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Der Sonne entgegen: Das Sunlighthouse

Sunlighthouse von Architekt Juri Troy.
Sunlighthouse von Architekt Juri Troy. ©VAI, Adam Mørk
International die Initiative, österreichisch das Grundstück, vorarlbergisch das Know-how. Hein-Troy Architekten planten das exemplarische Solarhaus ganzheitlich nachhaltig. Dank Kollektoren und Fotovoltaik produziert es mehr Energie, als es verbraucht. Es hat extrem viel Tageslicht, ein Raumklima zum Wohlfühlen und eine vorbildliche CO2-Bilanz.
Das strahlende Sunlighthouse

Das Wohnglück der Österreicher(innen) liegt scheinbar im Einfamilienhaus. Weltweit verbrauchen Gebäude etwa 40 % der Energie. Als Beitrag zu mehr Nachhaltigkeit errichtet eine auf Dachflächen spezialisierte Firma sechs ressourcenschonende „ModelHomes 2020“ in Europa. VELUX Österreich koppelte den nationalen Hang zum Einfamilienhaus mit der Förderung junger Architektur: Man lud neun innovative Büros zum Wettbewerb für ein „ModelHome 2020“. Es sollte mindestens 15° Dachneigung und ein gutes Raumklima haben, wenig Energie brauchen, CO2-neutral und sehr hell sein. Gefordert war auch ein fünfmal höherer Tageslichtquotient als die die Norm. Das spart Strom und tut der Seele gut: In sonnigen Räumen lebt es sich besser.

Latte hoch gelegt

Das Grundstück ist typisch österreichisch und legte den Planern die Latte hoch: der schattige Hang fällt von der Zufahrt im Nordwesten bis zum Wäldchen im Südosten stark ab. Die lange Sonnenseite im Südwesten wird vom Nachbarn beschattet. Hier die schönste Aussicht im Nordosten: Dort liegt der Wienerwaldsee hinter einer Hecke. Hier viel Licht in ein energieeffizientes Haus zu locken, war extrem schwer. Aus den Komponenten von energiesparsamer Oberflächenminimierung, hohem Tageslichtanteil und maximaler Raumqualität entwickelte der Vorarlberger Architekt Juri Troy einen unorthodoxen Baukörper, der sehr gut auf Ort und Vorgaben reagiert.

Hohe Energieerträge

„Ein Passivhaus minimiert vor allem den Heizwärmebedarf. Die CO2-neutrale Planung dagegen ist ganzheitlich: Wir haben auch den Energieverbrauch bei der Herstellung, beim Transport, der Verarbeitung und im Betrieb einbezogen“, sagt Troy. „Der Heizenergiebedarf unseres Hauses liegt deutlich über Passivhausstandard, die positiven Energieerträge machen das aber wett“ sagt Troy. Nichts an diesem Haus, das Ressourcenschonung und Energieeffizienz mit maximaler Raum- und Lebensqualität verbindet, ist zufällig. Markantestes Merkmal ist das speziell ausgeformte Dach, das sich im Südwesten knapp über Brüstungshöhe aus dem Wohnraum stülpt und so die Schrägverglasung in drei atmosphärische Lichttrichter verwandelt. Sie holen die Sonne herein und erzeugen einen fast sakralen, hellen Raum. Der unattraktive Blick auf das Nachbargrundstück wird ausgeklammert, Jalousien spenden Schatten, mit den Schiebetüren der Kastenwand sind die Fenster komplett zu schließen. Dann rückt die Öffnung im Südwesten, die das Wäldchen zum natürlichen Tableau adelt, ins Zentrum der Aufmerksamkeit. Noch ganzheitlicher erlebt man den Blick auf den Wienerwaldsee: In der 55,5 cm dicken Wand im Nordosten gibt es eine Nische zum Lesen, Liegen und Entspannen. In das Sitzfenster ist auch ein Rollo integriert, das per Beamer zum Heimkino wird.

Direkt am Garten

„Der Hang war ein großes Thema“, sagt Juri Troy. „Wir wollten mit zwei Ebenen direkt das Gelände anbinden. Außerdem sollte es geschützte Freibereiche geben, die Teil des Wohnens werden.“ Das Haus ist etwa 6,80 m breit und fast 20 m lang: Zwischen Küche und Wohnraum ist ein Terrassentrapez eingeschnitten, auch der Keller am hinteren Ende mündet ins Freie: Seine Glasfassade öffnet sich im Südosten zur Loggia am Wald. Der lichte Raum mit autonomem Zugang hat viel Potenzial. Derzeit ist er im Sog der kontrollierten Zuund Entlüftung zum Wäschetrocknen optimiert, de facto ließe er sich auch zur Bleibe für einen Jugendlichen, einen Senior oder als Büro/Studio aufrüsten. Der Keller ist aus Öko-Beton, bei dessen Produktion durch die Verwendung von Hüttensand 80–90 % weniger CO2 anfällt. Darüber ist das Haus aus Holz: Die Wände wurden in Pfosten-Riegel- Konstruktion von der Bezauer Tischlerei Kaspar Greber in der Werkstatt vorgefertigt, per Bahn transportiert und in drei Tagen vor Ort aufgestellt. „Alte Häuser in den Alpen haben massive Sockel aus Stein und sind oben aus Holz“, sagt Juri Troy. Deshalb sind die Fichtenlatten der Fassade bandgesägt und aus Riftholz. Das ist besonders wetterfest. Auch alle Böden, Decken, Wände und Möbel sind aus Holz präzise gefertigt. Die Bauzeit war trotzdem rekordverdächtig; von Mai bis Oktober 2010.

Der Eingang liegt an der Schmalseite von Grund und Haus bei der Zufahrt im Nordwesten: durch das Küchenfenster hat man Straße und Ankömmlinge im Blick, der Tisch steht an der eingeschnittenen Terrasse, die auch die Südsonne in die Küche strömen lässt und die Mitte des Hauses erhellt.

Wissenschaftlich begleitet

Das Projekt wurde wissenschaftlich vom IBO – Österreichisches Institut für Baubiologie und Bauökologie Wien und der Donau- Universität Krems begleitet. Dabei prüfte man im Lichtlabor und an Computersimulationen, wie sich Nachbarbauten und Wald auf die Besonnung auswirkten. Als sich zeigte, dass noch nicht genug Licht einfiel, planten die Architekten ein Fenster mehr in die südwestliche Außenwand: Seine Brüstung geht in eine weiße Bank über, die dank aufklappbarer Sitzfläche auch Extra-Stauraum bietet.

Das Holz aller Brüstungen ist mit weiß pigmentiertem Öl lasiert: Das wirkt als UV-Schutz und Diffusor für das einfallende Licht. Die Statik berechnete das Büro merz kley partner aus Dornbirn. Alle Außenwände sind tragend, die Decken aus Massivholz, auch die Treppe mit den lichtdurchlässigen Stufen und weiß geölten, vertikalen Stehern trägt mit und zelebriert in ihrer Transparenz den Wechsel zwischen den Ebenen. Wie eine Skulptur wird sie von den Dachflächenfenstern in Licht getaucht. Sie lassen die Morgensonne auch auf den Erschließungsgang der Schlafräume strömen. Ein Oberlichtband leitet sie in die Zimmer weiter. 13 Menschen brauchte es, um die 2,10 m x 2,10 m große Scheibe aus Dreifachisolierglas am Ende des Flurs einzusetzen: dafür sieht das Wäldchen von hier oben phänomenal gut aus. Die weiß lasierten Laibungen der Dachflächenfenster schaffen ideale Arbeitsplätze in den Kinderzimmern. Dazwischen sind sechs Solarkollektoren, die das Wasser wärmen, am Dach montiert: Um optimal effiziente Sonneneinträge zu erreichen, hat es 45 º Neigung. Das Dach über dem Elternschlafzimmer ist mit nur 25 º geneigt: auf ihm liegen die Fotovoltaikpaneele zur Stromerzeugung.

Ökologisch

Das IBO prüfte alle Materialien auf ihren CO2-Gehalt. UV-beständige, schwarze Winddichtung, Zellulosedämmung, formaldehydfreie OSB-Beplankung, Schafwolle zwischen der Lattung, statt eines Estrichs kamen hochverdichtete Gipsplatten aus Zellulosefasern zum Einsatz. Am Boden liegt Eichenparkett, die Nassräume sind mit recycelten Platten verkleidet. Eine kontrollierte Be- und Entlüftung sorgt für optimale Luftqualität. Optional kann man auch die Fenster öffnen: Dann strömt die kühle Luft über die Kellerstiege herein, steigt mit dem Kamineffekt auf und kann durch die Dachflächenfenster entweichen. Im Winter wird der Boden beheizt. Der Fußabdruck des Hauses hinterlässt ein leichtes Plus von 10,5 kg CO2/ m2²pro Jahr. Nun wird das „ModelHome 2020“ verkauft. € 850.000 soll es kosten, Grundstück, Ausstattung und Möbel inklusive. Und das Gefühl, in einem Haus zu leben, das nach 30 Jahren sein CO2 neutralisiert hat – zukunftsträchtig, sofern mit öffentlichem Verkehr, dem Rad oder per pedes erreichbar.

Daten und Fakten

Objekt

Modelhome 2020 Österreich

Velux Sunlighthouse

Pressbaum, Niederösterreich

Architekten

Hein-Troy Architekten, Bregenz/Wien

Jury Troy, juritroyarchitects Wien, www.juritroy.com

Statik

merz kley Partner, Dornbirn, www.mkp-ing.com

Holzbau

Kaspar Greber, Bezau, www.kaspargreber.at

Wissenschaftliche Begleitung

IBO – Österreichisches Institut für Baubiologie und Bauökologie Wien, Donau-Universität Krems

Bauzeit

Mai–Oktober 2010

Energiewerte

CO2-Emissionen: 10,3 kg CO2/m²/Jahr

Kompensation: Fotovoltaik 9,0 kg CO2/m2, Warmwasser durch Solarthermie 0,6 kg CO2/m², Holzfeuerung: 0,9 kg CO2/m²

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