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SPÖ legt Silberstein-Vertrag offen, Pilz fordert U-Ausschuss zur Affäre

Peter Pilz will einen Untersuchungsausschuss zur Causa Silberstein.
Peter Pilz will einen Untersuchungsausschuss zur Causa Silberstein. ©APA/GEORG HOCHMUTH
Die SPÖ hat Donnerstag den Vertrag mit ihrem Ex-Berater Tal Silberstein und einen Bericht des Wirtschaftsprüfers der Partei dazu vorgelegt. Demnach hat die Partei Silberstein bzw. seiner Agentur 536.000 Euro bezahlt. Auch die SPÖ Niederösterreich wurde von Silberstein beraten. Die Causa könnte auch in einen U-Ausschuss münden: Peter Pilz ist dafür, die Silberstein-Affäre nach der Wahl in einem parlamentarischen Untersuchungsausschuss zu durchleuchten.

Wie SPÖ-Bundesgeschäftsführer Christoph Matznetter betonte, sei die verdeckte Facebook-Kampagne kein Gegenstand der Verträge mit Silberstein gewesen. 131.250 Euro will man zurückfordern. “Wir wollen diese Art von Dirty Campaigning, verdeckten Aktionen und sonstigen Dingen im Wahlkampf nicht”, betonte Matznetter in einer Pressekonferenz. Vertragsgegenstand mit Silberstein sei allerdings (neben Übersetzungsleistungen, Datenanalyse und einer Beratung der SP-Niederösterreich vor ihrem Parteitag) auch nur “normale Agenturtätigkeit” gewesen und nicht die verdeckten Facebook-Kampagnen: “Weder der Vertrag noch in den Rechnungen oder Zahlungen gibt es einen Hinweis darauf.”

Auch Vertrag mit Silbersteins Agentur offengelegt

Offengelegt wurde von der SPÖ auch der Vertrag mit Silbersteins Agentur GCS. Angeboten werden darin u.a. Umfragen, strategische Planung, Trainings, “War-Room”-Management, Medienbeobachtung, Vorbereitung auf TV-Debatten sowie Krisenmanagement. Ursprünglich sollte Silberstein demnach von Oktober 2016 bis Ende September 2017 für die SPÖ arbeiten. Erst nachdem die vorgezogene Neuwahl ausgerufen wurde, wurde der Vertrag laut Matznetter bis Ende Oktober verlängert.

Der Wirtschaftsprüfer, der für den Rechnungshof auch den jährlichen Rechenschaftsbericht der SPÖ prüft, wurde von der Partei beauftragt, alle 2017 getätigten Zahlungen an Silberstein bzw. dessen GCS aufzulisten. Demnach hat die Partei von Jänner bis Juli 2017 536.000 Euro an die Agentur bezahlt, an der auch der die Berater Stanley Greenberg, James Carville und Bob Shrum beteiligt sind.

Agentur nahm mit Oktober 2016 Arbeit für SPÖ auf

Gemäß der mit 1. Jänner datierten Vereinbarung nahm die GCS bereits mit Oktober 2016 ihre Arbeit für die SPÖ auf. Der erste Vertrag lief bis Ende September 2017 und sollte laut SPÖ danach bis zur Nationalratswahl im September 2018 verlängert werden, heißt es in der SP-Zentrale. Nachdem die Wahl auf 15. Oktober vorverlegt worden sei, habe man nur noch den Oktober angehängt. Mit Silbersteins vorübergehender Festnahme am 14. August 2017 wurde die Vereinbarung dann gekündigt. Somit will die SPÖ nun aus ihrer Sicht zu viel bezahlte Honorare (131.250 Euro) zurückfordern.

Aufbau einer Wahlkampagne als Vertragsgegenstand

Vertragsgegenstand ist der Aufbau einer Wahlkampagne: Meinungsumfragen, strategische Planung, Training der Mitarbeiter, Aufbau eines “War-Rooms”, Feindbeobachtung (“opposition research”), Medienbeobachtung, Vorbereitung auf TV-Debatten, Feldarbeit, kreative Planung und Krisenmanagement. In der ersten (nicht unterschriebenen) Vereinbarung vom 1. Jänner 2017 wurde ein Honorar von 15.000 Euro monatlich vereinbart, das mit einem (unterschriebenen) Zusatz vom 28. Februar verdoppelt wurde. Begründung: Hoher Arbeitsaufwand.

88.500 Euro für “Datenanalytik”

Dazu kamen laut SPÖ noch 88.500 Euro für “Datenanalytik” und 17.500 Euro für Übersetzungsleistungen, weil Silberstein kein Deutsch spricht. Pikanterie am Rande: Die Übersetzerin gilt als eine der möglichen Quellen für die nun an die Öffentlichkeit gelangten Unterlagen. Weitere 40.000 Euro entfallen auf Beratungstätigkeiten der GCS für die SPÖ Niederösterreich. Wobei die SPÖ auch bei diesen Zusatz-Honoraren den auf die zweite August-Hälfte entfallenden Anteil zurückfordern möchte. Außerdem will die Bundes-SPÖ den Niederösterreichern den auf sie entfallenden Betrag weiterverrechnen. Interessant dabei: Noch am Mittwoch hatte die niederösterreichische SPÖ betont, seit 2013 nicht mehr mit Silberstein zusammengearbeitet zu haben.

Facebook-Kampagnen nicht im Vertrag enthalten

Kein dezidierter Vertragsgegenstand sind die kürzlich bekannt gewordenen verdeckten Facebook-Kampagnen, die Silberstein gemeinsam mit seinem österreichischen Partner Peter Puller abwickelte. Das Thema Social Media kommt in der Vereinbarung nicht vor. Allerdings war ein zumindest ein Mitarbeiter der SP-Zentrale in die Aktivitäten eingebunden. Silberstein selbst behauptet, die Facebook-Seiten hätten dazu gedient, Daten über Zielgruppen zu sammeln.

Mögliche rechtliche Schritte gegen involvierte Mitarbeiter

Rechtliche Schritte behält sich die SPÖ sowohl gegen die vermuteten Urheber des “Datenleaks” vor, das die Causa öffentlich gemacht hat, als auch gegen ihren involvierten Mitarbeiter Paul Pöchhacker, sowie gegen Silberstein und dessen österreichischen Kompagnon Peter Puller. Wobei Matznetter meinte, dass man gegen Personen, die tätige Reue zeigen und zur Aufklärung beitragen würden wohl weniger scharf vorgehen werde.
Dass Kanzler Christian Kern Silbersteins Rolle kleingeredet habe, als er meinte, Silberstein habe nur Datenanalysen betrieben, wies Matznetter zurück. Kern habe eben das genannt, woran er sich erinnern konnte.

Silberstein-Vertrag umfasste auch Beratung der SPÖ NÖ

Die SPÖ NÖ hat am Donnerstag in einer Aussendung zur Offenlegung des Vertrags mit Ex-Berater Tal Silberstein der Bundes-SPÖ mitgeteilt, dass sich in Zusammenhang mit dem neuen Landesparteivorsitzenden Franz Schnabl und mit der vorverlegten Nationalratswahl “in der Arbeit Silbersteins für die SPÖ auch Überschneidungen zu Niederösterreich ergeben” haben, “die an uns weiterverrechnet wurden”. In der Offenlegung der Gesamtzahlungen der Bundes-SPÖ an Silbersteins Agentur GCS scheint unter “Beratung SPÖ NÖ” ein Betrag von 40.000 Euro auf. Die SPÖ NÖ nannte dazu in ihrer Erläuterung Beratung, Regie und Drehbuch für die Erstellung eines Vorstellungsvideos für den Ende April designierten neuen Landesparteivorsitzenden, das u.a. im Rahmen des Landesparteitages am 24. Juni präsentiert wurde. Zudem habe die SPÖ NÖ im Rahmen bundesweiter Fokusgruppen Zusatzfragen betreffend des Landesparteivorsitzenden und Spitzenkandidaten für die Landtagswahl 2018 beauftragt. Im Rahmen einer Umfrage seien niederösterreichspezifische Zusatzfragen gestellt sowie zusätzliche Personen in Niederösterreich befragt worden.

Hundsmüller hatte Silberstein als Mitarbeiter bezeichnet

“Die SPÖ NÖ hat nie einen Vertrag mit Tal Silberstein gehabt und hat auch in Zukunft nicht vor, externe strategische Berater zu engagieren”, hielt Landesgeschäftsführer Reinhard Hundsmüller fest. Am gestrigen Mittwoch hatte es noch geheißen, dass Stanley Greenberg die Partei in den Wahlkämpfen 2003 und 2008 strategisch beraten habe. “Einer von zahlreichen Mitarbeitern war damals Tal Silberstein”, hatte Hundsmüller erklärt.

Gegenüber der APA sprach Hundsmüller von einem “Zusatznutzen” und Synergieeffekt, der sich aus der – nicht von der SPÖ provozierten – Vorverlegung der NR-Wahl ergeben habe. Hätte es diesen früheren Termin nicht gegeben, “dann hätte es gar keinen Kontakt gegeben”, betonte der Landesgeschäftsführer. “Natürlich” habe die Bundespartei Interesse an NÖ als Stimmenbringer, im Zuge der für ganz Österreich in Auftrag gegebenen Fokusgruppen sei daher nebenbei Schnabl als kommender Spitzenkandidat abgefragt worden. Er selbst habe Silberstein bei einigen wenigen – vielleicht fünf – Strategiegesprächen getroffen, sagte Hundsmüller. Der von der Bundespartei beauftragte Berater habe Ezzes für das Vorstellungsvideo gegeben, nämlich die Kompetenzen Schnabls in den Bereichen Sicherheit, Wirtschaft und Soziales im Blick auf dessen Erfahrung als Polizeigeneral, Manager und Präsident des Arbeitersamariterbundes zu positionieren.

Ruf nach U-Ausschuss zur Causa

Die Liste Pilz spricht sich für einen Untersuchungsausschuss in der Causa aus. “Ich halte die Gusenbauer-Silberstein-Affäre für eine der schmutzigsten Geschichten, die mir je in einem Wahlkampf untergekommen sind”, sagte Listengründer Peter Pilz bei einer Pressekonferenz. “Diese Affäre gehört im Interesse der gesamten Politik aufgeklärt.”

“Ich bin dafür, dass wir bei der konstituierende Sitzung des Nationalrates einen Silberstein-Untersuchungsausschuss einsetzen” – sofern eine ausreichende sachliche Begründung (wie sie im Gesetz verlangt wird) gefunden wird. Eine solche könnte etwa “im Bereich der möglichen Delikte” liegen: Sollte es zu Strafverfahren kommen, sei das Parlament für die Kontrolle der gerichtlichen Aufklärung zuständig, damit hätte man auf jeden Fall einen Anknüpfungspunkt. Ein weiterer könnte es sein, falls staatliche Ressourcen (etwa Kabinettsmitarbeiter) für das Dirty Campaigning “missbraucht” worden sein sollten.

FPÖ wegen U-Ausschuss gesprächsbereit

Auch FPÖ-Generalsekretär Herbert Kickl gibt sich gesprächsbereit, nach dem Wahltag mit den anderen Fraktionen über einen U-Ausschuss zu reden. Das Dirty Campaigning von Silberstein will Kickl dort zwar nicht in den Fokus rücken – wohl aber “die Finanzierungsnetzwerke hinter den Regierungsparteien”, denn: Silberstein habe offenbar deren “Kauf als Geschäftsmodell” auch in Rumänien und Israel betrieben – “und das wäre eine Untersuchung wert”. Für Kickl ebenfalls zu hinterfragen: inwiefern Kabinettsmitarbeiter von Rot und Schwarz in die diversen Wahlkampfcausen verwickelt sind, sagte der Generalsekretär im “Standard”.

Matznetter befürwortet U-Ausschuss zur Causa

Grundsätzlich befürworten würde Matznetter einen U-Ausschuss zur Causa. “Ich bin für jede Transparenz, die möglich ist.” Ob ein U-Ausschuss hier wirklich möglich sei, müssten sich aber die Geschäftsordnungsexperten des Parlaments überlegen. Insbesondere will Matznetter von Facebook wissen, wer die fraglichen Seiten sowie eine gegen Kanzler Christian Kern (SPÖ) gerichtete Seite betrieben habe. Außerdem erwartet sich Matznetter in dieser Frage Aufklärung durch den Verfassungsschutz, bei dem man die rassistischen und fremdenfeindlichen Postings angezeigt habe.

ÖVP sieht SPÖ der Falschinformation überführt

ÖVP-Generalsekretärin Elisabeth Köstinger sieht Bundeskanzler und SPÖ-Chef Christian Kern durch die Offenlegung der SPÖ-Zahlungen an den ehemaligen SPÖ-Berater Tal Silberstein entlarvt. “Mit seinen Darstellungen über den Inhalt des Vertrags der SPÖ mit Silberstein hat Christoph Matznetter in mehreren Punkten Bundeskanzler Christian Kern und die SPÖ der Falschinformation überführt”, so Köstinger.

Kosten höher als vorher angegeben

“Sowohl was das Ausmaß der Tätigkeit als auch und die Rolle Silbersteins in der Wahlkampagne der SPÖ betrifft, haben Bundeskanzler Kern und die SPÖ der Öffentlichkeit nachweislich die Unwahrheit gesagt. Zudem sind die nun genannten Kosten für die Arbeit von Silberstein deutlich über dem, was bisher immer medial kolportiert wurde.” Auch die Darstellung des zurückgetretenen Wahlkampfleiters Georg Niedermühlbichler über die Wahlkampfkosten sei nach den Aussagen von Matznetter unwahr. “Die SPÖ hat unter Kanzler Kern jede Glaubwürdigkeit verloren.” Köstinger kritisierte darüber hinaus, dass die SPÖ noch die Antwort schuldig sei, “wer den Vertrag mit Tal Silberstein abgeschlossen hat, wer diesen Vertrag unterschrieben hat und welche zusätzliche Nebenabsprachen es gab”.

Kritik in Bezug auf Offenlegung von der FPÖ

Kritik kam auch von FPÖ-Generalskretär Herbert Kickl. Der Freiheitliche sieht die SPÖ wegen der Dirty Campaigning-Affäre nicht in einem “Tsunami”, wie es Matznetter dieser Tage formuliert hatte, sondern dem “Parteiuntergang” geweiht. “Die offenen Fragen, wer denn was wann beauftragte, bleibt Matznetter natürlich schuldig, da helfen auch seine Beschwichtigungen nicht weiter, wenn er meint, dass die SPÖ solche Schmutzkübel-Kampagnen nicht wolle. Da muss man schon feststellen, dass es passiert ist, und das sicher nicht das erste Mal, wenn man sich zum Beispiel an den Bundespräsidentenwahlkampf erinnert”, meinte Kickl.

“Eine halbe Million Euro Wahlkampfbudget wurde einfach salopp für ein paar Datenerhebungen ausgegeben und das zufällig an den Darth-Vader der Dirty Campaigning. Hier will man den Wähler für mehr als dumm verkaufen”, so Kickl. “Diese grausige Angelegenheit wirft allerdings auch die Befürchtung auf, dass noch mehrere solche Leichen im sozialdemokratischen Keller vor sich hin faulen und auf ihre Entdeckung warten.”
APA/Red.

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