Anna Mitgutsch, Doron Rabinovici, Vladimir Vertlib und Sudabeh Mohafez überzeugt.

Der Text erzähle in „hochpoetischer Sprache eine Geschichte von Brüchen. Que Du Luu schildert mit bitterer Ironie den Sturz aus einer Welt und das Einfinden in der Entwurzelung“, heißt es in der Begründung. Die Erzählung kreist um eine vietnamesische Flüchtlingsfamilie in Deutschland, für die das einst gefeierte Neujahrsfest untrennbar mit den Massakern der Tet-Offensive 1968 verbunden bleibt.

Höhepunkt der Preisverleihung war die erstmalige Lesung des Siegertextes durch Que Du Luu selbst. Die Geschichte einer der Tet-Offensive entkommenen vietnamesischen Flüchtlingsfamilie beeindruckte die Zuhörer nicht nur ob der stilistischen Perfektion, sondern auch, weil sie in ihrer Behandlung des Vietnamkrieges – dessen Ende sich zum 40. Mal jährt – ein ganz besonderes „Verweilen beim Grauen“ ermöglicht, wie Jurymitglied Sudabeh Mohafez in ihrer, von Kollegin Anna Mitgutsch vorgetragenen, Laudatio vermerkte.

Zuvor hatte Bgm. Richard Amann den Wettbewerb als Kulturprojekt gelobt, das – in Anlehnung an die Handelsbeziehungen der Herren von Ems – die kleine, wenn auch kulturgeschichtlich „aufgeladene“ Stadt mit der Welt verknüpfen und den Blick weiten soll. LR Bernadette Mennel verwies auf den besonderen Stellenwert, den der Preis in der lebendigen Literaturszene Vorarlbergs einnehme. Den Abend moderierte Eva Häfele, die Harfenistin Julia Scheier begleitete die Preisverleihung musikalisch.

Die Rede zur diesjährigen Literaturpreis-Verleihung „Über Fremd- und Eigensprachen, Dialekte, Muttersprachen und andere Uneindeutigkeiten“  hielt der Autor und Juror Vladimir Vertlib.

Er wies auf die Bedeutung und die besondere Wichtigkeit dieses Preises gerade in Österreich, in Hohenems, und gerade in unserer Zeit hin: „In einem Land, dessen Bevölkerung in zunehmendem Maße Fremde als Bedrohung ansieht und eine Partei mit rechtspopulistischen und rassistischen Slogans einen Wahlerfolg nach dem anderen feiert, eine Abschottungspolitik befürwortet und nostalgisch eine Einheitskultur- und identität beschwört, die es nie gegeben hat, lohnt es sich, auf die Mehrfachidentitäten von uns allen hinzuweisen, mögen diese nun sprachlich, kulturell, familiengeschichtlich oder ganz anders bedingt sein.

Vertlib fand es durchaus stimmig, dass dieser Preis gerade in Hohenems vergeben wird: „Und zwar nicht nur aufgrund der besonderen Geschichte dieses Ortes, der einst eine wichtige jüdische Gemeinde beherbergte, oder der Tatsache, dass es hier so viele Zuwanderer gibt, sondern weil viele Menschen in dieser Region in Wirklichkeit zweisprachig sind. deren Muttersprache eben nicht Deutsch (Hochdeutsch nämlich), sondern ein Dialekt ist, der sich in einigen lokalen Varianten, die in diesem Bundesland gesprochen werden, von der Hochsprache so stark unterscheidet wie zum Beispiel das längst offiziell als Sprache anerkannte Ukrainische vom Russischen, das Letzebuergesche vom Deutschen oder das Dänische vom Norwegischen.“

Die mit dem 4. Hohenemser Literaturpreis ausgezeichnete

Que Du Luu ist eine deutsche Schriftstellerin chinesischer Abstammung, die 1973 in Cholon (dem Chinatown Saigons)/Vietnam geboren wurde. Ihre Muttersprache ist Kantonesisch.

Nach Ende des Vietnamkrieges floh ihre Familie auf einem kleinen Fischerboot. Es folgte ein einjähriger Aufenthalt in einem thailändischen Flüchtlingslager. Schließlich kam die Familie auf Umwegen nach Deutschland, wo Luu im westfälischen Herford auf wuchs. Seit 1993 lebt sie in Bielefeld. Sie studierte Germanistik und Philosophie. Davor und während dessen jobbte sie unter anderem in der Pflege, Altenpflege, Gastronomie, als Nachtwache in der Psychiatrie.

2006 erschien ihr Debüt-Roman “Totalschaden” bei Reclam (als Taschenbuchausgabe 2008 bei dtv). 2011 erschien ihr zweiter Roman “Vielleicht will ich alles” bei Kiepenheuer & Witsch. Darüber hinaus veröffentlichte sie Kurzkrimis und Erzählungen in Anthologien. Voraussichtlich Frühjahr 2016 erscheint ihr dritter Roman “Im Jahr des Affen” (Arbeitstitel) bei Königskinder.

Que Du Luu erhielt 2007 den Adelbert-von-Chamisso-Förderpreis, 2009 den Förderpreis des Landes Nordrhein-Westfalen für junge Künstler und Künstlerinnen in der Sparte Dichtung/Schriftstellerei. 2009 ein Arbeitsstipendium der Robert-Bosch-Stiftung, 2010 den Förderpreis der Gesellschaft für westfälische Kulturarbeit (GWK) und schließlich am vergangenen Samstag den Hohenemser Literaturpreis 2015.

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