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Filmemacher und Künstler Harun Farocki gestorben

Der Künstler starb mit 70 Jahren
Der Künstler starb mit 70 Jahren
Harun Farocki ist tot. Der im heutigen Tschechien geborene Filmemacher, Autor und Künstler starb am Mittwoch im Alter von 70 Jahren in Berlin, wie seine Familie mitteilte. Weitere Angaben wurden nicht gemacht. Mit einem sich über mehr als 40 Jahre streckenden, rund 100 Produktionen für Fernsehen und Kino umfassenden Oeuvre, zählte Farocki zu den bedeutendsten Experimental- und Dokumentarfilmern.


“Harun Farocki ist der unbekannteste weltbekannte deutsche Filmemacher”, schrieb die “taz” zum 70. Geburtstag des Künstlers Anfang des Jahres. Geboren am 9. Jänner 1944 im damaligen Sudetenland, dem heute tschechischen Novy Jicin, studierte Farocki von 1966 bis 1968 an der Deutschen Film- und Fernsehakademie (DFFB) in Westberlin. Früh produzierte er bereits Dokumentar- und Essayfilme über das Leben in der Bundesrepublik Deutschland, über Krieg und Revolution und über Bilder, die davon in den Medien erschienen.

Neben Agitationsfilmen wie “Nicht löschbares Feuer” (1969) gegen den Vietnamkrieg und großen Essayfilmen wie “Leben – BRD” (1990) entstanden Filmerzählungen (“Zwischen zwei Kriegen”, 1978), Porträtfilme (“Georg K. Glaser”, 1988) und Arbeiten im Stil des Direct Cinema (“Die Schöpfer der Einkaufswelten”, 2001). Parallel arbeitete Farocki als Redakteur der Münchner Zeitschrift “Filmkritik” (1974-1984), war Lehrender an der University of California in Berkeley (1993-1996) sowie an der Akademie der Bildenden Künste Wien (2004-2011) und gestaltete Überlegungen zur Filmgeschichte wie “Arbeiter verlassen die Fabrik” (1995).

Farockis Karriere ist auch eng mit jener des deutschen Regisseurs Christian Petzolds (“Barbara”) verwoben. Mit und für ihn schrieb Farocki zahlreiche Drehbücher, darunter “Die innere Sicherheit” (2000) und “Gespenster” (2005). Die letzte Zusammenarbeit der beiden, “Phoenix”, dreht sich um eine Auschwitz-Überlebende in der unmittelbaren deutschen Nachkriegszeit (gespielt von Nina Hoss) und soll im September in die deutschen Kinos kommen.

Seit den 1990er-Jahren war Farocki auch mit dokumentarischen Videoinstallationen in zahlreichen Einzel- und Gruppenausstellungen in Museen und Galerien vertreten. Mit seiner Medieninstallation “Deep Play”, einer Anatomie des Fußball-WM-Finales von 2006 auf zwölf Monitoren, nahm er 2007 an der documenta 12 teil. Zuletzt war Farockis vierteilige, in einem Trainingscenter für die US-Army gedrehten Werkreihe “Ernste Spiele” im Hamburger Bahnhof zu sehen.

“Die Kunstwelt verliert mit Farocki einen Protagonisten, dem es in unverwechselbarer Weise gelang, über enge disziplinäre Grenzen hinweg Kunst zu produzieren und dabei stets politische Haltung zu zeigen”, hieß es in einer Reaktion der Akademie der Bildenden Künste Wien, an der Farocki ab 2004 Gastprofessor und von 2006 bis 2011 ordentlicher Professor war. Als “deutschsprachiges Pendant zu Jean-Luc Godard”, der in seinen Arbeiten nicht allein einer “Reflexion der Wirklichkeit” vertraue, sondern stets auf die Suche nach der “Wirklichkeit dieser Reflexion” gehe, ehrte ihn einst das Österreichische Filmmuseum. Im Rahmen einer umfassenden Retrospektive 2006 erstellte Farocki auch eine Carte blanche mit seiner zweiten Ehefrau Antje Ehmann, mit der er seit 2001 Projekte entwickelte.

Im März wird die abschließende Ausstellung des gemeinsamen Langzeitprojekts “Eine Einstellung zur Arbeit” von Farocki und Ehmann im Haus der Kulturen der Welt in Berlin zu sehen sein. “Dass es ein ‘in Memoriam’ sein wird, schmerzt”, so Intendant Bernd M. Scherer, dessen Haus “viele Pläne für die Zukunft” mit Farocki gehabt habe, in einem Statement. “Er war einer jener Künstler, die das Denken und den Blick der Menschen verändern. (…) Sein kluger Blick auf die Gegenwart wird uns sehr fehlen.”

Farocki lebte seit 1962 in Berlin und hinterlässt zwei Töchter. Laut dem “Monopol”-Magazin, das als erstes Medium von Farockis Tod berichtete, habe er bis zuletzt gearbeitet. Im Laufe seiner Karriere erhielt er einige Preise, darunter den Adolf-Grimme-Preis für seine Studie “Die Umschulung” über die deutsche Einheit und den ARTE-Dokumentarpreis für die österreichische Koproduktion “Zum Vergleich”.

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