“Do you wanna get high with us?”, tönt die 29-jährige Britin mit der gewaltigen Stimme und der kupfernen Mähne eingangs.
Und wie die Fans das wollten. Kein Wunder, denn der Erfolg spricht für sich: Führte ihr gefeiertes Debüt “Lungs” sie 2009 hierzulande noch ins Flex und in die Arena, ist beim “Ceremonials”-Nachfolger und dritten Album “How Big, How Blue, How Beautiful” bereits die restlos ausverkaufte Stadthalle drin. Und die bebt geradezu, hat man das Wiener Publikum doch selten zuvor derart klatsch- und mitsing-wütig erlebt.
Florence Welch ließ die Stadthalle springen
Geschuldet ist das dem enormen Energie-Ausstoß der hochgewachsenen Sängerin, die viel mit ihrem Publikum interagiert und vom Songwriting nach durchzechten Nächten erzählt. Florence Welch läuft – nein: springt! – elfengleich und barfuß von der einen Seite der Bühne zur anderen, verliert dabei weder den Atem noch die bis in die höheren Lagen kräftige Stimme.
Mittendrin setzt sie zur Umdrehung an, wirbelt in ihrem semitransparenten, rosa Rüschenkleid herum und öffnet die Arme, als wolle sie die Energie aus Publikum und Band förmlich herauskitzeln. Lässt sie dabei dann doch mal eine Textzeile aus, springen die zwei fantastischen Backgroundsängerinnen ein.
Florence + The Machine mit Harfe und Bläsern
Auch eine Harfe, Bläser und zusätzliche Trommeln finden sich neben der Rockband auf der schlichten Bühne, deren hintere Wand wie eine ausgerollte, riesige Discokugel anmutet, die das Licht von der Bühne reflektiert. Das stimmige Set ist von Dynamikwechseln geprägt, von kurzen Momenten des Innehaltens. Immer wieder ziehen Florence + The Machine gewaltige Klangwände auf, um Songs dann stellenweise nur auf ein einzelnes Instrument und Welchs mal zärtlich-spröde, dann fast flehende Stimme hinunterzubrechen.
Das funktioniert etwa bei “Cosmic Love” – nur mit Harfe und Gitarre – ausgesprochen gut, und ist bei “Shake It Out” geradezu magisch: Zum Zupfen der Harfe erhebt Welch ihre Stimme, setzen erst Keyboard und dann Drumbeats ein, und wird das Publikum schließlich zum Chor. “So laut habe ich das noch nie gehört”, dankt Welch ihren Fans sichtlich überwältigt.
“Wir sind alle verbunden”
Die Fans liegen Welch zu Füßen, und stören sich kein bisschen an dem Überhang an Friedensbotschaften mit Flower-Power-Touch. “Wir sind alle über unsere Telefone hinaus miteinander verbunden”, raunt Welch, als sie das Publikum zu “Third Eye” bittet, “nur für diesen einen Song” die Handys wegzustecken und den Moment “nur mit euren Augen, euren Ohren und miteinander” festzuhalten.
Wenn die Britin dann zu “Rabbit Heart” von der Bühne steigt, sich am Absperrgitter in die Menge lehnt und von Fans einen Blumenkranz nach dem anderen gereicht bekommt, weckt das Assoziationen an vergötterte Sektenführer mit glückseligen Jüngern.
Florence Welch erfreut sich sichtlich an den “schönen Mädchen, die mir Blumen schenken”, und gibt ihnen sogleich den atmosphärischen, zarten Song “How Big, How Blue, How Beautiful” als “euren blauen Himmel” zurück. Vorrangig “blue” habe sie sich vor der Aufnahme des gleichnamigen, 2015 erschienenen Albums gefühlt, der Song aber habe sie realisieren lassen: “Alles ist so schön”, erzählt sie. Live entfaltet der Song dank Bläser-Einsatz ungemeine Energie, die Welch zu einer Art Wiedergeburts-Tanz hinreißen.
“Losgelöstes” Wien
Das kämpferische und auch sehr künstlerische Album, mit dem Welch manch dunkle Zeiten und Laster hinter sich lässt, dominiert den energiegeladenen Abend. Den sehr persönlichen, kraftvollen Album-Opener “Ship To Wreck” stellt sie an den Anfang, das gitarrenlastige “What Kind Of Man” eher ans Ende. Die großen Knaller aber, die kommen vor der Zugabe: Zu Hits wie “Spectrum” und “You’ve Got The Love” wird sich im Saal endgültig verausgabt, und zu “Dog Days Are Over” liegen sich schließlich alle in den Armen: Einander umarmen, küssen und berühren sollen sich die Anwesenden, und dann ein Kleidungsstück ausziehen und über dem Kopf schwingen, fordert Welch: “Für die Liebe, für den Frieden.” Zumindest für diese 100 Minuten stimmt es, wenn die Sängerin sagt: “Wien, du bist nun losgelöst.”
Auf jeden Fall. Um eine baldige Wiederholung wird trotzdem dringend gebeten.
(APA/Red)
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