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Experten gegenüber geplanter Wohn- und Mietenpolitik der Regierung skeptisch

Experten sind von der geplanten Wohnreform nicht überzeugt.
Experten sind von der geplanten Wohnreform nicht überzeugt. ©pixabay.com (Sujet)
Die neue Bundesregierung will das Wohnrecht modernisieren. Experten, die in diesem Thema daheim sind, zeigen sich angesichts der Pläne jedoch skeptisch.
Wien gegen Wohnpolitik gewappnet
Regierungsprogramm: Wohnen & Mietrecht

Eher gedämpfte Erwartungen an die Wohn- und Mietenpolitik der neuen Bundesregierung haben Experten, die in diesem Thema daheim sind. Das zeigte sich bei einem Wohnsymposium, bei dem Forderungen nach “leistbarem Wohnen”, einer Mobilisierung von Bauland und der Bewahrung des gemeinnützigen Wohnbausektors erhoben wurden. Zu den politisch geplanten Reformen gaben sich auch Ministerielle noch zurückhaltend.

Gedämpfte Erwartungen an Wohnreform der neuen Regierung

Die neue türkis-blaue Regierung will ja laut ihrem Plan von Dezember das Wohnrecht modernisieren. Das Wohnungsangebot solle erhöht und Wohnraum wieder vermehrt im Eigentum übernommen werden können. Das Mietrecht solle vereinfacht werden, unter Erhalt der Schutzwirkungen des Mietrechtsgesetzes (MRG). Eine grundlegende Reform solle ein “verständliches, anwenderfreundliches, gerechtes und transparentes Mietrecht” bringen, das ausgewogen die berechtigten Interessen von Mietern und Vermietern widerspiegle. Anreize für Neubau, Sanierungen, Investitionen in die Ausstattung von Wohnraum sowie die Wiedervermietung leer stehender Wohnungen sollen zu mehr Angebot beitragen, womit Wohnen langfristig leistbar bleibe.

Nicht bei allem könne man sich einen sinnvollen Reim machen – Regierungsprogramme müssten wohl immer im Allgemeinen bleiben, so Johannes Stabentheiner, oberster Mietrechtler im Justizministerium, bei dem Symposium von “wohnen plus”. Doch sei ein gewisser Paradigmenwechsel erkennbar, wenn das Verhältnis Vermieter-Mieter künftig gleichberechtigt und nicht als schiefe Ebene gesehen werde. Noch vor einer großen Mietrechtsreform – nach einer Parlamentsenquete und einem Konvent – wolle die Politik offenbar bestimmte kurzfristige Maßnahmen setzen, etwa zur Dauer von Mietverträgen oder zur Miethöhe.

Forderungen nach “leistbarem Wohnen” und Bauland-Mobilisierung

Fördern wolle man längerfristige Mietverträge, so Stabentheiner, Abteilungsleiter für Mietrecht und Wohnungseigentum. Zwar wolle man natürlich weiter Befristungen zulassen, aber verhindern, dass sich die Laufzeiten nur noch bei der gesetzlichen Mindestdauer von drei Jahren bei Wohnungen oder bei Geschäftslokalen bei nur einem Jahr einpendeln. Eventuell sei im Regierungsprogramm auch angesprochen, dass man vielleicht wieder gestaffelte Mieten-Abschläge für Befristungen vorsieht, wie sie vor dem Jahr 2000 bestanden haben. Das werde aber wohl nur bei den gesetzlich geregelten Mieten möglich sein. Andererseits könnten auch kurzfristigere Mietverträge als derzeit erlaubt werden. “Glaskar” sei – zum Unterschied von anderen Punkten – die Ansage, dass das Verbot des Lagezuschlags in Gründerzeitvierteln – das von Vermietern erfolglos bis zu den Höchstgerichten bekämpft wurde – “durch einen gesetzgeberischen Akt in den Orkus” geschickt werden könnte.

Der Leiter der Mieterhilfe des Wohnservice Wien, Christian Bartok, berichtete von einer stark gestiegenen Zahl von bei den Schlichtungsstellen anhängigen Fällen. “Von fünf offerierten Wohnungen werden vier zu teuer angeboten oder vermietet”, verwies Bartok auf die Höhe der Hauptmietzinse bei Richtwert-Mietverträgen in Altbauten. Im Schnitt gehe es um eine Überhöhung von rund 3,20 Euro pro m2 und Monat, “das ist nicht wenig”. Für derartige Verstöße gebe es keine Strafsanktion, lediglich eine Rückzahlung müsse erfolgen. Zudem würden drei Viertel der Wohnungen nur befristet angeboten.

Leer stehende Wohnungen an den Mann bringen

Die ehemalige Grün-Abgeordnete und Wohnbausprecherin Gabriela Moser plädierte dafür, die Wohnbaufördermittel verstärkt für Sanierungen und nicht nur im Neubau einzusetzen, leer stehende Wohnungen auch über gemeinnützige Makler an den Mann zu bringen – um das Mietausfallsrisiko zu nehmen – sowie die Überbauung “ungenutzter” Flächen wie Supermarkt-Parkplätze zu erwägen. Richtung Wohnbau sollten auch Gelder aus der Pensionsvorsorge gelenkt und die Normen von Bund und Ländern gemeinsam “entschlackt” werden. Auch werde man künftig kleiner, verdichteter und billiger bauen müssen.

Der Obmann der gemeinnützigen Bauvereinigungen (GBV), Karl Wurm, erhofft sich, dass bei den Normen endlich “wirklich etwas passiert”. Vielleicht sollte man auch hier “tabula rasa” machen – wie es die Politik für ältere Gesetze andenke – “und dann schauen, was brauchen wir”. Durch die konjunkturbedingt stark steigenden Baukosten habe man ganz große Probleme, die Wohnbauförderlimits einzuhalten: “Projekte stehen deshalb einfach, weil der Baupreis nicht zusammengebracht werden kann.”

Zweifel meldete einmal mehr der GBV-Obmann zum Plan der neuen Regierung an, die Mieten für Besserverdiener in kommunalen und gemeinnützigen Bauten regelmäßig anzupassen. Er vermutet sogar, dass man durch Einkommensprüfungen jene, die mehr zahlen können, ganz bewusst in den Bereich der Investoren und der Sanierer bringen wolle. Wurm rechnete vor, dass ein großer Teil der möglicherweise erzielbaren höheren Mieten durch die Einkommensüberprüfungen selbst wieder aufgefressen werde. Würde man zum Beispiel für 40.000 Wohnungen die Monatsmiete um einen halben Euro je m2 anheben, so brächte das bezogen auf 75 m2 große Einheiten jährlich 18 Mio. Euro Mehreinnahmen, allein die Kosten für die Prüfungen würden aber wieder 12 der 18 Mio. Euro verschlingen, rechne man pro Fall mit einer halben Stunde Aufwand.

Jährlich 15 Hektar Boden täglich neu versiegelt

Auf die in Österreich im Vergleich zur EU deutlich höhere Bodenversiegelung – also Zupflasterung der Landschaft – wies Architekt Christian Aulinger, Präsident der Bundeskammer der Ziviltechniker, hin. Ursachen seien neben Wohnbauten (samt Einfamilienhäusern) auch der Verkehr und Betriebsanlagen. Österreich stelle zwar nur 1,7 Prozent der EU-Bevölkerung, aber 5 Prozent des Flächenneuverbrauchs. In den letzten Jahren seien in unserem Land jährlich 15 Hektar Boden täglich neu versiegelt worden, während der Sollwert bei lediglich 2,5 ha pro Tag liege. In Österreich würden 53 km2 pro Jahr an Fläche verbraucht – das sei ein enormer Bedarf, und es gebe keinen Plan, das zu verringern, kritisierte der Experte.

(APA/Red)

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