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Bayern wird keine Flüchtlinge nach Österreich zurückschicken - Seehofers "Notwehr" fällt aus

Bayern wird keine Flüchtlinge zurückschicken. Horst Seehofer muss zurückstecken.
Bayern wird keine Flüchtlinge zurückschicken. Horst Seehofer muss zurückstecken. ©APA/EPA/MATTIAS BALK
Horst Seehofer blickt wild entschlossen, als er nach einer Sondersitzung seines Kabinetts am Freitag vor die Medien tritt. Auch das politische Berlin wartet gespannt, was der bayerische Ministerpräsident gleich an bayerischen "Notwehr"-Maßnahmen verkünden wird, um die Flüchtlingszahlen zu begrenzen. Doch: Konkretes hat Seehofer nicht mit dabei. Seine Minister beschließen zwar ein großes Integrations-Paket und Tausende neue Stellen in Bayern - doch irgendwelche drastischen Maßnahmen an den Grenzen bleiben aus.
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Weder werden Flüchtlinge ab sofort an der deutsch-österreichischen Grenze abgewiesen. Noch werden sie in andere Länder weitergeschickt. Seehofer spricht nur eine neue Drohung aus: eine Verfassungsklage, sollte die deutsche Regierung die Zahl der Flüchtlinge nicht begrenzen.

Bayern darf Flüchtlinge nicht zurückschicken

Fakt ist: Das meiste von dem, was Seehofer seit mehr als einer Woche so lautstark androht, kann er nicht im Alleingang machen. Von bayerischer “Notwehr”, die der bayerische Ministerpräsident zuletzt angekündigt hatte, kann also eigentlich keine Rede sein. Es ist vielmehr wie so oft: Bayern kann zwar laut brüllen – ist aber doch auf den Bund angewiesen. Das zeigt auch der Kabinettsbeschluss vom Freitag. Beispiel eins: Bayern kann nicht einfach Flüchtlinge an der deutsch-österreichischen Grenze zurückweisen. Denn für den Grenzschutz ist die deutsche Bundespolizei zuständig. Und die untersteht nicht der bayerischen Staatsregierung, sondern der Bundesregierung in Berlin.

Seehofer: “Dann tun wir das, was notwendig ist”

Merkel aber hatte zuletzt deutlich gemacht, dass man die Grenzen nicht einfach schließen könne. Bei einer CDU-Konferenz erklärte sie, es sei nicht so einfach, einen Flüchtling zurückzuschicken, der über ein sicheres Herkunftsland einreise: “Ich kann ihm ja nicht an der Grenze sagen: Du gehst zurück und kommst hier gar nicht rein.” Bayern fordert den deutschen Bund dennoch zum Handeln auf – und droht erneut: “Falls der Bund hier nicht tätig werden sollte, behält der Freistaat Bayern sich vor, anlassbezogen eigene Maßnahmen zu ergreifen”, sagt Innenminister Joachim Herrmann (CSU). Details nennen weder Herrmann noch Seehofer – Herrmann deutet aber an, man könnte Flüchtlinge drei Meter hinter der Grenze festnehmen: “Da kann sich einer vielleicht freiwillig überlegen, ob er lieber verhaftet wird oder umkehrt.” Seehofer sagt nur: “Dann tun wir das, was notwendig ist.” Und schiebt nach: “Aber gehen Sie davon aus, dass wir schon wissen, was wir tun.”

Transitzonen dürfen nicht im Alleingang errichtet werden

Beispiel zwei: Auch Transitzonen an den Grenzen, ähnlich denen auf Flughäfen, kann Bayern nicht im Alleingang einrichten. Auch dafür bräuchte Seehofer die Bundespolizei – und damit Merkels Hilfe. Das einzige, was Bayern möglicherweise machen könnte, ist: neu ankommende Flüchtlinge einfach in andere deutsche Bundesländer weiterschicken, wenn dort rechnerisch zu wenige Menschen aufgenommen werden. Das ließe sich mit Hilfe der bayerischen Landespolizei und normalen Bussen wohl bewerkstelligen. Nur: Inzwischen haben – so ist zu hören – die anderen deutschen Bundesländer bei der Flüchtlingsaufnahme aufgeholt und erfüllen größtenteils ihre Verpflichtungen. Einerseits haben die bayerischen Forderungen der vergangenen Tage und Wochen also Wirkung gezeigt – andererseits laufen die neuen Drohungen damit ins Leere.

Tausende Flüchtlinge pro Tag über die österreichische Grenze

Warum aber droht Seehofer seit mehr als einer Woche mit “Notwehr” oder “Notmaßnahmen”? Das hat wohl mehrere Gründe. Zum einen sagen die bayerischen Landräte, sie seien tatsächlich am Ende ihrer Kräfte und ihrer Aufnahmekapazitäten. Zum anderen kommen nach wie vor Tausende Flüchtlinge pro Tag über die österreichische Grenze nach Deutschland, ohne dass sie von den Behörden in Österreich aufgehalten würden. Im Gegenteil: Mit Bussen werden die Flüchtlinge in Österreich bis kurz vor die Grenze gebracht. Der Freistaat Bayern will also auch ein unmissverständliches Zeichen an Österreich senden: dass es so nicht mehr länger weitergehen könne.

Seehofer will Druck auf Merkel erhöhen

Vor allem aber reiht sich Seehofers “Notwehr”-Drohung ein in seinen schon mehrwöchigen Versuch, den Druck auf Merkel derart zu erhöhen, dass diese doch noch einen Kursschwenk in der Flüchtlingspolitik vollzieht. “Er dreht die Daumenschrauben immer enger”, sagt ein CSU-Vorstand. So dürfte kein Zufall sein, dass der CSU-Chef Merkels Gastauftritt bei “Anne Will” ein langes “Bild”-Interview folgen ließ. “Einfach sagen: Wir haben Völkerwanderung und kriegen das hin – das wird nicht gelingen”, teilte Seehofer dort gegen Merkel aus. Und auch am Freitag legt er nach: Einfach zu sagen, 3.000 Kilometer Grenze könne man nicht kontrollieren, sei eine Kapitulation: “Kapitulation gehört nicht zum Instrumentenkasten der bayerischen Staatsregierung.”

CSU und Seehofer gewinnen an Popularität in Deutschland

Durch Umfragen, in denen Merkel an Zustimmung verliert und er selbst zulegt, dürfte Seehofer sich noch zusätzlich angespornt fühlen. “Seehofer ist der geheime Anführer eines immer breiteren Lagers in der Union”, sagt einer aus der CSU-Spitze. “Und das gefällt ihm.” So stärke er seine Popularität – und seine eigene Position in der CSU. Schwieriger wäre es für Seehofer allenfalls geworden, wenn Merkel am Freitag den Friedensnobelpreis zuerkannt bekommen hätte. Von seiner Position aber wäre er auch dann nicht abgerückt. Und auch wenn die “Notwehr”-Drohungen nun keine unmittelbaren Folgen haben: Seehofer ist sich sicher, dass er am Ende – anders als Merkel – Recht behalten wird und es irgendwann zu einer Begrenzung der Zuwanderung kommt.

 

(APA/SALZBURG24)

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