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"Erziehung ist weiblich geworden"

Das typische Verhalten eines Jungen sollte unterstützt werden, daher ist eine männliche Bezugsperson wichtig.
Das typische Verhalten eines Jungen sollte unterstützt werden, daher ist eine männliche Bezugsperson wichtig. ©Kuzmanovic
Braz - Verweiblicht unsere Gesellschaft und bedarf es einer Emanzipation der Männer? Die Frauen gewinnen in der Erziehung die Oberhand und als Konsequenz bleibt die Männlichkeit auf der Strecke.
Hausfrau als "Ausluafmodell"?

Es gibt immer mehr alleinerziehende Mütter sowie in Kindergärten und an Volksschulen hauptsächlich Pädagoginnen. Woher diese Entwicklung stammt, kann der diplomierte Psychologe Thomas Fuchs nicht ganz sagen, aber er beobachtet einen Trend in Mitteleuropa: „Die Arbeit des Lehrers und der Kindergartenpädagogen wird nicht entsprechend honoriert. Ein Arbeiter in der Fabrik bekommt mehr Gehalt, als jemand, der für die Bildung bzw. Erziehung unserer Kinder da ist. So kann ein Mann folglich, nach dem klassischen Rollenmodell, keine Familie ernähren. Das dürfte einer der zentralen Gründe sein.“

Emanzipation der Jungs

Auswirkungen für diese sogenannte „Verweiblichung“ kennt Dr. Thomas Fuchs: „Es gibt ja schon Autoren, die von einer Emanzipation der Jungs schreiben. Was wir des Öfteren in den Volksschulen beobachten, ist, dass Jungen viel schneller als auffällig eingestuft werden. Aber der erhöhte Bewegungsdrang, die impulsivere Art sind eigentlich nur männliches Verhalten. Das könnte auch daran liegen, dass in Deutschland fast 99 Prozent weibliche Lehrerinnen unterrichten und in Österreich die Zahl auch sehr hoch ist.“ Armin Roßbacher, Vertreter der Pflichtschullehrer glaubt, dass eine internationale Verschiebung statt gefunden hat und die Erziehung in den letzten Jahrzehnten weiblich geworden ist. Er beschreibt die Gründe so: „In nahezu allen entwickelten Ländern ist ein Rückzug von Männern vor allem in Kindergärten und Primarschulen festzustellen, teilweise fehlen sie völlig. Darüberhinaus zählen diese Berufe oft zu den schlechter bezahlten. Aber auch in Ländern mit deutlich besserer Entlohnung entscheiden sich nur wenige Männer z. B. für den Lehrberuf.“ Auch der Vorsitzende der Pflichtschullehrergewerkschaft Gerhard Unterkofler schlägt in die ähnliche Kerbe: „Der Männermangel in den Pflichtschulen hat nicht nur mit dem Gehalt zu tun, sondern auch mit mangelnder Anerkennung des Lehrerberufs in der Gesellschaft. Jedoch glaube ich nicht, dass es negative Auswirkungen gibt, wenn vermehrt Frauen in der Erziehung tätig sind. Die Erziehung durch die Frau ist ja kein Phänomen der heutigen Zeit. Auch schon früher haben hauptsächlich die Frauen die Erziehung dominiert und die Männer waren beim Arbeiten und haben dann zu Hause den ‚strafenden‘ Erziehungsteil übernommen.“ Braucht es aber wirklich Vater und Mutter für eine vollwertige Erziehung? Dr. Fuchs glaubt, dass es vor allem darauf an kommt, ob man als Elternteil klare Grenzen setzt und dem Kind Respekt beibringt. „Ich kenne ganz viele taffe Mütter, die ihre Jungs dazu ermutigen, im Dreck zu wühlen und auch nicht gleich Angst bekommen, wenn ihr Sohn etwas aggressiver ist. Als Elternteil muss man einfach mutig sein, sich durchsetzen können und Grenzen aufzeigen. Dann kann es auch in Alleinerzieher-Haushalten klappen“, erzählt Dr. Fuchs.

Vaterersatz?

„Einem Kind kann es in seiner Entwicklung helfen, wenn es eine männliche Bezugsperson hat. Das kann ein Lehrer, Onkel, Trainer oder dergleichen sein. Aber natürlich ist eine Vater-Sohn-Beziehung etwas anderes als eine Lehrer-Schüler Beziehung. Sie ist viel enger und gefühlvoller“, weiß der Psychologe. Gerade während der Pubertät spielt die Erziehung eine wichtige Rolle in der Entwicklung. Dr. Fuchs greift hier auf Entwicklungspsychologische Studien zurück: „Töchter in der Pubertät konkurrieren und kämpfen häufiger mit ihrer Mutter und kommen dann besser mit ihrem Vater aus. Genauso wie Jungen, die gegen ihren Vater rebellieren und dann ihre Mutter als Ausgleich brauchen. Ich denke, die Natur hat das schon gut vorgesehen, dass es Vater und Mutter gibt. Und es bleibt für Kinder beiden Geschlechts ein Problem, wenn da ein Part ausfällt.“

Klostertaler Familiengespräche

Am Donnerstag, den 13. März, um 20 Uhr, referiert Dr. Thomas Fuchs in Braz in der Klostertalhalle zum Thema: „Ein Job für Mutige – Erziehung in einer schwierigen Zeit“. Es sind dies die ersten Klostertaler Familien­gespräche, veranstaltet von deren Team und dem Vorarlberger Familienverband. Alle Mamas und Papas, Großeltern, Tagesmütter, Babysitter und Interessierten sind herzlich zu diesem lehrreichen Vortrag eingeladen. Infos: www.familie.or.at

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