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Ebene

feine Modellierung des Terrains mit der höher gelegenen Straße und den tieferen Garten“, so Architekt Clemens Huber.
feine Modellierung des Terrains mit der höher gelegenen Straße und den tieferen Garten“, so Architekt Clemens Huber. ©Günter Laznia
Fußach - Wer von den Mühen der Ebene spricht, lässt sich leicht vom Glanz der Gipfel blenden – was dem klaren Blick nicht gut tun kann.
Kinderhaus Pertinsel, Fußach

Die Menschen des Rheindeltas sind mit solch einer Ebene bestens vertraut – das schärft ihren Blick für kleinste Nuancen der Landschaft, die gar nicht so eben ist. Und sie leben an einer Hauptverkehrsader des Landes, mit allen Vor- und Nachteilen, die so ins Land gepumpt werden – nicht zuletzt Beschäftigung dank bester Anbindung. Was den Gemeinden wiederum überdurchschnittliches Wachstum beschert, mit all den Alltagssorgen, die solche Verdichtung mit sich bringt – Mühen der Ebene eben.Zu den großen Herausforderungen für heutige Familien gehört die Frage, wie Erwerbstätigkeit und Kinder unter einen Hut zu bringen sind. Wo die bäuerliche Familie mit mehreren Personen unterschiedlichen Alters auf dem Hof gewirkt hat, muss heutzutage das Gemeinwesen einspringen. Kinderkrippe, Kindergarten, Hort, Schule, jeweils für unterschiedlichste Bedürfnisse – Erziehung ist zur öffentlichen Angelegenheit für Experten geworden, ausgeübt in eigenen Bauten.

Für die Gemeinde Fußach waren die Einrichtungen im Ortszentrum zu klein geworden, jenseits der Hauptstraße wuchsen die eigenen Wohngebiete und jene von Höchst zusammen – ein neues, verkehrsgeschütztes Kinderhaus kam um 2005 auf die Tagesordnung. Städtebauliche Studien begannen 2006, zwei Jahre später begann die Planung und 2011 wurde der Bau nach zweijähriger Bauzeit bezogen.

Der Bau der Gemeinde dient nicht nur als Kinderhaus. Er entwickelt sich in Ost-West-Richtung, schirmt die Wohngebiete im Süden gegen die nördliche Hauptstraße ab, bildet am südlichen Eingang einen neuen Ortsplatz, integriert soziale Angebote und aktiviert die Landschaft. „Der Bau unterstreicht die feine Modellierung des Terrains mit der höher gelegenen Straße und den tieferen Garten“, so Architekt Clemens Huber. Zum Platz erhebt sich der Bau zu ganzer Höhe und schafft einen großzügigen wettergeschützten Vorbereich. Von hier weg führt ein breiter Weg mit wechselnden Plätzen ins Haus. Auf den Windfang folgt ein weites und hohes Foyer, dann schmälert ein Höhensprung mit Treppe und Rampe den Lauf, der Raum springt ein halbes Geschoß nach unten und teilt sich nun der Länge nach in Flur und Rampe.

Ein langgestreckter Raum mit viel Tageslicht, begleitet auf der Nordseite von einer langen Sichtbetonwand mit einigen schmalen Ausblicken, während auf der Südseite große verputzte Wände in strahlendem Weiß mit zurückgesetzten Betonscheiben und Ausblick wechseln. Diese Wände schließen die Gruppenräume ab und kleine Fenster zum Flur unterstreichen den Eindruck von Häusern an einer Straße – was die „Straßenlaternen“ bestätigen, wie sie die Wege durchs Dorf begleiten.

Der Kopfbau beherbergt Räume, die unabhängig vom Betrieb des Kinderhauses bespielt werden – das Foyer für größere Veranstaltungen, daneben Beratungsräume des „Sozialsprengel Rheindelta“, im Stockwerk tiefer die beiden Bewegungsräume der Kinder, die zu einer Turnhalle zusammengeschlossen werden können und über die Treppenanlage „Arena“ reichlich belichtet und auch von außen bespielbar sind.

Der rückwärtige Bau – um ein halbes Geschoß abgesenkt – schließt die vier Kindergruppen ebenerdig an Garten und Spielplatz an. Die Gruppenräume sind mit Birkensperrholz ausgekleidet und mit einer Abstellbox mit Galerie ausgestattet. Eigene Garderoben, Küchen und Nasszellen sowie ein großzügiger Ruheraum ergänzen jede Raumgruppe. Im Keller unter dem Kindertrakt befinden sich Gemeindearchiv und Technik. Geothermie mit Fußbodenheizung, kontrollierte Be- und Entlüftung und in den Bau integrierte Photovoltaik garantieren trotz großzügig verglaster Gruppenräume Passivhausstandard des hochgedämmten Baus aus Betonscheiben. Der Vielfalt im Innern steht außen große Zurückhaltung gegenüber. Der Höhensprung der beiden Bauteile und zwei unterschiedliche Fassaden bestimmen das Bild: eine Vorhangfassade aus längsformatigen Tonplatten in drei hellen Sandtönen – im Norden ergänzt um wenige, liegende Fensterbänder – fassen den Bau kräftig zusammen und betonen den Baukörper. Die Kinderräume nach Süden und Westen sind mit tiefen Loggien in dieses Volumen eingeschnitten, Trennwände und vorspringende Nebenräume sind mit horizontaler Lärchenschalung verkleidet.

Nach drei Jahren urteilt Sabrina Violand-Metzler, Leiterin des Teams: „Die Helligkeit der Räume, das Platzangebot, der Zugang zu Garten und Wasserlauf, der Austausch untereinander – das ist großartig. Mit dem Architekten haben wir gut zusammengearbeitet. Was wir anfangs kritisch sahen – die Einblicke vom Flur – stärkt den Zusammenhalt. Und dann die Rampe: Eltern mit Kinderwagen, Rollstuhlfahrer – alle kommen zu den Kindergruppen. Vor allem aber: Die Kinder rennen und genießen sie mit den flachen Absätzen – es ist wie Fliegen.“ „Was würde das ganze Haus nützen, wenn sich das Leben nicht ganz entfalten könnte“, ergänzt Architekt Clemens Huber.

Daten & Fakten

Objekt: Kinderhaus Pertinsel, Fußach, Kindergarten und Kinderbetreuung
Bauherrin: Gemeinde Fußach, Immobilienverwaltung
Architektur: Lothar Huber, Clemens Huber, Lustenau
Bauleitung: Lothar Huber, Lukas Huber, Lustenau
Statik: Gerhard Moser, Hard
Elektroplanung: ekplan, Nenzing
Heizungsplanung: Günter Hofer, Höchst
Bauphysik: Karlheinz Wille, Frastanz
Lüftungsplanung: S&P climadesign, Ohlsdorf/OÖ
Prüfstatik: gbd, Dornbirn
Spielplatz: Büro für Spielräume, Lustenau
Planung: 2008–2009
Bau: 2009–2011
Nutzfläche: 2100 m²

Bauweise: Heizung: Sole/Wasser-Wärmepumpe; Erdsonden, Photovoltaikanlage; kontrollierte Beund Entlüftung; hinterlüftete Tonplattenfassade; Holzschalungen bei den Loggien; eingeschnittener Eingangsbereich; Innenraum Holz- und Betonflächen, verputzte Wandflächen

Ausführung: Spezialtiefbau und Baumeisterarbeiten: Hilti&Jehle, Feldkirch; Zimmermann: Meusburger Holzbau, Lauterach; Elektro: EGD, Dornbirn; Heizung/ Sanitär: Bartosek, Höchst; Licht: Hörburger, Altach; Erdsondenanlage: Schertler-Heim, Lauterach; Verglasung: GMS Salzgeber, Dornbirn; Holzfenster Sternath, Hard; Wandverkleidungen: Plattner, Hohenems; Tonplattenfassade: Spiegel, Sulz; Schlosser: Helgar Blum, Höchst; Bodenbeläge, Vetter, Bregenz; Bodenbeläge: Ludovikus, Lustenau; Gärtner: Florian Stadelmann, Hard

Heizwärmebedarf: 18 kWh/m² im Jahr

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