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"Euro leidet an einem Geburtsfehler"

Schwarzach - Für die Schaffung von zwei Euro-Zonen fehlt der politische Wille.

“Die Schweizer Wirtschaft ist heute eine der globalisiertesten der ganzen Welt und die Lage inmitten der EU hat auch viele Vorteile”, so der gebürtige Harder Dr. Gerhard Schwarz als Gast in der VN-Redaktion. Schwarz, der viele Jahre als Ressortleiter Wirtschaft und Stellvertretender Chefredakteur der Neuen Zürcher Zeitung (NZZ) tätig war, ist seit 1. November 2010 Leiter von “Avenir Suisse”. Das ist eine “Denkfabrik” von Schweizer Großunternehmen, die 1999 von 14 internationalen Schweizer Firmen ins Leben gerufen wurde. Trotzdem glaubt er, dass die Zukunft für die Schweizer Wirtschaft schwieriger wird. Was den Euro anbelangt, so sieht Schwarz in der Idee, für Länder mit sehr unterschiedlichen Wirtschaftsstrukturen und ohne einheitliche Fiskalpolitik eine einheitliche Währung zu schaffen, einen Geburtsfehler”. Jetzt sei die große Frage, wie man damit umgeht. “Zwar passieren zum Teil schon Korrekturen, aber es ist nicht sicher, ob das auf die Dauer gut geht. Ich würde es besser finden, man würde versuchen, einen Teil der jetzigen Euro-Zone aus dem Korsett zu entlassen und zwei Zonen zu schaffen. Einen Nord-Euro und einen Süd-Euro. Aber dem steht in den Euro-Ländern der politische Wille gegenüber, zusammenzuhalten. Daher wird es noch viele Jahre ein unglaubliches Gewurstel an Sanierungen, Transferzahlungen usw. geben”, glaubt Schwarz. Er fordert innerhalb der EU regionale, problembezogene Kooperationen statt den großen Vereinheitlichungen.

“Der Fluch des Erfolges”

Und weiter: “Wir leiden unter dem Fluch des Erfolges. Die Schweiz hat die Krise trotz ihres überproportional großen Finanzsektors erstaunlich gut überstanden. Es ist auch schön, dass wir ein Stabilitätsanker sind. Aber die Kehrseite ist, dass wir unter einem völlig überbewerteten Schweizer Franken ächzen. Wenn das so weitergeht, wird das noch zu großen Belastungen führen.” Die Organisation “Avenir Suisse”, die Schwarz seit dem Vorjahr leitet, engagiert sich für die gesellschafts-und wirtschaftspolitische Entwicklung der Schweiz. Sie will frühzeitig relevante Themen definieren und zukünftigen Handlungsbedarf, aber auch Lösungsvorschläge und Denkanstöße aufzeigen. Dabei vertritt “Avenir Suisse” eine marktwirtschaftliche Sichtweise und orientiert sich an einem klassischen liberalen Welt- und Gesellschaftsbild. Zusammen mit R. James Breiding hat Gerhard Schwarz heuer das Buch “Wirtschaftswunder Schweiz – Ursprung und Zukunft eines Erfolgsmodells” veröffentlicht. Die Autoren wollten damit eine “Fortschreibung” des vor über 40 Jahren erschienenen Buches des Schweizer Publizisten Lorenz Stucki mit dem Titel “Das heimliche Imperium. Wie die Schweiz reich wurde” schaffen. “Das war eines der ersten Wirtschaftsbücher, das ich gelesen habe. Ich war vom Inhalt fasziniert”, erinnert sich Schwarz heute. Und weiter: “Wir gingen in unserem Buch der Fragestellung nach, wie es sein kann, dass ein von der Natur aus her armes Land, das keine Bodenschätze und nur einen kleinen Markt hat und das klimatisch nicht begünstigt ist, zu einem der reichsten Länder der Welt werden konnte.”

Mehrere maßgebliche Ursachen

Für dieses “Wunder” sind nach Schwarz mehrere Gründe maßgebend. Da ist für ihn einmal die Armut am Beginn, die Sparsamkeit und Tüchtigkeit hervorbrachte. “Denn wo alles im Überfluss vorhanden ist, bildet sich eine andere Leistungsmentalität heraus.” In diesem Punkt ortet Schwarz durchaus Parallelen zu Vorarlberg. Dazu kommt die – innerhalb und außerhalb der Schweiz zu wenig wahrgenommene – große Offenheit des Landes. So wird in dem Buch aufgezeigt, dass viele der großen Schweizer Unternehmen von Ausländern gegründet wurden. In der Schweiz fanden etwa die Hugenotten ebenso eine neue Heimat wie Liberale aus Deutschland. Und: “Der Anteil der Bevölkerung, die im Ausland geboren wurde, ist in der Schweiz gleich hoch wie jener im Einwandererland Australien.”Ein weiterer Erfolgsfaktor ist für die Autoren die Diversität der Schweiz, etwa die große Vielfalt von Sprachen oder politischen Systemen in den Kantonen. Das führte auch zur Toleranz und Geschicklichkeit im Umgang mit den anderen. Wichtige Erfolgsfaktoren seien aber auch die Neutralität, die verhinderte, dass die Schweiz in die europäischen Konflikte involviert war, und der Föderalismus, der sehr viel Autonomie schafft und der auch zu einem positiven Wettbewerb zwischen den Kantonen und Gemeinden, etwa bei den Steuersystemen, führt. Schwarz: “Dabei kommt die Rolle des Wettbewerbs als Entdeckungsverfahren, als ständige Suche nach Neuem, zur Geltung.” (VN)

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