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Ein Familienhaus

©Benno Hagleitner
Entfaltungsraum für sechs Personen war gefragt, Platz zum Musizieren und eine Wand zum Klettern, ein Haus, das alltagstauglich, natürlich und alterungsfähig ist. Und ja, „eats Wälderisches“ durfte es auch haben, wie die Bauherrin hinzufügt.
Ein Familienhaus

In den letzten Jahren haben sich im Bregenzerwälder Einfamilienhausbau offenbar verbindliche Stilmerkmale entwickelt. Ein Typus ist entstanden, der zur Nachahmung verführt und längst auch ohne Architektin oder Architekt produziert wird. Dieses „neue Wälderhaus“, das von Alberschwende bis zum Hochtannberg allerorten aus dem Boden schießt, trägt Schindelkleid und Satteldach, verbindet die strengen Linien der Moderne mit der weichen Materialität heimischen Holzes. Auch im Andelsbucher Ortsteil Moos sind in der sanften Hanglage östlich des Ortskerns jüngst eine ganze Menge solcher Häuser entstanden.Das Haus, das Architekt Ingomar Reumiller ein Stück unterhalb des Vinzenzheims für eine sechsköpfige Familie entworfen hat, zeigt einige der „typischen“ Elemente. Ins Klischeebild vom traditionell-modern-schicken Wälderhaus passt es aber trotzdem nicht. Es ist weniger eitel als viele seiner Zeitgenossen, nicht so sehr auf Äußerlichkeiten bedacht, sondern ganz am Bedarf seiner Bewohner orientiert. Es ist ein Haus, das dem täglichen Gebrauch der Familie bestmöglich dient, also im eigentlichen Sinn des Wortes „funktional“ ist. Und damit ist es modern und zugleich den alten Wälder Bauernhäusern, wie sie seit Jahrhunderten gedacht und gebaut sind, auf sehr innige Weise verbunden und verwandt.

Vor allem aber in der Art seiner Produktion knüpft das Haus an Traditionen an. Weil es die bestehende Topografie achtet und folglich wie selbstverständlich aus dem Gelände wächst, weil die Materialen naturbelassen sind, was ein Altern in Würde garantiert, weil es durch und durch handwerklich hergestellt ist, was dem Haus Eigenständigkeit und Charakter verleiht. Vom Ofen über die Stühle bis zur Gartenmauer wurde mit einer für ein Einfamilienhaus ungewöhnlichen Vielzahl von regionalen Kleinbetrieben zusammengearbeitet. So ist gewissermaßen ein Schauhaus für die hervorragende Handwerkskunst des Bregenzerwalds entstanden.

Architekt Reumiller scheint mit der Bauherrschaft ein sehr bedachtes und bestens vorbereitetes Gegenüber gehabt zu haben. Viele Ansprüche waren schon bei Entwurfsbeginn gut überlegt. „Wir haben relativ spät gebaut“, erklärt der Bauherr. So sei genug Zeit gewesen, sich Beispiele anzuschauen, Eindrücke zu sammeln, die Bilder und Wünsche vom eigenen Lebensraum reifen zu lassen und in einem lebendigen und spannenden Miteinander mit dem Architekten Lösungen zu finden. „Mir ist als Architekt der Diskurs wichtig, das Haus als Destillat der Wünsche, orientiert an den wirklichen Bedürfnissen der Menschen“, erzählt Ingomar Reumiller von der intensiven Zusammenarbeit. Es gehe nicht immer darum, die Vorstellungen der Bauherrschaft unmittelbar umzusetzen: „Es liegt auch in der Verantwortung des Architekten, Wünsche zu hinterfragen, um zu ergründen, was tatsächlich gebraucht wird.“ So ergab sich ein gemeinsamer Entwurfsprozess auf hohem Niveau. Nach und nach entstanden die Pläne für ein Haus, das seine unterschiedlichen Bewohner ernst nimmt und deren vielfältige Bedürfnisse und Erwartungen abdeckt.

Der „Hobbyraum“, der in vielen Häusern in den Keller wandert, wo das Hobby bald vergessen und der Raum zur Rumpelkammer wird, konnte auf diese Weise zum lebendigen Herzstück des Hauses werden. Das Obergeschoß wurde im bergseitigen Teil bis unter das Dach ausgebaut. Eine stilisierte „alpine Landschaft“ mit Spalten und Lichtschlitzen überzieht die Wände und Decken. Sport und Kultur finden hier in seltener Harmonie zusammen. Es ist ein kleiner Saal, der einerseits zum Ausleben der Kletterleidenschaft einlädt, andererseits zum Musizieren und für kleine Hauskonzerte genutzt wird. Das hölzerne Gebirgsrelief mit seiner vielfach geneigten Geometrie ist dafür akustisch optimal. Und es gibt auch einen „Riesenfernseher“, schmunzelt der Architekt und meint damit das große Panoramafenster Richtung Südosten zur Niedere, wo ein idyllischer Ausschnitt echter Bergwelt mit Kühen und Paragleitern betrachtet werden kann.

Daten & Fakten

Objekt Haus Dorner, Andelsbuch
Bauherrschaft Elisabeth und Martin Dorner
Architektur DI Ingomar Reumiller, Andelsbuch, www.reumiller.net
Statik NF-Engineering, Diepoldsau
Fachplaner Bauphysik: DI Erich Reiner, Bezau; Akustik: Ing. Karl Brüstle, Dornbirn; Bauleitung: Plan-B, Wolfgang Bilgeri, Hittisau
Planung 2012
Ausführung 8/2012–8/2013
Bauweise: Massivholzwände mit Holzfaserdämmung; Fassade: Stampfbeton im UG, Schindelung; Innenwände: Holzständerwände mit Lehmputz und Kalkspachtelung; Fenster: Holzfenster; Böden: Riemen- und Breitdielenböden aus Fichte und Esche, Natursteinböden; Heizung: Wärmepumpe, Photovoltaik und Solarthermie, Kachelofen
Ausführung: Baumeister und Stampfbeton: Oberhauser & Schedler, Andelsbuch; Holzbau: Kaspar Greber, Bezau; Innenausbau: Holzwerkstatt Faißt, Hittisau; Anton Mohr, Mohr Polster und Tischlerei Geser, alle Andelsbuch; Holztreppe: Fetz, Egg; Naturstein: Gerd Metzler, Egg; Ofen: Ewald Voppichler, Egg; Lehmputz & Kalkspachtelung: Markus Lerch, Dornbirn; Akustikdecke: Tischlereien A. Meusburger, Bizau und Bereuter, Lingenau; Sanitär: Wälderinstallateur, Bezau; Elektro: Willi, Andelsbuch; Holzböden: Helmut Fink, Au; Indachphotovoltaik und -thermie: C. Bösch, Wolfurt; Schieferdach und Spengler: Peter Felder, Andelsbuch; Fenster: Claus Schwarzmann, Schoppernau; Schindelung: Peter Lässer, Lingenau; Kletterwand: cb Outdoor, Grünkraut-Gullen(D); Beleuchtung: licht und form, Dornbirn; Trockenbau: Reuplan, Hard
Energiekennwert 38 kWh/m²a im Jahr (Heizwärmebedarf)

Leben & Wohnen – Immobilienbeilage der VN

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