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Die Quadratur des Kreises

©Stefan Hauer
Qualitäten, die Nutzer(innen) im Einfamilienhaus suchen, sind auch in anderen Wohntypen möglich. Ein Dreifamilienhaus in Hörbranz macht vor, wie entspannt und großzügig es sich mit gemeinsamer Haustür leben lässt.
Die Quadratur des Kreises

In Deutschland wird ein großer Teil des Wohnbedarfs über Einfamilienhäuser (38 %), gefolgt von Mehrfamilienhäusern (31 %) und schließlich verdichtetem Wohnbau gedeckt. In der Schweiz hat eine Studie der Hochschule Luzern ergeben, dass der Anteil an Einfami- lienhäusern am Gebäudebestand 1970 bei ca. 40 % lag und seither gestiegen ist. Im Jahr 2000 machte er bereits 56 % aus. Seither sind fast drei Viertel der Liegenschaften, die neu errichtet wurden, Einfamilienhäuser. Das Problem: „Einfamilienhäuser verbrauchen viel Bodenfläche, die aber nur von wenigen Personen genutzt wird. Sie haben an der Zersiedelung der Schweizer Landschaft deshalb einen wesentlichen Anteil“, so die Studienautor(inn)en. Der Befund in Österreich ist nicht viel anders. Nach wie vor ist das Einfamilienhaus der prägendste Bautypus, kulturell und emotional verankert, teil einer kollektiven Wohnbiografie, besonders in ländlichen Regionen. Erkenntnisse über Ressourcenknappheit, ökologische und soziale Problemstellungen sind das eine. Realer gesellschaftlicher Wandel das andere. Selten genügen Argumente, um einen Wandel zu vollziehen, der nie durch „alle“, sondern nur durch einzelne in Gang gesetzt werden kann.

Den Traum vom Einfamilienhaus haben nach wie vor viele Menschen. Befragt nach Motiven hinter dieser Wahl – bei jenen, die es sich leisten können, wohlgemerkt – sind großzügige Grundrisse, individuelle Hauseingänge, Sicherheit, private Außenräume, Privatsphäre und Stauraum. Eine gute Alternative können Gebäude sein, die diese Qualitäten auch bieten – aber Boden eben effizienter nutzen, indem mehr Menschen in einem Gebäude leben und manche Investitionen gemeinsam getätigt werden können. Mehrfamilienhäuser können ein solcher Wohntypus sein.

Beim Lokalaugenschein in Hörbranz besuchen wir mit Architekt Philip Lutz ein Gebäude, das bereits seit einigen Jahren bewohnt wird. Drei Wohnungen befinden sich in diesem Haus. „Die Anforderung für die Planung war, auf einem Grundstück ein Wohnhaus mit drei Einheiten entstehen zu lassen. Diese sollten unterschiedlich in Größe und flexibel für weitere mögliche Aufteilungen sein.“

Die Siedlungslage entspricht der regional weit verbreiteten Struktur einer Einfamilienhauslandschaft. „Hier wollten wir eine Ergänzung anbieten, die sich aber gut integrieren kann.“ Größe, Gestaltung und Platzierung auf dem Grundstück tragen zu dieser Integration bei. Die Eigentümerin hatte das Grundstück vor wenigen Jahren erworben, danach begann die Planung. Von Beginn an war klar, dass hier nicht zum Eigenbedarf gebaut wird. Die Wohnungen sollten vermietet werden.

Der gemeinsame Eingang ins Haus führt in einen kleinen Vorraum. Von hier aus ist bereits die erste der Wohnungen begehbar. Die Wohnungen im ersten und zweiten Obergeschoß sind durch ein Treppenhaus erschlossen, dass ab Ebene eins bereits privat ist und auch so den Einfamilienhauscharakter unterstreicht.

„Es gibt keinen Keller. Die technischen Anlagen sind sehr kompakt in einem Raum gleich links vom Hauseingang für alle gut zugänglich. Statt Kellerabteilen gibt es diese Räume im Erdgeschoß. Sie sind direkt vom Carport aus begehbar und führen auch nach innen.“ Mit dieser Anordnung schafft Philip Lutz auch die Staffelung, die das Gebäude von außen so markant prägt. Die Komposition des Baukörpers sorgt für Plastizität. Die Wohnungen sind übereinander geschachtelt angelegt. Im Erdgeschoß ist die kleinste Wohnung. Im zweiten die größte mit knapp 150 Quadratmetern, im 2. Obergeschoß die dritte, ebenfalls mit größzügigem Grundriss. Im Grundriss, aber auch im Schnitt entstanden spannende räumliche Verschränkungen. Durch die gut überlegte Anordnung der Räume und Außenbereiche können alle drei Parteien privat sein, obwohl sie räumlich nah zusammenrücken.

Auffällig sind die ausladenden „Ohren“, wie sie Philip Lutz nennt. Die Überdachung kleiner Bereiche auf den großen Terrasen ist ein markantes Gestaltungsdetail und sorgt dafür, „dass die Terrassen gut nutzbar sind. Die Ergeschoßwohnung nutzt den Garten.“ Die großen Öffnungen der Räume und die Terrassen blicken allesamt in die gleiche Richtung. „Wir haben uns hier an der Sonne orientiert.“

„Ob Verdichtung in Vorarlberg im Sinne eines Näherzusammenrückens gelingen kann, hängt nicht nur von einzelnen Gebäuden ab, sondern wesentlich von den Bewohner(inne)n dieser Gebäude und einer funktionierenden Nachbarschaft“, so Philip Lutz, der sich neben der eigenen planerischen Tätigkeit auch im Gestaltungsbeirat der Nachbargemeinde engagiert. Damit positive soziale Strukturen in den Kommunen entstehen können, sind neben dem Wohnangebot auch Bereiche wie Kinderbetreuung, Energieversorgung, Mobilität, Angebote von Kultur und Bildung etc. wichtig; private Projekte, die hier einen Beitrag leisten, agieren vorbildlich. Öffentliche Projekte könnten hier noch weitere Schritte gehen, indem sie eben diese Angebote räumlich verschränken und vermehrt Mischnutzungen anstreben.

Daten & Fakten

Objekt Dreifamilienhaus, Hörbranz
Bauherr privat
Architekten Philip Lutz ZT-GmbH Seestrasse 5/5, 6900 Bregenz, www.philiplutz.at
Mitarbeiter Phil Giselbrecht
Statik Hämmerle-Huster Ingenieurkonsulenten für Bauwesen ZT GmbH, DI Erich Huster, Bregenz
HLS-Planung Ing. Stefan Ammann, Bregenz
Bauphysik DI Bernhard Weithas, Ingenieurbüro für Bauphysik, Bregenz
Fertigstellung 2014
Nutzung Mehrgeschoßbau mit drei Wohneinheiten
Konstruktion Rohbau in Massivbauweise; Ortbetondecken auf Stahlstützen; Außenwände als gedämmte Holz-elemente; hinterlüftete Fassaden mit heimischen Fichtenschindeln verkleidet
Technik Abluftanlage für Wärmetausch; Nachströmen von Außenluft über Lüfterschlitze in den Fenstern; Wärmepumpe mit Erdkollektoren

Leben & Wohnen – Immobilienbeilage der VN

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