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Fälscher-Prozess: Sechs Urteile werden Dienstag verkündet

Die angeklagte Richterin Ratz fordert einen Freispruch.
Die angeklagte Richterin Ratz fordert einen Freispruch. ©VOL.AT/Schmidt
Dornbirn, Salzburg - Nach 21 Verhandlungstagen und vier Schuldsprüchen im aufsehenerregenden Prozess um Testamentsfälschungen beim Bezirksgericht Dornbirn werden kommenden Dienstag am Landesgericht Salzburg die restlichen sechs Urteile gesprochen.
Alles rund um die Testamentsaffäre
Bilder: Angeklagte vor Gericht
Hintergrund: Kornelia Ratz

Auf der Anklagebank sitzen fünf damalige Mitarbeiter der Justiz und eine Privatperson. Laut Staatsanwaltschaft wurden von 2001 bis 2008 in 18 Verlassenschaftsverfahren 16 Testamente und zwei Schenkungsverträge manipuliert. Die Täter wollten offenbar sich und Angehörige bereichern. Mehr als 80 Erben wurden geprellt. Der inkriminierte Gesamtschaden beträgt zehn Millionen Euro.

War Jürgen H. alleiniger Drahtzieher?

Die Entscheidung des Schöffensenates unter Vorsitz von Richter Andreas Posch wird mit Spannung erwartet. Wird das Gericht der – von Verteidigern aufgeworfenen – Einzeltäter-Theorie folgen und in dem geständigen suspendierten Geschäftsstellenleiter des BG Dornbirn, Jürgen H. (48), den Drahtzieher des riesigen Justizskandals sehen, der das Vertrauen seiner Kollegen und Angehörigen missbraucht hat? Oder hätte er ohne Hilfe von anderen Gerichtsbediensteten die Testamente gar nicht fälschen können, wie sein Verteidiger Klaus Grubhofer im Prozess mehrmals betont hatte. Auch der Feldkircher Staatsanwalt Manfred Bolter ist überzeugt: “Das war keine One-Man-Show. Der hatte ein Team zur Verfügung.”

Mit dem Satz “die Laus sitzt im eigenen Pelz”, wies Bolter schon in seinem Anklagevortrag darauf hin, dass die Täter in den Reihen der Justiz zu finden seien. Ins selbe Horn stieß der zweite Staatsanwalt in dem Verfahren, Andreas Pechatschek aus Steyr: Er habe das “sehr positive Bild” der österreichischen Justiz, das er vorher gehabt habe, “zu Grabe tragen” müssen.

Jürgen H. und Peter H. müssen mit Verurteilung rechnen

Sowohl der Hauptbeschuldigte Jürgen H. als auch sein gleichaltriger Freund Peter H. müssen mit einer Verurteilung rechnen, weil sie geständig sind. Er hatte sich mehrmals als Scheinerbe zur Verfügung gestellt und aus Fälschungen abgeschöpfte Gelder in der Höhe von 1,3 Millionen Euro verwaltet. Die zwei Angeklagten entschuldigten sich bei allen Geschädigten. Jürgen H. sagte, er habe niemanden denunziert und es habe ihm wehgetan, auch ehemalige Kollegen zu belasten.

Richterin Ratz fordert Freispruch

Die Kollegen des Hauptbeschuldigten beteuerten jedoch vehement ihre Unschuld. Es handelt sich um die beiden Rechtspfleger Clemens M. (52) und Walter M. (72) sowie um den ehemaligen Kanzleileiter der Außerstreitabteilung am BG Dornbirn, Kurt T. (49). Bemerkenswert: Clemens M. hatte im Ermittlungsverfahren ein Teilgeständnis widerrufen. Einen Freispruch forderte auch die derzeit suspendierte Vizepräsidentin des Landesgerichtes Feldkirch, Kornelia Ratz (48). Sie soll ein gefälschtes Testament zugunsten ihrer Mutter und Tante “bestellt” haben. Ihr Verteidiger Bertram Grass sprach von einer Medienhetze, Ratz sei unschuldig.

In dem Prozess wurde Unglaubliches zutage gebracht: 510 Testamente sind im Urkundenarchiv des BG Dornbirn bis heute unauffindbar. 758 schriftliche Gerichtsunterlagen entdeckten die Ermittler zu Hause bei Jürgen H. in einer Sporttasche. Während des Tatzeitraumes trafen sich Gerichtsmitarbeiter schon untertags im “Sozialraum” zu täglichen Trinkgelagen, sogenannten “Hocks”, wo viel Alkohol geflossen war. Offenbar wurde über Jahrzehnte das “Winkeln” bei Gericht (illegale Durchführung von Rechtsgeschäften, Anm.) toleriert. Eine vierteljährliche Revision soll gar nicht durchgeführt worden sein.

Den sechs Angeklagten wird – in unterschiedlichen Verantwortungen – Amtsmissbrauch, Urkundenunterdrückung, Fälschung von besonders geschützten Urkunden unter Ausnützung einer Amtsstellung und auch schwerer, gewerbsmäßiger Betrug vorgeworfen. Vier geständige Angehörige des Hauptangeklagten, die vorwiegend in die Rolle von Scheinerben geschlüpft waren und sich auch geständig zeigten, wurden im Laufe des Prozesses bereits schuldig gesprochen. Die Urteile gegen drei Personen sind bereits rechtskräftig.

(APA)

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