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Den Staat abschlanken und die Standesämter zusperren

Gastkommentar von Dr. Andreas Unterberger
Gastkommentar von Dr. Andreas Unterberger ©AP
Gastkommentar von Dr. Andreas Unterberger. Die deutsche Aufregung – und ähnliche in vielen anderen Ländern – rund um die sogenannte Homo-Ehe verdeckt die fundamentale Frage: Warum veranstaltet der Staat überhaupt eine eigene Zeremonie, wenn zwei Menschen eine Beziehung eingehen (oder schon lange eingegangen sind)?

Dafür gibt es in Wahrheit keinen objektiven Grund. Der Staat macht das ja auch sonst bei keiner wichtigen Etappe im menschlichen Leben. In diesem sind Geburt und Tod zweifellos viel wichtiger. Beides wird aber nur mit einem Dokument bescheinigt. Eine eigene Feier nach der Geburt gibt es nur in den christlichen Kirchen, nämlich die Taufe. Und eine staatliche Begräbniszeremonie gibt es nur dann, wenn jemand dafür zahlt.

Bei Sponsionen oder Promotionen gibt es seit längerem nur noch dann eine Feier, wenn man an einer solchen teilnehmen will. Wer nicht will, kann sich seine Urkunde völlig formlos abholen. Dabei sind solche Abschlüsse im Leben vieler Menschen seltener und oft auch wichtiger als eine standesamtliche Eheschließung. Auch den Führerschein erwirbt man meist nur einmal – und doch gibt es keine staatliche Feier.

Fast jedes Mal, wenn ich bei einer solchen Standesamtsfeier dabei war, ist mir diese peinlich vorgekommen. Kerzen, Talar und Orgelmusik sind lächerlich wirkende Imitationen der kirchlichen Zeremonien durch den Staat, der mich sonst primär mit Steuerbescheiden und Strafmandaten beglückt. Als einmal die Brautleute auf Ansprache und Ringtausch verzichtet haben, hat das ein sich für besonders wichtig haltender Standesbeamter mit „leider“ kommentiert …

Die staatliche Eheschließung ist ein Vertrag mit einer Fülle von Rechtsfolgen (fast so vielen wie die Geburt). Aber während Führerscheinerwerb oder Sponsionen überwiegend positive Konsequenzen haben, endet fast jede zweite Ehe in Scheidung, in Rosenkriegen, in oft jahrelangen Krisen und Streit. Dennoch habe ich noch nie einen Standesbeamten gehört, der eindringlich auch auf die möglichen negativen Folgen einer Ehe hingewiesen hätte. Verpflichtende Warnungen gibt es nur, wenn man ein Industrieprodukt kauft …

Also wozu das Ganze? Warum wird nicht wie bei Kauf eines Grundstücks oder Erstellung eines Testaments einfach ein Vertrag bei Notar oder Rechtsanwalt unterzeichnet?

Der festliche Rahmen der standesamtlichen Eheschließung ist natürlich nicht deshalb erfunden worden, damit möglichst viele Menschen in die Falle Ehe gelockt werden und Scheidungsanwälte viel verdienen. Er hat ganz andere historische Ursachen: Die Inszenierung der staatlichen Ehe sollte das Monopol der Kirche zu durchbrechen helfen. Sie war also in Zeiten, da fast jede Ehe in Kinder mündete, eigentlich ein antikirchliches Instrument einer laizistisch gewordenen Gesellschaft. So wie es die „Jugendweihe“ der Kommunisten als Konkurrenz zur Firmung gewesen ist. Umso erstaunlicher ist, dass sich jetzt gerade die Kirche so große Sorgen um die staatliche Ehe und deren Öffnung für Schwule macht. Viel logischer wäre es doch, würde die Kirche sagen: „Wir haben unsere sakramentale Ehe, die geht den Staat nichts an. Und der Staat möge tun, was er will, er möge uns nur bitte nicht so lächerlich nachmachen.“

Wozu braucht es den Staat dabei überhaupt? Zum Zeremonieninszenieren sicher nicht. Das können private Eventagenturen viel besser. Mit Brautkleid oder ohne. Mit Brautjungfern oder ohne. Mit gerührten Verwandten oder ohne. Mit 200 Gästen oder bloß einer Handvoll. Auf dem Kahlenberg oder auf dem Himalaya. Der Staat sollte kein Brimborium veranstalten, aber jede gewünschte vertragliche Verbindung ermöglichen. Für den Vertrag zwischen zwei Partnern sollen alle Varianten möglich sein, wie ja auch bei sonstigen Verträgen. Mit Unterhaltsansprüchen und ohne. Mit Erbsansprüchen und ohne. Mit gegenseitiger Treuepflicht und ohne. Mit gemeinsamem Wohnsitz und ohne. Und so weiter.

Es wäre absurd, das nur für solche Partner zu ermöglichen, die vorgeben, miteinander sexuelle oder erotische Beziehungen haben zu wollen, heterosexuelle oder auch homosexuelle. Es ist eine üble Diskriminierung, dass nicht etwa auch Geschwister genauso solche Verträge abschließen können. Gerade bei alten Geschwistern – verwitweten oder nie verheiratet gewesenen – findet man viel mehr Exempel von sich rührend und liebevoll umeinander kümmernden Menschen.

Wie aber ist es mit den Ansprüchen auf Hinterbliebenen-, den Witwenpensionen? Diese sind in Wahrheit ein schlimmer Anachronismus, egal ob es um Frauen oder Männer geht, egal ob eine hetero-, eine homosexuelle oder eine sonstige Beziehung dahintersteht. Ansprüche darauf sollten zumindest künftig nicht mehr neu entstehen können, Denn für solche Witwenpensionen wurde ja nie auch nur ein Cent ins Pensionssystem eingezahlt. Sie sind (neben dem ständig größer werdenden Auseinanderklaffen von Antrittsalter und Lebenserwartung) auch ein Hauptgrund für die bevorstehende Implosion des gesamten Pensionssystems.

Bei vielen Alterspensionen ist ja nicht einmal die erste Pension versicherungsmathematisch durch die Einzahlungen während des Berufslebens ausfinanziert. Für jede weitere Pension ist das noch viel weniger der Fall. Dabei gibt es Fälle, wo ein einziger Mann sogar mehreren früheren Ehefrauen eine Witwenpensionen zukommen lassen kann. Man muss nur die jeweiligen Scheidungen geschickt genug arrangieren.

Es gibt bloß einen einzigen legitimen Grund für das Entstehen solcher Hinterbliebenenpensionen: Das sind Kinder, das ist die Unterbrechung oder Reduzierung des Erwerbslebens für Geburt und Erziehung von Kindern. Daraus aber sollte durchaus ein eigener Pensionsanspruch entstehen, nicht nur ein abgeleiteter. Seit den schwarz-blauen Jahren ist das immerhin auch für vier Jahre (nach Geburt des jüngsten Kindes) möglich. Das war ein großer gesellschaftlicher Fortschritt.

Diese Frist könnte durchaus verlängert werden, vor allem wenn es mehrere Kinder gibt. Wichtig wäre zugleich auch, diese Ansprüche von (meistens) Müttern besser mit Teilzeit-Beschäftigungen kombinierbar zu machen. Ihnen sollte also das ohne negative Folgen für die spätere Pension möglich gemacht werden, was jetzt schon viele Frauen unter finanziellen Verlusten tun: bis zum 14. oder auch 18. Lebensjahr der Kinder bloß reduziert arbeiten gehen.

In allen anderen Fällen aber ist jede Art einer Witwenpension eine himmelschreiende Ungerechtigkeit allen anderen gegenüber, die selbst für ihre Pensionsansprüche gearbeitet haben. Wenn beispielsweise ein gut verdienender Mann ohne Kinder seine Frau der Bequemlichkeit willen joblos haben will, müsste er dann halt für sie eine zweite Pensions- und Krankenversicherung zahlen.

Warum bitte soll die ohnedies unter einer immer schlimmer werdenden Abgabenlast stöhnende Allgemeinheit weiterhin dafür aufkommen, dass eine solche Luxusfrau, die nie gearbeitet hat, ohne jede Beitragsleistung eine noch dazu sehr gute Pension bekommt? Warum soll sie das tun, wenn ein älterer Homosexueller sich einen jungen Asiaten importiert? Würden all diese Reformen realisiert, dann wären jedenfalls viele Probleme um die Schwulenehe und auch um das Pensionssystem entschärft. Dann wären schwule wie heterosexuelle Beziehungen das, was sie sein sollten: reine Privatsachen und kein Staatsakt mehr.

Aber vor allem: Dann könnte sich der Staat wieder um das kümmern, was wirklich wichtig ist. Das sind ganz eindeutig die Familien, jene (verheirateten oder unverheirateten) Paare, die Kinder zur Welt bringen und erziehen, also jene Menschen, die die entscheidende Zukunft einer Gesellschaft sind. Zumindest sofern diese überleben will. Um das zu verstehen, muss man weder religiös noch naturrechtlich denken. Wobei es freilich absolut sicher und unzählige Male bewiesen ist, dass Religion und Naturrecht dieses Überleben einer Gesellschaft noch viel, viel besser absichern und garantieren können.

PS: Die viel schlimmere Attacke auf die Institution Familie als irgendwelche homosexuelle Verbindungen war zweifellos die Ermöglichung von Adoptionen durch schwule Paare. Denn dabei sollte es nur um das Wohl der Kinder gehen und nicht um die Wunscherfüllung schwuler Eltern, die selbst keine Kinder bekommen können. Und alle bekannten Studien sagen, dass für die Kinder das Aufwachsen in einer möglichst normalen Familie mit Vater und Mutter das Beste ist.

Der Autor war 14 Jahre Chefredakteur von „Presse“ bzw. „Wiener Zeitung“. Er schreibt unter www.andreas-unterberger.at sein „nicht ganz unpolitisches Tagebuch“, das heute Österreichs meistgelesener Internet-Blog ist.

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