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Eine filigrane Chirurgie

Wolfurt – Mini Med zum Thema Herz lockte 700 Besucher in den Cubus nach Wolfurt.
Der Vortrag zum Nachsehen

Das Herz liegt den Mini-Med-Studenten wahrlich am Herzen. Oder war es das hochkarätig besetzte Podium? Wie auch immer: Zum Abschluss des Herbstsemesters strömten noch einmal rund 700 Besucher in den Wolfurter Cubus, um sich aus berufenem Munde das Neueste zur Behandlung von Herzproblemen erklären zu lassen. Im Mittelpunkt standen diesmal die operativen Möglichkeiten. Und die wurden von der Führungsriege der Herzchirurgie in Innsbruck dargelegt. Dazu hatte Univ.-Prof. Dr. Michael Grimm gleich drei seiner besten Mitarbeiter aufgeboten.

Versorgungszentrum

Die Dehnung von verschlossenen Herzkranzgefäßen oder das Setzen von Stents können im Herzkatheterlabor im LKH Feldkirch durchgeführt werden. Für Bypass- und Herzklappenoperationen sowie Transplantationen müssen Vorarlberger Patienten an die Universitätsklinik für Herzchirurgie in Innsbruck ausweichen. „Wir verstehen uns als Versorgungszentrum auch für Patienten aus Vorarlberg“, betonte Michael Grimm. Gleichzeitig hob er die „qualitativ hochwertige kardiologische Versorgung“ im Land selbst hervor. Und er stellte klar, dass Medizin immer eine Teamleistung ist.

Häufige Eingriffe

Den Reigen der klaren und prägnanten Referate eröffnete Univ.-Prof. Dr. Elfriede Ruttmann-Ulmer. Sie befasst sich seit Langem auch wissenschaftlich mit Bypass-Operationen. Ein Bypass kann notwendig werden, wenn der Herzmuskel aufgrund einer Minderdurchblutung geschädigt ist. Versorgt wird er von drei Herzkranzgefäßen. „Nur ein erkranktes Gefäß ist Sache des Kardiologen“, erklärte Ruttmann-Ulmer. Die Experten in Innsbruck bekommen es deshalb meist mit dem Vollbild einer Atherosklerose zu tun. „Das heißt, im Durchschnitt müssen drei bis vier Bypässe als Überbrückung von Herzgefäßengstellen gelegt werden“, so Elfriede Ruttmann-Ulmer. Bypass-Operationen zählen zu den häufigsten Eingriffen. Sie machen 60 bis 65 Prozent aller Herzoperationen aus. Als vorrangiges Ziel steht die Vermeidung von Herzinfarkten und Herzschwäche. Der Großteil der Eingriffe erfolgt am stillgelegten Herzen. In dieser Zeit hält eine Herz-Lungen-Maschine den Patienten am Leben. Es ist auch eine sehr filigrane Chirurgie, zumal die Gefäße nur einen Durchmesser von 2 bis 3 Millimeter haben. Als Gefäßersatz muss patienteneigenes Material verwendet werden. Der Klassiker schlechthin ist laut Ruttmann-Ulmer die oberflächliche Beinvene. Sie reicht für vier Bypässe. Auch die Unterarmarterie kommt infrage. Allerdings kann sie Gefäßkrämpfe verursachen.

Brustwandarterien

Als „ideales Bypassgefäߓ gelten bei Herzchirurgen die Brustwandarterien, weil sie nicht verkalken. „95 Prozent dieser Bypässe sind nach zehn Jahren immer noch offen“, berichtete Elfriede Ruttmann-Ulmer.

Hochpräzisionskonsole

Mit der robotergestützten Herzchirurgie befasste sich der Vortrag von Prof. Dr. Nikolaos Bonaros. Der Begriff „Roboter“ gefällt ihm persönlich nicht und auch die Patienten schreckt er. Aber 96 Prozent zeigen sich nach dem Eingriff zufrieden. „Der Spitalsaufenthalt verkürzt sich und die Leute sind schneller wieder auf den Beinen“, zählte Bonaros einige Vorteile auf. Beim „Roboter“ selbst handelt es sich um eine Hochpräzisionskonsole, die jede Bewegung des Chirurgen eins zu eins übernimmt. „Da arbeitet kein Roboter selbständig“, stellte der Arzt noch klar. Das Operationsfeld erscheint als dreidimensionales Bild, was ein punktgenaues Operieren gewährleistet. Zudem ermöglicht die Knopflochtechnik brustkorberhaltende Eingriffe. Nikolaos Bonaros räumte zwar ein, dass es eine teure Technik sei. Aber: „Die Patientenzufriedenheit zählt und die erreichen wir damit.“

Höhere Überlebenschancen

Ebenfalls fast nur noch minimal invasiv werden funktionsuntüchtige Herzklappen operiert oder ersetzt. Neben einer geringeren Komplikationsrate und einer schnelleren Heilung sind die höheren Überlebenschancen ein wichtiges Argument für Univ.-Prof. Dr. Ludwig Müller, dieser Methode den Vorzug einzuräumen. Bislang wurden 600 Patienten auf diese Weise behandelt. Müller sprach von einer sicheren Methode, warnte jedoch vor einer Verharmlosung des Eingriffs. „Der Schnitt ist zwar klein, die Operation aber trotzdem groß.“ Deshalb ist hohe chirurgische Kompetenz gefordert.

„Mystischer Moment, wenn das Herz schlägt“

Chefsache war das Thema Herzersatz und Herztransplantationen. In diesem Zusammenhang hob Univ.- Prof. Dr. Michael Grimm noch einmal die Pionierleistungen des inzwischen pensionierten Transplantationsspezialisten Raimund Margreiter hervor. In Innsbruck wurden zwischen 1974 und 2009 insgesamt 326 Herztransplantationen durchgeführt. „Und das bei einer äußerst geringen Sterblichkeit“, betonte Grimm.

Eindringlicher Aufruf

Eine Transplantation wird notwendig, wenn eine Herzschwäche trotz maximaler Therapie nicht mehr behoben werden kann. „Dann liegt die Lebenserwartung von Betroffenen unter 6 Monaten“, verdeutlichte der Mediziner. Das größte Problem ist auch hier der eklatante Mangel an Spenderorganen. Daher sein eindringlicher Aufruf: „Machen Sie positive Stimmung für Organspenden.“ Eine Transplantation bedeutet allerdings einen enormen Aufwand. Doch er sei gerechtfertigt, schwärmte Michael Grimm von jenem „mystischen Moment, wenn das Herz zu schlagen beginnt“.

Kunstherz als Überbrückung

Steht kein Spenderorgan zur Verfügung, kann das Kunstherz eine vorläufige Option sein. Damit lässt sich laut Grimm zumindest über 5 bis 6 Jahre ein nahezu normales Leben führen. Kunstherzen werden auch bei Kindern zur Überbrückung eingesetzt.

In seinem Einleitungsreferat hatte Primar Dr. Heinz Drexel vom LKH Feldkirch die Mechanismen, die zu einer Atherosklerose und mitunter auf den OP-Tisch nach Innsbruck führen, erläutert. „Bis zu einem gewissen Alter haben alle Menschen Ablagerungen in den Gefäßen“, erklärte Drexel. Die Heimtücke liege darin, dass sie sich allmählich weiter verengen ohne Beschwerden zu machen. „Die kommen erst, wenn es kritisch wird.“ Er legte den Zuhörern ans Herz, jede Art von Schmerzen in der Herzgegend unbedingt abklären zu lassen.

Fragen aus dem Publikum

Ich habe gelesen, es sei eindeutig belegt, dass es einen Zusammenhang zwischen Herzinfarkt und Cholesterin gibt, aber nur bei Männern bis 45 Jahren. Stimmt das?

Drexel: Ein Körnchen Wahrheit ist immer dabei. Jüngere Menschen mit Infarkt haben fast immer auch hohe Cholesterinwerte, besonders, wenn sie rauchen. Und auch Frauen haben das Problem mit dem Cholesterin. Der Cholesterinhaushalt spielt in jedem Alter eine Rolle. Daher muss man nach einem Herzinfarkt die Cholesterinkonzentration im Blut senken.

Grimm:  Man muss schon sagen, dass die Sanierung von erkrankten Herzkranzgefäßen nur die Voraussetzung für ein gutes Weiterleben ist. Das Entscheidende danach ist, Risikofaktoren wie Blutdruck, Übergewicht und eben das Cholesterin zu kontrollieren und zu ändern.

Kann man einen Stent in jedem Fall setzen oder gibt es Grenzen?

Ruttmann: Die meisten Patienten, die wir sehen, haben mehrere erkrankte Herzkranzgefäße. Da ist die Bypass-Chirurgie die bessere Option. Wenn sich die Verengung an einem Bogen befindet, geht ein Stent auch nicht immer, besonders bei Aufzweigungen ist es schwierig. Da kann es gefährlich werden, weil man das danebenliegende Gefäß verschließen oder es zu einem Herzinfarkt kommen kann.

Wann spricht man von einem Tübinger Weinherz oder Münchner Bierherz?

Grimm: Das kommt darauf an, was einem besser schmeckt. Nein, im Ernst. Es gibt so etwas tatsächlich. Übermäßiger Alkoholgenuss über einen langen Zeitraum kann zu alkoholbedingter Herzmuskelschwäche führen. Es ist eine komplexe Erkrankung, weil die Leber ebenfalls in Mitleidenschaft gezogen wird.  Die beste Therapie ist die Alkoholkarenz.

Wie lange dauert es, bis das Brustbein wieder zusammengewachsen ist?

Müller: Die Knochenheilung dauert etwas länger. Wir gehen beim Brustbein von
6 Wochen aus. Wenn wir den Patienten nach einer kompletten Durchtrennung des Brustbeins aus der chirurgischen Behandlung entlassen, ist es in der Regel so weit verheilt, dass eine Instabilität nur noch selten auftritt.

Können Bypässe und Stents auch wieder zugehen?

Bonaros: Das ist möglich, weil der Verlauf der Krankheit nicht gestoppt wird. Deshalb braucht es eine Lebensstiländerung. Dann reduziert sich die Wahrscheinlichkeit, dass ein Stent wieder zugeht.

Drexel: Aus meiner Erfahrung kann ich sagen, dass vor allem das Absetzen von Medikamenten zum Verschluss von Stents führt. Deshalb mein Appell: Setzen Sie nie ein Medikament ohne Rücksprache mit dem Arzt ab.

Welche Konsequenzen hat eine verkalkte Halsschlagader?

Grimm: Sie hat dann Bedeutung, wenn sie Beschwerden macht. Die reichen von Schwindelzuständen bis zum Schlaganfall. 

Drexel: Meistens braucht es aber eine Blutdruck- und  Cholesterinbehandlung.

Welche Art von Herzklappen verwenden Sie?

Müller: Das Hauptmaterial, aus dem künstliche Herzklappen erzeugt werden, ist ein Mischmaterial. Reine Titanklappen gibt es nicht. Wir verwenden auch alle Formen von biologischen Herzklappen. Sie stammen aus dem Herzbeutelgewebe von Schweinen, Rindern oder Pferden.

Kann Stress die Ursache für einen Herzinfarkt sein?

Drexel: Stress alleine macht zum Glück fast nie einen Herzinfarkt, kann aber ein Risiko in Verbindung mit Rauchen oder Übergewicht sein.

Über die Medikamente zur Bekämpfung des Cholesterins gibt es viel Widersprüchliches.

Drexel: Leider ist es so. Aber im medikamentösen Bereich gibt es keine anderen Medikamente, die so gut untersucht sind und so viele Todesfälle verhindert haben wie die Statine.

Bonaros: Bei Patienten mit einer Stent- oder Bypass-Behandlung sind Statine ein wesentlicher Teil der Therapie. Sie steigern die Offenheitsrate um 20 Prozent.

Wie steht es um die Cholesterinwerte? Da kennt man sich nicht mehr genau aus?

Drexel: Als ich angefangen habe, war 280 die Grenze, heute sind wir bei 180. Der Grund liegt darin, dass sehr viele Leute ein mittelhohes Cholesterin haben, und die bekommen am häufigsten einen Herzinfarkt. Wenn man das Cholesterin senkt, wird auch das Risiko geringer. Die logische Folge ist, auch mit den Grenzwerten herunterzugehen.

Video: Der Vortrag zum Nachsehen 

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