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Niederlande: Schwule fühlen sich bedroht

Vor fünf Jahren feierte sich Amsterdam als Schwulen-Hauptstadt Europas. Bürgermeister Job Cohen verheiratete am 1. April 2001 weltweit zum ersten Mal ein lesbisches Paar und drei schwule Paare.

Damals wurde in den Niederlanden trotz Widerständen aus christlichen Parteien und Teilen des Parlaments die homosexuelle Ehe eingeführt, die den Paaren auch die Adoption von Kindern ermöglicht.

Seitdem hat sich die Zahl der homosexuellen Eheschließungen in den Niederlanden zunehmend stabilisiert. Während im ersten Jahr der Einführung noch 2400 homosexuelle Paare den Bund fürs Leben schlossen, sind es heute durchschnittlich 1300 pro Jahr. Erklären lässt sich der anfängliche Boom durch viele bereits länger zusammenlebende Paare, die den lang gehegten Ehewunsch so schnell wie möglich in die Realität umsetzen wollten.

In den letzten Jahren hat sich die Stimmung im Land aber gewendet. „Seit den Morden an Pim Fortuyn und Theo van Gogh sind Sicherheit und Toleranz große Themen in den Niederlanden“ sagt Anne van Voorthuizen von der Organisation für die Integration von Homosexuellen COC. Frühere Großzügigkeit ist einer strengeren Forderung nach Beachtung der Regeln gewichen. „Das macht sich auch in der nachlassenden Toleranz gegenüber Homosexuellen bemerkbar,“ hat Van Voorthuizen beobachtet.

Eine aktuelle Studie der Rotterdamer Universität bestätigt, dass sich 40 Prozent der Homosexuellen in den letzten Jahren auf Grund ihrer sexuellen Gesinnung unsicherer fühlen. Diese Unsicherheit gibt es besonders in großen Städten – allen voran in der Schwulenhochburg Amsterdam. „Ein Drittel der Homosexuellen verändert sogar das Verhalten in der Öffentlichkeit, um nicht aufzufallen. Zum Beispiel halten sie nicht mehr Händchen oder küssen sich auch nicht mehr auf offener Straße“ erklärt Van Voorthuizen. „Dieses Unsicherheitsgefühl wird aber auch bestärkt durch die Medien, die vermehrt über Übergriffe auf Homosexuelle berichten.“

In den Medien erscheinen oft ausländische Jugendliche als Verdächtige bei Überfällen auf Homosexuelle. So zum Beispiel Anfang Februar, als in Amsterdam zwei marokkanische Burschen einen Homosexuellen nachts mit einem Messer bedrohten. Deshalb wird mit verschiedenen Projekten versucht, ein besseres Verständnis für Homosexuelle in der niederländischen Gesellschaft zu erreichen. So veranstaltete das COC in Amsterdam ein Fußballspiel zwischen Muslimen und Homosexuellen – es endete 4:1 für die Männer mit dem Koran.

Van Voorthuizen ist überzeugt, dass „auf diese Weise ein lockeres Umfeld für Gespräche geschaffen wird.“ Ein anderes Projekt wurde kürzlich in einer Bibliothek im grenznahen Almelo begonnen. Um Vorurteile gegenüber Minderheiten wie den Homosexuellen abzubauen, vermittelt die Bücherei gratis Vertreter von Randgruppen für Gespräche. Besonders der homosexuelle Muslim Jamal Hajou ist gefragt, da er sozusagen einer „doppelten Minderheit“ angehört.

Auch die niederländische Regierung will das Verständnis für Homosexuelle fördern. So werden in einem Video, mit dem sich Ausländer auf einen Einbürgerungstest vorbereiten können, auch zwei sich küssende Männer gezeigt. Damit will die Regierung von vornherein klarstellen, dass potenzielle Bürger die liberalen Weltsicht des Landes akzeptieren müssen.

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