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Enquete-Kommission zur Demokratiereform gestartet

Bures eröffnete Sitzung
Bures eröffnete Sitzung
Die Enquete-Kommission zur Demokratiereform hat am Donnerstag ihre Arbeit aufgenommen. Nationalratspräsidentin Doris Bures (S) erklärte in ihren Eröffnungsworten im Plenarsaal des Parlamentes, es gehe darum, sich in einem ernsthaften Prozess mit der Frage zu beschäftigen, "wie wir die Demokratie in Österreich stärken können".


Bures sprach angesichts der Tatsache, dass an der Enquete auch acht – unter den Bewerbern geloste – Bürger teilnehmen, von einer “Premiere im Haus”. Es gehe bei der Diskussion nicht darum, Elemente der Direkten Demokratie gegen den Parlamentarismus auszuspielen, betonte die Präsidentin. “Vielmehr geht es darum, wie wir diese Instrumente stärken und sinnvoll miteinander kombinieren können.”

Bei der ersten Sitzung referierten sechs geladene Experten über den aktuellen Stand der direktdemokratischen Instrumente sowie über den Entwurf für ein Demokratiepaket (verfasst im Jahr 2013 von SPÖ, ÖVP und Grünen). Kern des Entwurfes – der dann in der vergangenen Legislaturperiode nicht mehr beschlossen wurde – ist, dass von mindestens zehn Prozent der Stimmberechtigten unterstützte Volksbegehren einer Volksbefragung unterzogen werden müssen, wenn der Nationalrat die Forderungen nicht ohnehin umsetzt.

Verfassungsexperte Theo Öhlinger meinte, er sehe das Bestreben nach mehr Direkter Demokratie vor allem als Reaktion auf eine der “großen Schwächen” der aktuellen direktdemokratischen Instrumente: Nämlich die “regelmäßige Folgenlosigkeit von Volksbegehren”. Er verwies auf das Beispiel des Bildungsvolksbegehrens: Auf dem Vier-Seiten-Bericht des Nationalrates seien großteils lediglich die Anliegen des Begehrs zitiert worden. Das Ergebnis des Nationalrates sei nur gewesen, dass dieser den Bericht zur Kenntnis genommen habe. “Dass das frustriert, liegt auf der Hand”, sagte er.

Anna Gamper vom Institut für Recht, Staats- und Verwaltungslehre an der Universität Innsbruck sagte, sie glaube, dass der Entwurf aus dem Jahr 2013 keine Gesamtänderung der Bundesverfassung darstellen würde – und daher auch ohne zwingende Volksabstimmung beschlossen werden könnte. Sie würde aber “schon einiges nachschärfen” – so will sie etwa klarlegen, dass Volksbegehren unzulässig sein sollten, deren Inhalte die Grundrechte verletzen würden.

Gerhard Hesse vom Verfassungsdienst im Bundeskanzleramt wies darauf hin, dass das im Antrag vorgesehene Prozedere dazu führen könnte, dass – gemessen an der Gesamtbevölkerung – “ein sehr kleiner Teil der Bevölkerung” einen Teil der Gesetzgebung beeinflusse könnte. “Dem sollte man sich bewusst sein.” Gleichzeitig meinte er, er glaube, dass die Kommission eine gute Möglichkeit darstelle, die Diskussion nun weiterzuführen.

Johannes Pichler von der Karl-Franzens-Universität Graz wischte Bedenken vom Tisch, verpflichtende Volksbefragungen bei einer Mindestteilnehmerzahl an Volksbegehren könnten Populismus hervorrufen: Er halte die Bürger für wesentlich reifer als allgemein geglaubt werde, sagte er. Gleichzeitig betonte der Experte – wie auch seine Kollegen – dass man die repräsentative Demokratie natürlich weiterhin brauchen werde: “Weil es haben außer mir noch acht Millionen keine Lust, jeden Tag Politik zu machen.”

Die Abgeordneten betonten im Anschluss die Notwendigkeit, die direktdemokratischen Instrumente zu attraktivieren. SPÖ-Klubobmann Andreas Schieder sagte, man habe sich ganz bewusst dafür entschieden, neue Wege zu gehen – und daher auch Bürger zur Teilnahme an der Enquete eingeladen. ÖVP-Mandatar Wolfgang Gerstl meinte, die Kombination der repräsentativen und direktdemokratischen Elemente würde nicht zur Schwächung eines Instruments führen, sondern zu Stärkung der Demokratie.

FPÖ-Abgeordneter Harald Stefan betonte, es sei seiner Fraktion schon lange ein Anliegen, die Bürger “ehrlich an den politischen Entscheidungsfindungen zu beteiligen”. Man wolle damit nicht die repräsentative Demokratie abschaffen, sondern eine wichtige Ergänzung schaffen. Bedauern, dass das Paket nicht schon längst beschlossen ist, äußerte die Grüne Daniela Musiol.

Gleichzeitig betonte sie, dass die Grünen für eine verpflichtende Volksabstimmung und nicht – wie im Entwurf vorgesehen – lediglich für eine Volksbefragung eintreten. Daran knüpfte auch NEOS-Abgeordneter Nikolaus Scherak an: Dem Argument, eine Befragung würde ohnehin den politischen Druck so erhöhen, dass die Verantwortlichen die Anliegen des Volksbegehrens ernst nehmen, konnte er nichts abgewinnen. Team Stronach-Abgeordneter Rouven Ertschweiger sagte, er freue sich auf den Dialog, am Schluss hoffe er auf Konsens im Interesse der Bürger.

Zum Schluss legten auch die geladenen Bürger ihre Motivation für ihr Teilnehmen dar. So erklärte etwa Michelle Missbauer, sie wolle sich für Tierrechte und die Gleichstellung Homosexueller einsetzen. Beispielsweise würde sie sich eine Volksabstimmung wünschen, mit der Frage, ob die Ehe für Homosexuelle geöffnet werden soll oder nicht. Eine weitere Teilnehmerin – Barbara Ruhsmann – erklärte, ihr Anliegen sei die Vereinfachung der direktdemokratischen Prozesse. Denn derzeit würden bei Volksbegehren starke organisatorische und auch finanzielle Hürden bestehen.

Die nächste Sitzung der Kommission ist für den 22. Jänner 2015 angesetzt.

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