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Vorarlberg - „Quality Time“: Die Dornbirner Bürgermeisterin Andrea Kaufmann im Sonntags-Talk

Die Dornbirner Bürgermeisterin Andrea Kaufmann sprach mit der WANN & WO auch über "Quality Time".
Die Dornbirner Bürgermeisterin Andrea Kaufmann sprach mit der WANN & WO auch über "Quality Time". ©MiK
WANN & WO traf sich mit der Dornbirner Bürgermeisterin Andrea Kaufmann um über Herausforder­­ungen, Frauen in der Politik und „Quality Time“ zu reden.

WANN & WO: Wie kann man sich den Alltag der Bürgermeisterin vorstellen?

Andrea Kaufmann: Auf alle Fälle sehr bunt. Es ist auch immer wieder witzig, da ich oft 3. Klassen der Volksschulen auf Rathausführungen da habe und sie fragen immer: „Was machen Sie den ganzen Tag?“ Und ich erkläre ihnen immer, dass es nicht nach Stundenplan läuft, sondern kein Tag wie der andere ist. Es ist eine Fülle an Terminen, Entscheidungen, Sitzungen, Veranstaltungen, Stadtratssitzungen und natürlich das Tagesgeschäft.

WANN & WO: Das klingt nach viel Arbeit?

Andrea Kaufmann: Wir sind ein Be­­trieb mit 1800 Mitarbeitern und ich bin kraft Funktion auch Personalchefin. Da fällt – wie auch in jedem größeren Unternehmen – alles an, was das Personal betrifft. Natürlich gibt es aber auch Regelmäßigkeiten: Jour Fix, Besprechungen etc.

WANN & WO: Bleibt da überhaupt noch Zeit für Privates?

Andrea Kaufmann: Ich habe vier Kinder im Alter von neun bis 20. Da muss man sich schon bewusst Zeit für die Familie nehmen. Trotzdem ist mein Zeitplan dicht gedrängt. Freiräume muss man schaffen. Bei Fixterminen wie z.B. Geburtstagen geht die Familie immer vor oder wenn mich die Kinder unbedingt brauchen. Aber sie sind es auch gewöhnt, dass sie sich mit mir absprechen müssen.

WANN & WO: Was machen Sie, wenn Sie Ihre „Quality Time“ genießen möchten?

Andrea Kaufmann: Die Zeit, die mir bleibt, versuche ich mit den Kindern zu verbringen, z.B. mit Einkaufen gehen oder etwas unternehmen. Für mich bedeutet „Quality Time“ Zeit mit der Familie. Daheim fallen natürlich sonst auch noch andere Arbeiten an, denn ich bin ja nicht nur Mutter, sondern auch Hausfrau.

WANN & WO: Wer schmeißt den Haushalt? Sie oder Ihr Ehemann?

Andrea Kaufmann: Ich habe eine Haushaltshilfe, die zwei bis dreimal in der Woche am Vormittag kommt, um das Grobe zu machen. Der normale Haushalt bleibt bei mir „hängen“. Die Kinder und mein Ehemann helfen natürlich auch mit.

WANN & WO: Wie würden Sie Ihre Kindheit beschreiben?

Andrea Kaufmann: Ich hatte eigentlich eine schöne Kindheit. Mein Vater war in der Politik und ich habe bereits früh mitbekommen, was es heißt, Politiker zu sein. Damals war ich der Meinung, dass ich das sicher auf keinen Fall möchte (lacht). Dass er viel weg war, hat er gut kompensiert. „Quality Time“ war ihm wichtig, denn es kam nicht auf die Quantität, sondern auf die Qualität der gemeinsamen Zeit an. Damals hätte ich mir aber nie vorstellen können, in der Politik tätig zu sein, geschweige denn, dass es mich erfüllt. Aber oft kommt es anders als man denkt und jetzt ist es umgekehrt (lacht).

WANN & WO: Wann folgte die Idee, sich auf politischer Ebene stärker zu engagieren?

Andrea Kaufmann: Ich war um die 20 Jahre alt, kurz nach einer Gemeinderatswahl. Damals war noch Rudi Sohm Bürgermeister von Dornbirn. Auf einer Veranstaltung im alten Jugendhaus Kaktus kam es zu einer kleinen „Jugendrevolte“. Die Jungen haben sich aufgeregt, dass in Dornbirn zu wenig für die Jugend gemacht wird und haben den Rudi Sohm ziemlich in Zange genommen. Auf der Veranstaltung habe ich mir gedacht: „Bevor ich alles kritisiere, was nicht richtig läuft, möchte ich selbst mitgestalten.“ Das war für mich so die Zündung.

WANN & WO: Und wie kamen Sie dann zur ÖVP?

Andrea Kaufmann: Ich habe mich bei der Jungen ÖVP angemeldet und habe dann eine Einladung zu einer Veranstaltung bekommen. Da bin ich dann auch hin, ohne jemanden gekannt zu haben. So bin ich hineingewachsen. Politisches Handwerk lernt man sehr gut in der Gemeinde. Nach dem Studium habe ich mich dann stärker engagiert und wurde überraschend sofort in den Stadtrat gewählt.

WANN & WO: Wie hat sich Ihr Leben zwischen Stadträtin, Landesrätin und dann Bürgermeisterin verändert?

Andrea Kaufmann: Die Zeit als Stadträtin war sehr spannend und prägend, ich war mit 24 die jüngste Stadträtin in Österreich – damals noch ohne Familie, nach dem Studiumabschluss und gerade in der Ausübung meines ersten Berufes in der Raiffeisen Bank im Controlling in Bludenz. Als Stadträtin war ich fast 15 Jahre lang tätig und hatte in dieser Zeit auch meine Familien-Gründungsphase. Das war schon ein Jonglieren. Der Wechsel in die Landesregierung war dann ein Sprung, da ich noch als Stadträtin einem Beruf nachgehen konnte. Erst nach dem zweiten Kind habe ich den Beruf aufgegeben. Und in der Landesregierung wusste ich, dass ich in einen 150 Prozent-Job wechsle. Das hat mir schon schlaflose Nächte bereitet, aber mit Hilfe der Familie konnte ich diese Arbeit meistern. Der Wechsel zur Bürgermeisterin war wiederum keine leichte Entscheidung. Ich konnte vieles von der Landesregierung, besonders an der Professionalisierung, mitnehmen.

WANN & WO: Was bringt das Bürgermeisterinnenamt mit sich?

Andrea Kaufmann: Ein hohes Maß an Verantwortung und man ist sehr nahe an den Menschen. Ein hohes Budget. In der Landesregierung hätte ich immer noch am Schluss jemanden hinter mir, der die Entscheidung gefällt bzw. getragen hätte. Als Bürgermeisterin ist man auf sich gestellt und weiß, dass Entscheidungen von dir erwartet werden.

WANN & WO: Sie sind die erste Bürgermeisterin Dornbirns. Wie sehen Sie die Rolle der Frau in der Politik?

Andrea Kaufmann: Ich bin ein Fan von durchmischten Gremien. Ich finde, dass man sich sehr gut ergänzt und ich habe auch in den letzten 20 Jahren die Erfahrung gemacht, dass in der Politik, in der Männer und Frauen am Werk waren, es am besten funktioniert hat. Man hat unterschiedliche Hintergründe, Sichtweisen und Zugänge. Es ist eine Frage der Persönlichkeit – das gilt für Frau und Mann gleichermaßen. Wenn man etwas leidenschaftlich bzw. authentisch macht, kommt das an und das merken die Menschen. Was aber schon stimmt ist, dass Frauen doppelt beobachtet werden: Wie macht sie das? Kann sie das? Man schaut bei Frauen zuerst mehr aufs Äußere.

WANN & WO: Wie könnte man Frauen motivieren in die Politik zu gehen?

Andrea Kaufmann: Da habe ich schon gute und schlechte Erfahrungen gemacht. Frauen trauen sich manchmal weniger zu als Männer. Nicht, weil sie es nicht könnten, sondern weil sie sich mehr Gedanken machen. Motivieren kann man sie wahrscheinlich nur durch „Role Models“, um zu zeigen, dass es immer irgendwie geht. Und es geht oft viel mehr als man sich vorstellen kann. Aber es ist nicht einfach, gerade wenn sich Frauen in der Familienphase befinden oder Kinder haben. Aber irgendwie engagieren sich ja fast alle irgendwo.

WANN & WO: Würden Sie sich als solches „Role Model“ bezeichnen?

Andrea Kaufmann: Nicht bewusst, ich hatte Glück, dass ich eine gute Infrastruktur und einen guten Familienbund hatte. Ich sehe mich nicht als „Role Model“, aber aus meiner Biografie kann man sicherlich eine Devise ablesen: „Man muss manchmal einen Schritt wagen und schauen, wie es sich entwickelt.“ Das ist in der Politik nicht anders – eine Funktion auf Zeit. Man kann nicht davon ausgehen, dass man in diesem Bereich für die kommenden 30 Jahren tätig sein wird. Die, die irgendwo kleben und meinen, dass sie diese Funktion behalten müssen, sind dann schlussendlich nicht die, die lange bleiben.

WANN & WO: Wie hat sich aus Ihrer Sicht die Stadt Dornbirn entwickelt?

Andrea Kaufmann: Die letzten 20 bis 25 Jahre konnte ich schon intensiv mitgestalten, -wirken, und -beobachten. Dornbirn hat sich, auch aufgrund von klugen Entscheidungen meiner Vorgänger, sehr gut entwickelt. Wir sind wirtschaftlich stark aufgestellt und das ist auch die Grundlage einer Stadt. Wir haben ein konsolidiertes Budget und konnten auch wirklich gute Betriebe nach Dornbirn holen. Das versuchen wir immer weiter zu entwickeln. Und wenn das passt, passen auch die Steuereinnahmen und dann kann man auch in Dinge investieren, die den Menschen wichtig sind, also in die Lebensqualität, z.B. in Kulturelles, Sportanlagen, Freizeitbereiche, oder aktive Bürgerbeteiligung oder in Richtung Digitalisierung. Man darf sich nie ausruhen.

WANN & WO: Wie sehen Sie die Zunkunft der Messestadt?

Andrea Kaufmann: Raumentwicklung und Raumplanung sind große Themen: Wir haben noch Flächen aber Verdichtung wird sicher eine Rolle spielen. Als ganz großes Thema sehe ich in den nächsten Jahren das Zusammenleben der verschiedenen Kulturen, Nationen und Generationen. In Dornbirn leben 115 verschiedene Nationalitäten. Wie schaffen wir ein Zusammenleben mit einer hohen Qualität für alle? Daran arbeiten wir sehr stark, damit es nicht auseinander driftet.

WANN & WO: Was macht Dornbirn aus Ihrer Sicht speziell?

Andrea Kaufmann: Dornbirn selbst (lacht) – ist ein eigener Schlag. Es ist die Mischung, die mir so gefällt: Gewisses Traditionsbewusstsein, eine tolle Naturlandschaft, ein Hinterland, welches man sich nur wünschen kann. Wir sind noch dörflich strukturiert, teilweise, aber dennoch folgte eine starke Urbanisierung in den letzten Jahren. Dazu gibt es noch tolle Forschungszentren und auch eine FH als super Einrichtung. Wir haben auch eine spannende Szene an neuen, kreativen Entwicklern. Wir punkten nicht mit Hochkultur, sondern mit einer dynamischen Szene.

WANN & WO: Wie schaut es eigentlich mit der Markthalle in Dornbirn aus?

Andrea Kaufmann: Ja, die Markthalle ist mein Baby, das ist ein Lieblingsthema von mir (lacht). Ich möchte die erste Markthalle in Dornbirn haben, aber so weit sind wir noch nicht. Im September gibt’s einen Zwischenstand in der Machbarkeitsstudie. Der Standort muss zentral in Dornbirn liegen und darf den Markt nicht konkurrenzieren. Wir haben schon verschiedene Markthallen angeschaut, denn wir möchten nicht nur Vorarlberg ansprechen, sondern auch die Ostschweiz und Süddeutschland. Ich glaube schon, dass die Markthalle Zugkraft hätte und es wäre auch eine gute Ergänzung für die Stadt. In der Studie soll auch ein Produktemix für das Angebot erstellt werden. Ich bin schon gespannt, was bei der Studie rauskommt und welcher Standort der Beste sein wird.

(WANN & WO)

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