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Ein Wohnfelsen fast wie aus Tuffstein

2012 haben Heike Nickel und Ralf Bernhardt mit der Planung begonnen.
2012 haben Heike Nickel und Ralf Bernhardt mit der Planung begonnen. ©Darko Todorovic
Ralf Bernhardt und Heike Nickel haben ihr in der Nähe von Lindau gebautes Haus nicht nur gemeinsam entworfen, der Bau- bzw. Hausherr hat auch dessen Betonfassade eigenhändig gestockt und gemeinsam mit seiner Frau die hölzernen Böden, Decken und die Stiege selbst gebaut.
Schöner Wohnen in Weißenberg
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Heike Nickel und Ralf Bernhardt sind beide vom Fach. Er arbeitet als Architekt in einem Büro in Dornbirn, sie als Architektin in Lindau. Wo auch ihre drei Kinder in die Schule bzw. den Kindergarten gehen, weshalb es logisch war, dort ihr Haus zu bauen. Ein einigermaßen leistbares, wenn auch seiner Hanglage wegen nicht leicht zu bebauendes Grundstück haben sie in der nicht weit von Lindau entfernten kleinen Gemeinde Weißenberg gefunden. In einer höchst heterogen bebauten Wohngegend, aus der architektonisch einzig ein alter Bauernhof und ein denkmalgeschütztes Haus herausragen. Trotzdem war der Gemeinderat ursprünglich dagegen, dass Nickel/Bernhardt hier ein Haus aus Sichtbeton und noch dazu mit Flachdach bauen. Die nächste Bauinstanz machte die Realisierung des Planes allerdings möglich und inzwischen sei die Frage, ob ihr Haus in die Siedlung passt oder nicht, überhaupt kein Thema mehr, so Ralf Bernhardt. Bester Beweis dafür ist vielleicht die Tatsache, dass die Nachbarschaft ganz ohne Zäune funktioniert.

2012 haben Heike Nickel und Ralf Bernhardt mit der Planung begonnen. Darüber, was das Haus können muss, waren sich die beiden bald einig, wie es nun ausschaut, ist das Produkt eines langen Diskussionsprozesses. Niedrigenergie- bzw. Passivhausstandard haben sie nie angestrebt zugunsten einer Nachhaltigkeit, wie sie sie verstehen. Was bedeutet, die Haustechnik zu minimieren und auf künstliche Dämmstoffe komplett zu verzichten. Um stattdessen ein Haus aus Wärmedämmbeton mit 45 Zentimeter dicken Außenmauern zu bauen, die vom Bauherrn eigenhändig gestockt wurden, was ihnen fast die Anmutung von Tuffstein verleiht. „Ein bisschen Experiment war bei der Wahl dieses Baumaterials schon dabei“, gibt Ralf Bernhardt zu, bis jetzt habe es sich allerdings total bewährt. Nur das bekieste Dach, auf dem flache Photovoltaik-Paneele für die Warmwasserbereitung im Sommer liegen, musste gedämmt werden.

Klare, reduzierte Formen dominieren das Haus. Die 155 Quadratmeter Wohnfläche breiten sich auf zwei Ebenen aus. Die Einschnitte in die Fassaden sind markant gesetzt. Zelebriert als Spiel zwischen schmalen und hohen, in helle Alurahmen außen bündig eingesetzte Fensterschlitze und großen Fenstern mit Holzrahmen, die innen sitzen. Was den Baukörper raffiniert plastisch strukturiert. Richtung Norden gibt sich das Haus sehr geschlossen, nach Osten öffnet es sich im Obergeschoß durch ein durchgehendes Fensterband, das sich an der Westseite fortsetzt. Hier ist auch der Eingangsbereich, der genauso wie die Südfront im Erdgeschoß großzügig raumhoch verglast ist. Wunderbare Aus- und Durchblicke ergeben sich auf diese Weise, die alles andere als zufällig sind.

Das Innere kommt wie ein einziges großes Möbel zum Bewohnen daher. Holz ist neben Beton hier das dominierende Material, räumliche Durchlässigkeit das Prinzip. Was nicht bedeutet, dass es keine Zonen des eher öffentlichen bzw. privaten geben würde. Die meisten Regale, den Wandverbau in dem zu einer großen Terrasse sich öffnenden Wohnbereich haben Heike Nickel und Ralf Bernhardt genauso wie die Holzböden und –decken sowie die Treppe ins Obergeschoß selbst gebaut. Das „Herz“ des Hauses ist ein Ofen im Erdgeschoß, der mit dem Holz befeuert wird, das hinter dem Haus lagert. Das sei schon etwas umständlich, gibt Ralf Bernhardt zu, „wir haben uns aber ganz bewusst für diese Art des Heizens entschieden, die uns dank des Sonnenstroms vom Dach fast unabhängig von fossilen Energien macht“.

Während unten gekocht, gegessen und gewohnt wird, wird oben geschlafen. Die hölzernen Zwischenwände sind ohne viel Aufwand verschiebbar, die eigentlichen Kinderzimmer sind klein, die gemeinsame Spielfläche ist dafür riesig. Komplett anders kommt das Bad mit seinen rohen Betonwänden und seinem schwarzen Schieferboden daher. Um zum Haus zu gelangen, muss man eine steile Rampe überwinden. Hier steht die Garage, die allerdings als Bastelraum bzw. Kellerersatz genutzt wird, während die Autos in einem Carport am Fuß der Rampe abgestellt werden.

Daten und Fakten

Objekt: Haus am Bodensee, Altrehlings bei Lindau

Bauherrschaft: Ralf Bernhardt und Heike Nickel

Planung: Rh + architektur Ralf Bernhardt und Heike Nickel

Statik: Baustatik Ziviltechniker GmbH, Bregenz, Ernst Mader

Fachplaner: EnEV- Berechnungen: Bau8sam, Ravensburg

Planung: 12/2011–3/2012

Ausführung: 3/2013–9/2014

Grundstücksgröße: 775 m²

Nutzfläche: 155 m² (zzgl. Garage)

Bauweise: Außenhaut und Tragstruktur aus 45 cm Dämmbeton mit Zuschlagsstoff Glasschaumschotter aus Altglas; Oberflächen der Hülle außen Beton gestockt, innen Beton glatt in Kombination mit geölter Douglasie; Heizung und Warmwasserbereitung: Grundofen für Stückholz unterstützt durch Strom aus Photovoltaik

Ausführung: Hoher Anteil Eigenleistung; Boll Bauunternehmen, Hergatz(D); Fenster: Zech, Götzis; Abdichtung: Kai Stoll, Weißensberg; Heizung/Sanitär: Gebäude Technik, Neuenstein(D); Ofen: Thomas Schlitzer, Hittisau; Küche: Ralf Reischmann, Lindau; Bodenbeschichtung: AF Fußbodentechnik, Amtzell (D)

Baukosten: Euro 450.000,- inkl. (Kostengruppe 300/400, inkl. Eigenleistung)

Energiekennwert: 60 kWh/m² im Jahr (HWB)

 

Leben & Wohnen – Immobilienbeilage der VN

Für den Inhalt verantwortlich:
vai Vorarlberger Architektur Institut
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