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Deutschland-Wahl: Europa verneigt sich vor Merkel, Griechenland stöhnt

Spitzenpolitiker gratulieren Kanzlerin zu klarem Wahlerfolg.
Spitzenpolitiker gratulieren Kanzlerin zu klarem Wahlerfolg. ©dpa
Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat nach dem deutlichen Erfolg der Union bei der Bundestagswahl Glückwünsche aus ganz Europa erhalten. Oder zumindest aus fast ganz Europa. Griechenland etwa stöhnt über den Merkel-Sieg.
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“Ein Triumph für die Königin des Spardiktats” – so titelte am Montag nach dem Wahlsieg von Angela Merkel die meistverkaufte griechische Tageszeitung “Ta Nea”. Für das Blatt steht fest: “Europa wird Merkel-Land.”

“Merkel, Merkel über alles”…

Ähnlich sieht es “El Mundo” aus Spanien. Das Blatt titelte: “Merkel, Merkel über alles” – in Anspielung auf die vor allem zur Nazi-Zeit gesungene erste Strophe des Deutschland-Liedes.

EPA
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Das Blatt erklärte Merkels Erfolg aber nüchtern mit den vergleichsweise guten deutschen Wirtschaftsdaten, vor allem der niedrigen Arbeitslosenquote.

Merkel als “Desaster” für Pleite-Land

Auch auf den Straßen Athens gab es wenig Unterstützung für Merkel, die in dem Euro-Krisenland als Hauptverantwortliche für die massiven Sparmaßnahmen angesehen wird und entsprechend unbeliebt ist. “Merkel ist gut für die Deutschen, aber für uns arme Leute im Süden ist es ein Desaster”, sagte ein 36-Jähriger. Es werde weitere Sparvorgaben geben. Ein 56-Jähriger räumte dagegen ein: “Wir beschweren uns, aber wer sonst würde uns all das Geld geben?” Die Griechen müssten dies akzeptieren. Von der Regierung in Athen gab es zunächst keine Reaktion. Der Think Tank Eliamep betonte, die Regierung hoffe auf mehr Zugeständnisse.

Partner setzen auf “enge Zusammenarbeit”

So gut wie alle europäischen Partner indes wollen ihre “enge Zusammenarbeit” mit der deutschen Regierungschefin fortsetzen. Ein Überblick:

FRANKREICH

Der französische Präsident Francois Hollande gratulierte Bundeskanzlerin Merkel am Sonntagabend in einem Telefongespräch. Beide seien sich einig gewesen, dass sie ihre “enge Zusammenarbeit” weiterführen wollten, teilte das Präsidialamt in Paris mit. Merkel und Hollande wollten “unablässig” daran arbeiten, dass Deutschland und Frankreich ihre Zusammenarbeit fortsetzen könnten, um die “neuen Herausforderungen der europäischen Konstruktion zu meistern”, hieß es in der Erklärung weiter. Hollande lud Merkel nach Abschluss der Regierungsbildung zu einem Besuch in Paris ein.

Der französische Europaminister Thierry Repentin sieht in einer möglichen Großen Koalition aus Union und SPD eine Chance für eine Verbesserung der Partnerschaft mit Deutschland. Für eine solche “Annäherung” zwischen Berlin und Paris müsste die SPD Merkel Zugeständnisse in der Sozialpolitik abringen, sagte der Sozialist am Montag der Nachrichtenagentur AFP. Der auch für die Beziehungen zu Deutschland zuständige Minister nannte als Beispiel einen Mindestlohn, für den Frankreich sich auf europäischer Ebene stark macht.

Pressestimmen aus Frankreich:

Daneben forderte die konservative Tageszeitung “Le Figaro”, dass Merkel den stotternden deutsch-französischen Motor in Europa wieder anwerfe. “Merkel sollte nun der europäischen Integration neues Leben einhauchen”, schrieb das Blatt. Der französische Finanzminister Pierre Moscovici sagte, er wünsche sich eine stärkere Integration, unter anderem durch die geplante Bankenunion, die die Aufsicht der Geldhäuser und deren Abwicklung im Krisenfall neu regeln soll. Es werde keinen Stillstand in den Verhandlungen geben, versicherte EU-Binnenmarktkommissar Michel Barnier.

GROSSBRITANNIEN

Der britische Premierminister David Cameron überbrachte Merkel seine Gratulation per Twitter-Botschaft. Er freue sich darauf, auch in Zukunft “eng mit ihr zusammenzuarbeiten”, schrieb er in dem Kurznachrichtendienst.

EUROPÄISCHE UNION

Auch EU-Ratspräsident Herman Van Rompuy freut sich darauf, seine “enge Zusammenarbeit” mit Kanzlerin Merkel weiterzuführen. “Ich bin sicher, dass die Bundesrepublik Deutschland und ihre neue Regierung weiterhin engagiert zum Aufbau eines friedlichen und wirtschaftlich erfolgreichen Europas beitragen werden, das allen Bürgern dient”, erklärte Van Rompuy am Sonntagabend in Brüssel.

Der Präsident des Europaparlaments, Martin Schulz (SPD), rief die künftige deutsche Bundesregierung auf, sich für Wachstum in Europa einzusetzen. Gemeinsam mit dem Europaparlament müsse sie die Aufgabe angehen, “die systembedrohende Jugendarbeitslosigkeit zu bekämpfen” und “ein kluges Investitionsprogramm aufzulegen, das Wachstumsimpulse setzen und die Politik der Haushaltskonsolidierung ergänzen kann”, erklärte Schulz am Montag in Brüssel. Zudem müsse die europäische Bankenunion vollendet und schnell eine Finanztransaktionssteuer eingeführt werden. Das Wahlergebnis sei “ein großer Erfolg für Angela Merkel”, fügte Schulz hinzu.

EU-Binnenmarktkommissar Michel Barnier bezeichnete Merkel als “überzeugte Europäern”, die ein “gutes Gefühl” und viel Energie habe. Außerdem sei sie pragmatisch, lobte Barnier am Montag in Brüssel die alte und neue Kanzlerin.

ITALIEN

Italiens Regierungschef Enrico Letta gratulierte Merkel ebenfalls zu ihrem “glänzenden Wahlergebnis”. Es sei ein “gutes Ergebnis für die EU”, wenn die Euro-kritische Alternative für Deutschland (AfD) den Einzug in den Bundestag verpasse, sagte er nach den ersten Hochrechnungen. Die AfD scheiterte am Ende knapp an der Fünf-Prozent-Hürde.

Lettas Vorgänger Mario Monti hofft unterdessen auf ein Bündnis von Union und SPD. “Falls eine Große Koalition zustande kommt, rechne ich mit Fortschritten bei der europäischen Integration”, sagte Monti der Zeitung “La Stampa” (Montag-Ausgabe). Erfreut zeigte sich der frühere EU-Kommissar für Binnenmarkt und Wettbewerb über das Scheitern der FDP. “Die aktuelle FDP stand der europäischen Politik oft im Weg”, sagte Monti. Eine Abkehr Deutschlands von der Budgetdisziplin erwarte er nicht. Die Bundeskanzlerin werde aber ein größeres Augenmerk auf das Wachstum legen.

PORTUGAL

Der portugiesische Botschafter in Berlin, Luis de Almeida Sampaio, sagte der Tageszeitung “Diario de Noticias”, Deutschland und die EU bräuchten Länder, die nach den milliardenschweren Rettungshilfen wieder auf eigenen Beinen stehen könnten. “Wir können die Erfolgsgeschichte in Südeuropa werden.”

POLEN

Der polnische Regierungschef Donlad Tusk bezeichnete den Unionssieg bei der Bundestagswahl als “imponierendes Ergebnis”. “Ich bin zufrieden, denn das ist ein bewährter Partner, beide Regierungen haben in den (vergangenen) Jahren gut und zum Nutzen Polens zusammengearbeitet”, sagte er am Montag in seiner Heimatstadt Gdingen (Gdynia).

TSCHECHIEN

Der tschechische Regierungschef Jiri Rusnok gratulierte der deutschen Bundeskanzlerin Angela Merkel zu einem “außerordentlichen Wahlergebnis der CDU/CSU”. “Aus der Sicht der Tschechischen Republik ändert das Wahlergebnis nichts an unseren guten Beziehungen”, sagte Rusnok laut Medienberichten vom Montag.

UNGARN

Den ungarischen Premier Viktor Orban verleitete Merkels Wahlsieg zu Pathos. “Gott erhalte die deutschen Christdemokraten, ich gratuliere, liebe Angela”, sagte er am Sonntagabend in einer Videobotschaft. Er habe die Nachricht vom Sieg Merkels “mit großer Freude” vernommen. Dieser sei “offensichtlich wichtiger Sieg für Euch, doch auch für uns, da er für die Zukunft Ermutigung, Ansporn bedeutet”. Das Abscheiden der Unionsparteien würde zeigen, dass “auch inmitten der schweren europäischen Krise das Vertrauen der Wähler gewonnen werden kann”.

LITAUEN

Litauens Präsidentin Dalia Grybauskaite betonte ebenfalls die europäische Dimension von Merkels Wahlerfolg. “Dieses beeindruckende Wahlergebnis symbolisiert nicht nur das Vertrauen, das Deutschland in Sie und Ihre Partei setzt, sondern ist auch ein eindeutiges Zeichen für die Unterstützung Ihrer Bemühungen, Deutschland und ganz Europa aus einer sehr tiefen und komplizierten Wirtschaftskrise zu führen”, hieß es in einer in der Nacht vom Präsidialamt in Vilnius verbreiteten Mitteilung.

PORTUGAL

Die sozialistische Opposition in Portugal wertete Merkels Triumph hingegen als “schlechte Nachricht für Europa”. Das Wahlergebnis stärke Merkel, die sich mit ihrem Kurs in Europa aber politisch isoliere, erklärte ein Parteisprecher.

ÖSTERREICH

Eine Woche vor der Nationalratswahl gratulierten am Sonntagabend sowohl Bundeskanzler Werner Faymann (SPÖ) als auch sein Vize Michael Spindelegger (ÖVP) Merkel zu ihrem Triumph. “Ich wünsche den deutschen Nachbarn viel Erfolg bei der Regierungsbildung und freue mich auf eine weitere gute Zusammenarbeit”, teilte Faymann am Sonntagabend mit. Spindelegger erklärte laut einer Aussendung, das Wahlergebnis zeige das Vertrauen der Menschen zu Parteien, die “konservativ wirtschaften und christlich-soziale Werte leben.”

TÜRKEI

Die türkische Regierung hofft nach der Wiederwahl Merkels auf eine verstärkte Zusammenarbeit mit Deutschland. Vize-Regierungschef Bülent Arinc gratulierte Merkel am Montag zum Wahlsieg. Arinc sagte nach Angaben der Nachrichtenagentur Anadolu Ajansi, er hoffe, dass die Beziehungen zwischen beiden Ländern an Fahrt aufnähmen. Er erwarte, dass Merkel künftig mehr Wert auf die Zusammenarbeit mit der Türkei legen werde.

Merkels ablehnende Haltung zu einer EU-Mitgliedschaft der Türkei sorgt in Ankara regelmäßig für Missmut. Zuletzt hatte Merkels Kritik an der Polizeigewalt bei den landesweiten Demonstrationen in der Türkei zu Protesten Ankaras geführt.

(APA/ red)

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