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Die Musikfilme im Programm der diesjährigen Viennale

"Grace Jones: Bloodlight And Bami" läuft auf der Viennale 2017
"Grace Jones: Bloodlight And Bami" läuft auf der Viennale 2017 ©Viennale
Sowohl im Spiel- als auch Dokumentarfilmbereich offeriert die 55. Viennale zahlreiche Werke mit Fokus auf Musik, die Bandbreite reicht dabei von Grace Jones über Johnny Rotten bis hin zu von Drogenkartellen bedrängten Bands in Lateinamerika.

Eine Auswahl zu den Filmen der Viennale 2017, die Musik als zentrales Thema setzen, ist hier zu finden.

“Denk ich an Deutschland in der Nacht”

Der deutsche Filmemacher Romuald Karmakar ist wieder zu einem seiner Lieblingsthemen zurückgekehrt: dem Techno. Wie schon in “Villalobos” oder “196 bpm” liefert er aber keinen klassischen Musikfilm ab, sondern versucht einen etwas anderen Blick auf Clubs und den Sound, der sie am Leben hält. Fünf Protagonisten kommen in “Denk ich an Deutschland in der Nacht” zu Wort und legen ihre ganz persönliche Sicht auf die Entwicklung von Techno dar. Was dabei schnell deutlich wird: Es ist kein grelles oder gar lautes Porträt, das von Ricardo Villalobos, Ata oder Roman Flügel gezeichnet wird. Vielmehr begegnet man den DJs und Soundtüftlern bei der Suche nach dem nächsten Klang, beim Fühlen eines gewissen Grooves oder beim Ertasten des perfekten Übergangs.

Gerade Letzteres ergibt eine eigenwillige Bild-Ton-Schere: In den Aufnahmen, die das pulsierende Nachtleben zeigen und in denen die Kamera meist nah an den Musikern dran ist, hört man nicht jene Klänge, die aus den Boxen schallen. Stattdessen taucht man in die Kopfhörerwelt der Beatbastler ein, die auf dem Computer oder dem Plattenteller den passenden Anknüpfungspunkt suchen. Immer wieder wird da zurück- und vorgespult, stolpern die Rhythmen übereinander und fühlt man sich seltsam entkoppelt von der tanzenden Masse. Der DJ als einsamer Zeremoniemeister der Ekstase sozusagen. Diese Bilder kombiniert Karmakar mit sehr persönlichen Interviews seiner Protagonisten, die die Lust an der Stille ebenso zum Thema haben wie die Veränderung des Nachtlebens durch den Terror. Der Film bleibt letztlich aber zwiespältig, wird doch viel vorausgesetzt und etliches nicht ausgesprochen. Zwischen blinkenden und fiependen Studiolandschaften sowie zum Bersten gefüllten Partykellern fühlt man sich da ein wenig verloren. (27. Oktober, Gartenbaukino und 29. Oktober, Stadtkino)

“The Public Image is Rotten”

“Anarchy in the UK” war einmal. Nach dem Ende der legendären wie kurzlebigen Sex Pistols war es für deren Sänger John Lydon (alias Johnny Rotten) zunächst nicht gerade einfach, seine eigene Stimme wiederzufinden. Im Streit mit Manager Malcolm McLaren, auf der Suche nach neuen Ausdrucksmöglichkeiten, in ständiger Belagerung durch die Medien: Was Lydon durchmachte, gleicht einer Selbstermächtigung im klassischen Sinn. Diese zeichnet Tabbert Fiillers Dokumentation “The Public Image is Rotten” in all ihren Facetten nach, wobei eigentlich nicht Lydon, sondern sein Folgeprojekt im Mittelpunkt steht: Public Image Limited (kurz: PiL).

“Ich bin einer der wenigen Menschen in der Geschichte, die einfach nicht verschwinden werden.” Dieser Satz fällt ganz früh im Film, gesprochen von einem jungen, ausgemergelten, aber mit kreativem Glanz in den Augen ausgestatteten Lydon. Und auch wenn der große Mainstreamerfolg sich nicht mehr wiederholten sollte, so sind die unterschiedlichen PiL-Phasen – von energetischem Postpunk über New Wave bis zu experimentellen Ausflügen – doch Ergebnis eines rastlosen Kreativkopfes. Angelegt als recht klassische Musikdoku, die Archivmaterial mit ausführlichen Interviewsequenzen der Protagonisten wie Weggefährten verknüpft, ist es allen voran Lydon zu verdanken, dass man durchwegs gefesselt ist. Seine Authentizität und Direktheit verleiht dem Film ebenso viel Charakter wie dem ziemlich ansprechenden, wenngleich wechselhaften Oeuvre seiner Band PiL. (29. Oktober, Stadtkino)

“Olancho”

Wie Drogenkartelle das Leben in Lateinamerika beeinflussen, ist wohl hinlänglich bekannt. Dass man sich aber auch als Musiker einflussreiche Freunde oder Feinde schaffen kann, ist eine Facette, die der eigenwillige Musikfilm “Olancho” zum Vorschein bringt. Das Regieduo Theodore Griswold und Christopher Valdes hat den Sänger Manuel zwei Jahre lang begleitet, der mit seiner Gruppe Los Plebes de Olancha recht erfolgreich unterwegs war. Doch wer über das harte Leben in der titelgebenden Region singt, der setzt zwangsläufig mit den Narcos auseinander.

Zwischen den armen Verhältnissen der Bauern, den kurzen Ablenkungen durch die Auftritte der Band und nächtlichem Vorspielen bei Drogenbossen angesiedelt, zeichnen Griswold und Valdes ein ziemlich packendes Bild einer Gesellschaft im Würgegriff von Gewalt, Korruption und den wenigen, dafür umso intensiveren Momenten der Freiheit. Wenn sich Kartellmitglieder Lieder wünschen, kann man nur schwer Nein sagen – und kommt dennoch in Teufels Küche, wie am Beispiel von Manuel vorgeführt wird. “Olancho” überzeugt mit Authentizität, Direktheit und einem erzählerischen Kniff, der im letzten Drittel für einen Aha-Effekt sorgt. (20. Oktober, Stadtkino)

“Rumble: The Indians Who Rocked The World”

Kennen Sie “Rumble” von Link Wray? Mit ziemlicher Sicherheit, hat das instrumentale Rockstück doch einen der prägendsten Sounds des 20. Jahrhunderts hervorgebracht. Von “Pulp Fiction” bis “Spongebob Schwammkopf” reichen die popkulturellen Einsätze und Zitate. Dass der Urheber dieser verzerrten Gitarre aber Native American war, ist wohl den Wenigsten bekannt. Catherine Bainbridge und Alfonso Maiorana haben sich für ihre Doku “Rumble” auf die Spuren jener Musiker geheftet, die mit ihren indianischen Wurzeln den Klang von Folk, Blues, Hip-Hop, Jazz und Rock maßgeblich beeinflusst haben.

Herausgekommen ist ein Film klassischen Zuschnitts, der aber mit seinen liebevollen Montagen, der bestechenden Musikauswahl und einer großen Anzahl höchst prominenter Talking Heads zu bestechen weiß. Von Martin Scorsese über George Clinton, Quincy Jones und Iggy Pop bis Tony Bennett sowie Taboo von den Black Eyed Peas reicht die Auswahl. Vor allem sind es aber die gesellschaftspolitischen Querverbindungen und Zwänge, die aufgezeigt werden und ein vielgestaltiges Bild der Situation der Musiker entfalten. Wie wird es an einer Stelle formuliert? “Sei stolz, ein Indianer zu sein, aber sei vorsichtig, wem du es sagst.” (23. Oktober, Stadtkino)

“Grace Jones: Bloodlight And Bami”

Sie ist eine Ikone, wie sie um Buche steht: Grace Jones prägt seit mehr als 40 Jahren das popkulturelle Geschehen in unterschiedlichsten Facetten. Sei es als Model, Schauspielerin oder Sängerin – stets setzte die heute 69-Jährige Maßstäbe oder entzog sich landläufigen Konventionen. Ihrem musikalischen Oeuvre nähert sich Sophie Fiennes in “Grace Jones: Bloodlight and Bami”, wobei die britische Regisseurin weniger den Werdegang in den Fokus rückt, sondern Jones über einen Zeitraum von zehn Jahren begleitet und eingefangen hat. Einblicke in die Garderobe, Vorbereitungen auf die Auftritte, Intensität auf der Bühne – all diese Aspekten werden hier zusammengeführt, getragen von einer Größe des Business. (26. Oktober Gartenbaukino/2. November Urania)

“Patti Cake$”

Durchwegs positive Kritiken, Standing Ovations für die Hauptdarstellerin Danielle Macdonald bei der Sundance-Premiere: “Patti Cake$” scheint vieles richtig zu machen. Der Film von Geremy Jasper, bis dato eher als Musikvideoregisseur aktiv, erzählt die Geschichte der übergewichtigen Patricia, die Rapperin werden möchte. Rap-Battles auf der Straße, Verhöhnungen aufgrund ihres Körpers, kritische Blicke der Mutter: Patti hat sich keineswegs nur musikalisch zu beweisen, sondern steht in der Reihe starker Frauenfiguren im Kino, die sich trotz aller Widerstände durchsetzen. Ein bunter, lauter Versuch des modernen Musikfilms, der durchaus zu punkten weiß. (21. Oktober, Gartenbaukino und 25. Oktober, Urania)

Infos zur Veranstaltung

V17
V17

Viennale – Vienna International Film Festival (V’17)

Wann: 19.Oktober bis 2.November 2017
Wo: Gartenbaukino, Stadtkino im Künstlerhaus, Urania, Metro, Filmmuseum
Programm: Online auf viennale.at
Link zur Homepage

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>> Alle News und Infos zur 55. Viennale

(APA/Red.)

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