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"Die jungen Leute nach vorn treiben!"

Probost ist bekannt für seine strikt regionale Küche
Probost ist bekannt für seine strikt regionale Küche ©VOL.AT/Hofmeister
Thorsten Probost (43), Haubenkoch im Burg Vital Resort in Oberlech, im Gespräch mit W&W.

WANN & WO: Herr Probost, Ihre Küche ist streng regional. Ist das Ihr oberstes Gebot?

Thorsten Probost: Die Natur ist der Architekt meiner Küche. Was sie mir gibt, wird gemacht, anders geht es nicht. Wenn es bei uns keine Waldheidelbeeren gibt, dann kommen sie auch nicht auf die Karte. Es wird niemals passieren, dass ein Pilz auf dem Teller liegt, der nicht aus Österreich ist. Auch kein Olivenöl, dafür gibt es Walnussöl, Distelöl, Leinöl und so weiter. Kleine Ausnahmen sind Dinge wie etwa Pfeffer.

WANN & WO: Sie selbst sind ja auch „importiert“ aus Schwaben. Hatten Sie nie Probleme mit der österreichischen Mentalität?

Thorsten Probost: Gar nicht. Ich hatte ja auch meine Großeltern in Österreich, im Böhmerwald. Viele meiner österreichischen Chefs meinten, da kommt ein Deutscher, den können wir jetzt triezen. Die haben mich in den Keller geschickt und gesagt, hol die Fisolen, die Paradeiser, den Karfiol. Weil ich eben Verwandtschaft hatte, wusste ich aber, was das ist und kam mit den Bohnen, den Tomaten und dem Blumenkohl zurück. Dann hieß es, woher weißt du das, und ich habe gesagt: „Was vorne auf dem Pass drauf steht, ist nicht immer alles, was drin ist.“

WANN & WO: Sie sind ja auch in Österreich geblieben, arbeiten seit 14 Jahren in Lech für die Familie Lucian.

Thorsten Probost: Ja, und ich arbeite auch mit vielen Lieferanten eng zusammen. Gerade war ich in Viktorsberg, da starte ich jetzt was Neues mit der Familie Marte, nämlich züchten wir das Weiße und das Blaue Wiener Kaninchen, eine sehr alte Rasse. Wenn die Leute, die produzieren, Spaß dabei haben, erhält man von ihnen wirklich sensationelle Produkte.

WANN & WO: Sie sind als Executive Chef auch mit vielen organisatorischen und wirtschaftlichen Dingen betraut, stehen Sie noch oft selbst in der Küche?

Thorsten Probost: Jeden Tag zu jedem Service. Mir liegt daran, die jungen Leute nach vorne zu treiben, ihnen zu zeigen, was ich selbst in den Metzgereien, Konditoreien und so weiter sehen durfte und auch, was mich in den 14 Jahren hier geprägt hat.

WANN & WO: Eine Sache des Verantwortungsgefühls?

Thorsten Probost: Ich glaube schon. Wenn ich einen Mitarbeiter habe, will ich ihm alles zeigen und ihn alles machen lassen. Wenn er dann in einen anderen Betrieb geht, ist das halt so. Immer noch besser als ein Mitarbeiter, der zwar immer bei mir bleibt, aber ich zeige ihm nix. Der bringt nichts voran. Der sieht nichts, bringt nichts Neues ein, den interessiert das nicht. Das ist weder für die Kulinarik noch für die Stimmung im Haus gut. Ich will, dass die Jungs etwas aufnehmen und dann rausgehen und machen. Wenn die sich entwickeln, haben sie auch eine Gaudi dabei.

WANN & WO: Wie streng waren Ihre eigenen Chefs?

Thorsten Probost: Ich habe zum Teil sehr harte Geschichten mitgemacht. Als ich selbst in der Verantwortung stand, habe ich gesagt, das kann es nicht sein. Wenn du morgens anfängst und das Erste, was du hörst, ist, „Geh Nudelwasser aufstellen, oder bist du dazu auch nicht in der Lage, du bist ja zu blöd zu allem“, oder Servicekräften mit zu heißen Tellern die Finger verbrannt werden – nein. Da kann man sich nicht konzentrieren, es wird immer schlimmer. Und wenn du vom Chef immer hörst, wie schlecht du bist, von den Gästen aber, wie gut es geschmeckt hat, dann fragst du dich irgendwann: „Ja, was jetzt?“

WANN & WO: Welcher Chef hat Sie am meisten geprägt?

Thorsten Probost: Das war sicher der große Lehrmeister Rolf Straubinger auf Burg Staufeneck. Er kam frisch vom Meisterkurs in Heidelberg, kochte bei dem Wettbewerb „Goldene Kochmütze“ mit und ließ mich einfach überall mithelfen. Er hat immer alles mit mir zusammen gemacht. So kam ich zu einem riesigen Schatz an Rezepten, aber auch an Erfahrungen im Umgang mit Menschen. Seine Mutter war auch grandios, wenn wir sie gefragt haben, ob wir auch einmal dies und jenes machen dürfen, meinte sie immer, „Buben, lernt ihr erstmal das arbeiten. Kochen könnt ihr gleich.“ Wahre Worte.

WANN & WO: Haben Sie nie ans Aufgeben gedacht?

Thorsten Probost: Ich hatte einmal einen Punkt, an dem ich sagte, ich möchte nicht mehr für Restaurants kochen, die in einem Gault Millau oder einem Guide Michelin bewertet werden. Wenn so einer zum Essen kommt, willst du, dass alles mehr als perfekt ist, und vernachlässigst alles drumherum, das geht nicht.

WANN & WO: Sind Lob und Kritik Themen für Sie?

Thorsten Probost: Das ist eher eine Geschichte für meine Jungs. Diese Anerkennung, wenn man schätzt, was die Küche macht, ist schon toll, aber ich höre mehr auf das, was die Gäste sagen, als auf das, was irgendein Guide sagt. Und es gibt ja Leute, die wirklich alles kritisieren. Die haben dann von nichts eine Ahnung, sind aber Blogger.

WANN & WO: Sind Sie ein disziplinierter Mensch?

Thorsten Probost: Ja. Anders funktioniert es nicht. Das Messer muss morgens am gleichen Ort liegen, es muss sauber und aufgeräumt sein, sonst gibt es ein Chaos. Auch bei mir daheim im Skikeller kommt alles nach der Reihe. Genau wie in der Küche. Wenn die Grunddisziplin passt, dann läuft es. Und wenn doch mal gar nichts mehr geht, dann geht man zum Libellensee. Quasi die Chillout-Oase in Lech.

WANN & WO: Haben Sie Zeit für Privatleben?

Thorsten Probost: Ich glaube, das Kochen und was dazugehört, das ist mein Privatleben. In meiner heutigen Position kann ich mir meine Zeit und mein Leben so einteilen, wie ich es will. Es gibt aber nicht unbedingt etwas, was nur Arbeitszeit oder nur Freizeit ist. Ich kann morgens anfangen und abends aufhören, wann ich will. Und wenn ich dann am Bodensee mit dem Boot unterwegs bin, mal kurz ins Wasser springe und dann bei meinem Fischer vorbeifahre und mit ihm rede, ist das dann privat oder Job? Oder ich treffe am Weg zur Arbeit jemanden und helfe Kälber tränken. Es ist immer was los.

WANN & WO: Und wenn Sie doch mal die Nase voll von allem haben?

Thorsten Probost: Wenn ich mich körperlich abreagieren und nicht so viel denken will, dann gehe ich Tennis spielen. Ansonsten sehr gerne auf den Berg oder Radfahren.

WANN & WO: Haben Sie noch Ziele?

Thorsten Probost: Ich habe so Vorstellungen, wo es hingehen könnte. Wenn man mich jetzt fragt, wie lange ich noch kochen will – darauf kann ich keine genaue Antwort geben. Aber wenn man mir eine Landwirtschaft an einem tollen Ort mit guter Lage in Vorarlberg in Aussicht stellt, würde ich nicht lange überlegen. Darum habe ich auch so gute Kontakte zu den Bauern. Es gibt mittlerweile genug gute Köche, welche Techniken und Anrichten drauf haben. Denen dann zu sagen, ich schupfe euch ein bisschen an, ich zeige euch dies oder jenes und ich bringe euch tolle Produkte, würde mich ein wenig aus dem Stress rausholen.

WANN & WO: Sie schauen sehr auf andere, oder?

Thorsten Probost: Das sagen viele, dasss ich zuerst auf den Rest schaue und dann auf mich, aber es ist doch so: Wenn es den anderen gut geht, bist du selbst auch happy. Ich muss ja wissen, wie es meinen Abwäschern geht, den Commis, den Servicemitarbeitern. Wenn ich morgens durchgehe, jedem die Hand gebe und mit jedem rede und lache, dann weiß ich: Mit denen kann ich arbeiten, da geht auch was vorwärts.

WANN & WO: Würden Sie rückblickend etwas anders machen?

Thorsten Probost: Ich würde viele Sprachen lernen. Nur Sprache bringt Wissen über das, was auf dem Planeten los ist. Und vielleicht mit Anfang, Mitte dreißig das wissen, was ich jetzt weiß, das wäre gut gewesen. Und auch, wenn ich niemals einen anderen Lehrbetrieb hätten haben wollen: Keine Idolisierung mehr. Das sage ich auch den Jungen, hört mit dem Vorbilddenken auf, ihr müsst euren eigenen Stil finden. Mehr Demut auch. Öfter mal die Schuhe ausziehen und durchs nasse Gras laufen.

Wordrap

Vorarlberg: Schönstes Bundesland in Österreich, wo ich alles finde, was großartiges Kochen ausmacht.
Lech: Ein Dorf, das noch Potenzial hat, das manche nicht erkennen, weil sie nicht sehen, was Landschaft einem Menschen zurückgeben kann.
Beruf: Verbindet Freundschaften über die ganze Welt. Umso schöner, wenn der Beruf auch Passion ist.
Familie: Oft zu weit weg von hier. In Lech gibt es aber die Ersatzfamilie mit den Kollegen im Haus, der Familie Lucian und liebgewonnenen Freunden.

Zur Person

Name: Thorsten Probost
Geboren: 3. März 1973 in Geislingen an der Steige (D)
Beruf: Executive Chef im Hotel Burg Vital in Oberlech
Hobbys: Tennis, Skifahren, Wandern
Credo: „Was die Natur mir gibt, wird gemacht.“

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