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Die Halbzeitbilanz von Wiens OSZE-Vorsitz

Kurz lädt zu einem informellen Ministertreffen der OSZE nach Mauerbach bei Wien.
Kurz lädt zu einem informellen Ministertreffen der OSZE nach Mauerbach bei Wien. ©APA (Sujet)
Am kommenden Dienstag lädt OSZE-Vorsitzender Sebastian Kurz (ÖVP) zu einem informellen Ministertreffen der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa nach Mauerbach bei Wien. Die Zusammenkunft findet kurz nach der Halbzeit des österreichischen OSZE-Vorsitzes statt, der mit viel Gegenwind zu kämpfen hat. Hier eine Zwischenbilanz.

UKRAINE

Der Bürgerkrieg in der Ex-Sowjetrepublik hat der OSZE vor drei Jahren schlagartig wieder große Relevanz gegeben. Die über 1.000 Personen starke Sonderbeobachtungsmission (SMM) bemüht sich um eine Eindämmung der Feindseligkeiten zwischen Armee und pro-russischen Separatisten. Doch zeigt der Ukraine-Konflikt auch schonungslos die Grenzen der nach dem Konsensprinzip agierenden Organisation. Mit seiner gewagten Reise an die Kontaktlinie setzte Kurz gleich zu Beginn des Vorsitzjahres im Jänner ein starkes Zeichen. Im März gelang dem Vorsitz die Verlängerung der SMM um ein weiteres Jahr, die jüngste massive Verschlechterung der Sicherheitssituation mit einer Verdoppelung der zivilen Opfer und dem ersten Todesopfer in den Reihen der SMM konnte Wien aber nicht verhindern. Die Ostukraine sei ein “Pulverfass”, das jederzeit explodieren könne, urteilt SMM-Vizechef Alexander Hug. Und auch der OSZE-Sonderbeauftragte für die Ukraine, Martin Sajdik, hat angesichts der eskalierenden Lage “tiefe Sorgenfalten”.

BUDGET

In Finanzfragen beginnt das OSZE-Vorsitzjahr schon im Oktober. Der künftige Vorsitz soll so mehr Zeit bekommen, um das knapp 100 Millionen Euro schwere Budget für die Organisation auszuverhandeln. Trotzdem ist es fast Tradition, dass die Budgeteinigung erst nach Jahresbeginn erzielt wird. Heuer dauerte es sogar bis Juni. Kein Ruhmesblatt für den österreichischen Vorsitz, aber es spricht für seine Managementfähigkeiten, dass die fünf Monate “budgetlosen Zustands” fast unbemerkt vorübergegangen sind.

PERSONALIA

Im Personalbereich hatte der österreichische Vorsitz “sehr viel Pech”, wie der scheidende OSZE-Generalsekretär Lamberto Zannier in seinem Abschiedsinterview mit der APA sagte. Der deutsche OSZE-Vorsitz überließ den Österreichern nämlich zwei Personalvakanzen – die Minderheitenkommissarin und die Medienbeauftragte. Dann warf auch noch der Direktor des ohnehin umstrittenen Büros für Demokratische Institutionen und Menschenrechte (ODIHR), der Deutsche Michael Link, das Handtuch. Er verzichtete auf eine zweite Amtszeit und machte eine dritte Personalentscheidung erforderlich. Damit war der lange ausgeheckte Plan, den allseits respektierten Schweizer Diplomaten Thomas Greminger im Juli geschmeidig ins Amt des OSZE-Generalsekretärs zu lotsen, Makulatur. Greminger wird von mehreren Staaten in Geiselhaft genommen, die bei den anderen Jobs einen guten Deal herausschlagen wollen. So sind erstmals in der Geschichte der OSZE alle vier Topposten der Organisation vakant. Gelingt es, diesen Gordischen Knoten zu zerschlagen, wird der österreichische wohl als einer der erfolgreicheren Vorsitze in die OSZE-Geschichte eingehen. Wenn nicht, könnte der OSZE sogar eine Existenzkrise drohen.

ANTI-TERROR-SCHWERPUNKT

OSZE-Vorsitzländer versuchen traditionell, eigene Prioritäten zu setzen. Dass Außenminister Kurz auf den Kampf gegen Radikalisierung und gewalttätigen Extremismus gesetzt hat, verwundert angesichts seine politischen Schwerpunktsetzungen nicht. Auch wenn Kurz vereinzelt vorgeworfen wurde, die OSZE für seine eigene politische Agenda zu instrumentalisieren, war die internationale Resonanz auf diesen Schwerpunkt überwiegend positiv. Der Terrorismus ist ein immer drängenderes Problem, und anders als bei anderen Fragen ziehen hier alle OSZE-Staaten in die gleiche Richtung. Es bleibt aber abzuwarten, welche nachhaltigen Ergebnisse der maßgeblich vom deutschen Terrorexperten Peter Neumann geformte Schwerpunkt haben wird.

SEBASTIAN KURZ

Der OSZE-Vorsitz war bisher eine Bastion von Chefdiplomaten, die so taten, als würden ihre austarierten Erklärungen tatsächlich etwas zur Entschärfung von Konflikten beitragen. Sebastian Kurz ist das genaue Gegenbild dazu. Mit jugendlicher Dynamik und frischen Botschaften trat er an, der OSZE auf die Sprünge zu helfen. Dabei setzte er viel auf die persönliche Ebene. Beim Hamburger OSZE-Ministerrat im vergangenen Dezember stellte er sich 16 Amtskollegen als künftiger “chairman-in-office” vor. Doch anders als bei seinem Leibthema Flüchtlingspolitik fehlte Kurz beim OSZE-Vorsitz der allerletzte Einsatz und der Feuereifer, vielleicht auch aus Angst, sich an der Weltpolitik die Finger zu verbrennen. Für Verwunderung bei Beobachtern sorgte, dass er schon Ende März auf das Thema EU-Reform umzusatteln schien – und dass er bei seiner Neuwahlansage im Mai den OSZE-Vorsitz mit keinem Wort erwähnte, nachdem er zuvor Fragen nach seiner politischen Zukunft regelmäßig unter Verweis auf seine Verpflichtungen als OSZE-Vorsitzender abgetan hatte. Wenn also Experten und Diplomaten zur Halbzeit die Performance der österreichischen OSZE-Spitzendiplomaten in den höchsten Tönen loben, kann dies auch als Urteil über den amtierenden Vorsitzenden verstanden werden.

(APA/Red)

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