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Die Politik erklärt das Gymnasium zum Auslaufmodell

Mag. Michaela Germann, Obfrau der ÖPU Vorarlberg
Mag. Michaela Germann, Obfrau der ÖPU Vorarlberg ©ÖPU/Mauche
Utl: „Will die Bevölkerung wirklich die Gesamtschule?“ Würde man als Grundlage für die Beantwortung dieser Frage das Ergebnis der „Frage des Tages“ von vol.at am 22.05.15 nehmen, so hätte sich eine klare Mehrheit gegen die Einführung der Gesamtschule ausgesprochen.

Die Politik hingegen spricht sich gegen eine differenzierte Bildungslandschaft aus und erklärt das Gymnasium zum „Auslaufmodell“ – aufgrund eines zweijährigen Forschungsprojektes. Von einem „klaren Votum“ für die Gesamtschule kann man jedoch nur dann sprechen, wenn man andere wissenschaftlich fundierte Untersuchungen, die sich gegen das Modell einer Gesamtschule aussprechen, ignoriert“, nimmt Michaela Germann, Obfrau der ÖPU-Vorarlberg, zur aktuellen Diskussion Stellung.

„Man müsste hier nur einen Blick nach Deutschland werfen oder die Warnungen französischer Bildungsexperten hören. Erst Anfang Mai konnte man in der NZZ lesen, dass Frankreichs Gesamtschule wesentlich zur sozialen Segregation und zu einem sinkenden Ausbildungsniveau beitrage. Ein anderes Beispiel gegen die Gesamtschule ist eine Studie des Instituts zur Zukunft der Arbeit in Bonn. Diese Studie widerspricht der verbreiteten Kritik, dass ein mehrgliedriges Schulsystem die Schüler zu früh auf unterschiedliche Schulformen verteile und dadurch die Bildungschancen der Kinder einschränke. Die Wahl der Schulformen hat langfristig keine Auswirkung auf Beschäftigung, Lohnniveau und Bildungsstand“, so Germann. „Die Studie, die auf umfangreichem Datenmaterial basiert, zeigt somit deutlich, dass die Stärke eines differenzierten Schulsystems in der Möglichkeit der Anpassung der Lerninhalte an unterschiedliche Begabungen und Entwicklungsgeschwindigkeiten besteht.“

„Statt am System zu rütteln erscheint es sinnvoller, die Durchlässigkeit zwischen den Schulformen noch weiter zu steigern“, lautet der Vorschlag der ÖPU-Obfrau. „Für Vorarlberg bedeutet dies, die unbefriedigende Situation, die gegenwärtig an der Schnittstelle zwischen Volksschule und Sekundarstufe I herrscht, als Problem wahrzunehmen, für das es Lösungen zu erarbeiten gilt. Stattdessen die Gesamtschule einzuführen zu wollen, bedeutet die Augen vor den eigentlichen Problemen zu verschließen. Man schiebt das Problem nur zur nächsten Schnittstelle zwischen Sekundarstufe I und II weiter und vergrößert es gleichzeitig“, so Germann.

„Eigentlich unverzeihlich, dass in dieser bildungspolitischen Diskussion, die zukunftweisend sein möchte, die Möglichkeiten der dualen Ausbildung schwer vernachlässigt wird. Ich muss hier AK Präsident Hubert Hämmerle beipflichten“, so Germann, „ wenn er eine Imagekampagne für die Lehre und die Einführung eines Blum-Bonus „neu“ fordert.“

Als Argumente für die Gesamtschule werden immer wieder die Chancengerechtigkeit und die Möglichkeit, gesellschaftliche Defizite zu korrigieren, genannt. In der Realität jedoch boomt gerade in Staaten mit Gesamtschule der Privatschulsektor. „Ich wünsche mir für Vorarlberg keine Entwicklung wie in Großbritannien. Dieses Land wird von einem Club der Bildungsprivilegierten dominiert. Sieben von zehn Spitzenbeamten und sechs von zehn Wirtschaftsführenden haben Privatschulen besucht, obwohl die britischen Privatschulen nur 7% aller Schüler unterrichten. So eine Entwicklung ist weit entfernt von der immer wieder zitierten „Chancengerechtigkeit“ und wäre schlichtweg eine Katastrophe.“

 

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