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Elektrische Lkw in Vorarlberg auf dem Prüfstand

Michael Zimmermann im Gespräch über Lkw mit Elektroantrieb.
Michael Zimmermann im Gespräch über Lkw mit Elektroantrieb. ©Hartinger/Daimler AG
Erste Pilotprojekte mit Elektroantrieben für Lkw. Michael Zimmermann, Fachgruppenobmann für das Güterbeförderungsgewerbe, ist skeptisch.

Eine Vorzeigeregion in Sachen Elektromobilität ist Vorarlberg. Der Anteil der E-Autos bei den neu zugelassenen Pkw lag im Vorjahr immerhin bei zwei Prozent und damit deutlich über dem Österreich-Schnitt. Im europäischen Vergleich bewegt sich das Ländle damit im Spitzenfeld, heißt es seitens des Verkehrsclub Österreich. Hilfreich ist dabei sicherlich, dass die Anschaffung von E-Pkw gefördert wird. Ebenso wird die Ladeinfrastruktur kontinuierlich ausgebaut. Und in Unternehmen, Kommunen oder beim Car-Sharing wird vermehrt auf Fahrzeuge mit elektrischem Antrieb gesetzt. Eine wichtige Rolle spielt sicher auch die Tatsache, dass mittlerweile von den verschiedenen Fahrzeugherstellern zahlreiche Modelle mit E-Motor in unterschiedlichen Preisklassen erhältlich sind. Kein Wunder also, dass die Nachfrage nach den elektrischen Flitzern steigt.

Pilotprojekt von Daimler

In einem anderen Bereich hinkt die Entwicklung jedoch weltweit noch hinterher: Bei den Lkw gibt es bisher erst vollmundige Ankündigungen seitens der Verantwortlichen des US-Herstellers Tesla oder erste Pilotprojekte. Eines davon ist vor wenigen Wochen gestartet. An zehn Partnerunternehmen des deutschen Nutzfahrzeugherstellers Mercedes-Benz Trucks wurde jeweils ein elektrisch angetriebener Lkw ausgeliefert. Die Fahrzeuge basieren auf dem Diesel-Modell „Actros“ und werden dementsprechend „eActros“ genannt, heißt es in einer Aussendung des Herstellers. Insgesamt elf Batteriepakete sind in Stahlgehäusen im Bereich des Rahmens und darunter verbaut. Angetrieben wird der Lkw von zwei Elektromotoren, die nahe der Radnaben der Hinterachse angebracht sind. Zwei verschiedene Modelle werden an die Tester geliefert: eines mit 18 und eines mit 25 Tonnen Gesamtgewicht. Zum Einsatz kommen sollen die Fahrzeuge mit einer Reichweite von rund 200 Kilometern im Zustellverkehr im städtischen Bereich. Dementsprechend wurden auch die acht deutschen und zwei Schweizer Partnerfirmen ausgewählt. Getes­tet werden die E-Lkw beispielsweise bei der Spedition Dachser oder dem Schweizer Handelskonzern Migros.

Ein Jahr lang sollen die Kunden den „eActros“ im Alltagsbetrieb auf Herz und Nieren prüfen. Dann werden die Fahrzeuge in einer zweiten Phase an zehn andere Partnerunternehmen für einen weiteren Ein-Jahres-Test weitergegeben. Dabei sollen unter anderem Erkenntnisse über den Energiebedarf je nach Einsatzszenario und die Wirtschaftlichkeit gewonnen werden. Auch eine Öko-Bilanz über den gesamten Lebenszyklus soll ermittelt werden. „Unser Ziel ist, die Serien- und Marktreife wirtschaftlich konkurrenzfähiger Elektro-Lkw für den innerstädtischen schweren Verteilerverkehr ab 2021 realisieren zu können“, erklärt Stefan Buchner, Leiter von Mercedes-Benz Lkw.

Michael Zimmermann, selbst Transportunternehmer und Obmann der Fachgruppe für das Güterbeförderungsgewerbe in der Wirtschaftskammer Vorarl­berg, ist jedoch skeptisch, ob elektrisch angetriebene Fahrzeuge eine Lösung für die Branche sind. Die derzeit verfügbare Batterietechnik ist aus seiner Sicht dafür nicht geeignet. Zum einen ist die Reichweite mit rund 200 Kilometern zu gering. Zum anderen sind die Energiespeicher zu schwer, wodurch weniger Fracht transportiert werden kann. Zwar darf nach Angaben der Mercedes-Benz-Verantwortlichen das Gesamtgewicht eines Lkw mit alternativem Antrieb um eine Tonne höher sein, aber selbst beim „eActros“ mit seiner 1,7 Tonnen schweren Batterie sinkt die Nutzlast um rund 700 Kilogramm gegenüber einem Diesel-Fahrzeug. Bei einem 40-Tonner mit etwa drei Tonnen schweren Energiespeichern wäre der Verlust noch größer, erläutert Zimmermann.

Schichtbetrieb

Ein weiteres mögliches Hindernis ist nach Angaben des Experten, dass durch niedrige Temperaturen wie diese etwa kürzlich noch im Ländle geherrscht hätten, die Reichweiten der E-Fahrzeuge um bis zu 50 Prozent sinken könnten.

Dazu kämen noch Fragen wie etwa die Ladeinfrastruktur in den Betrieben oder die mit der Energieversorgung verbundenen Standzeiten der Lkw. „Bei uns sind die Fahrzeuge im Schichtbetrieb 24 Stunden im Einsatz“, berichtet Zimmermann. Dabei stören mehrere Stunden Ladezeit für die Batterie.

Im städtischen Zustellverkehr oder für Paketdienste kann sich der Fachgruppenobmann jedoch durchaus vorstellen, dass Elektroantriebe eine mögliche Alternative zu herkömmlichen Antrieben sein könnten. Gleichzeitig verweist er auf sein eigenes Unternehmen Bischof Transporte in Feldkirch. Denn in diesem werden seit Kurzem 40-Tonner mit Gas-Antrieb verwendet, die klimaneutral unterwegs sind. Zugute kommt den Verantwortlichen, dass ein wichtiger Partner die Frastanzer Firma 11er ist. Bei dieser werden Kartoffeln zu verschiedenen Tiefkühlprodukten verarbeitet. Die Reste aus der Produktion werden dabei in einer eigens errichteten Biogasanlage verwertet. Dort bietet sich auch die Möglichkeit, die Gas-Lkw zu betanken. Alternativ können auch reguläre Gas-Tankstellen entlang der Fahrtstrecke benutzt werden.

Nachteil des alternativen Antriebs ist, dass die Fahrzeuge in der Anschaffung rund 45.000 Euro teurer sind als eine herkömmliche Zugmaschine, die ab rund 90.000 Euro zu haben ist. „Hier geht es aber darum, einen Beitrag zum Schutz der Umwelt zu leisten. Und dafür muss man Geld in die Hand nehmen“, ist Zimmermann überzeugt. Die Verantwortlichen von Bischof haben es sich zum Ziel gemacht, ihr Unternehmen klimaneutral zu führen. Dabei kommen Fahrzeuge mit möglichst wenig CO2-Ausstoß zum Einsatz. Außerdem werden Klimaschutzprojekte unterstützt.

Viel getan

Im Zusammenhang mit Emissionen weist der Fachgruppenobmann auch darauf hin, dass bei Diesel-Motoren nach dem neuesten Euro-6-­Standard der Schadstoffausstoß sehr niedrig ist. „In einer Stadt mit einem Smog-Problem ist bei einem Euro-6-Lkw die Luft, die hinten heraus kommt, sauberer als die, die vorne angesaugt wird.“ Gerade in den vergangenen 20 Jahren habe sich in diesem Bereich viel verbessert.

Trotz seiner Skepsis bezüglich der elektrisch angetriebenen Lastwagen behält der Fachmann die Entwicklungen in diesem Bereich natürlich im Auge. Seiner Ansicht nach wird es jedoch schwer, Alternativen zum Dieselmotor zu finden. Zum einen wegen der genannten Hürden im Bereich der Elektrofahrzeuge. Zum anderen wegen der hohen Zusatzkosten bei anderen Antrieben wie etwa solchen mit Gas. Welche Entwicklungen die Zukunft bringt, wird sich zeigen.

<<<Dieser Bericht erschien vorher in der Sonntagszeitung “NEUE am Sonntag”>>>

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